DAZ.online-Themenwoche

10 Jahre Rabattverträge – von den Anfängen bis heute

Berlin - 03.04.2017, 13:45 Uhr

Mit den Rabattverträgen ist in den Apotheken das Lager angewachsen. (Foto: A. Schelbert)

Mit den Rabattverträgen ist in den Apotheken das Lager angewachsen. (Foto: A. Schelbert)


Scharfstellung durch das GKV-WSG

Auch wenn die AOK-Verträge schon eher angelaufen sind – wirklich ernst wurde es am 1. April 2007, dem Tag an dem das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) in Kraft trat. Dieses sorgte für eine „Scharfstellung“ der Rabattverträge, insbesondere über eine Änderung des § 129 SGB V, genauer gesagt der Aut-idem-Regelung: Hat der Arzt einen Wirkstoff verordnet oder die Ersetzung des verordneten Arzneimittels zumindest nicht ausdrücklich ausgeschlossen, so muss der Apotheker ein „preisgünstiges“ Arzneimittel abgeben – und das ist bei Bestehen eines Rabattvertrags eben dieses Rabatt-Arzneimittel. Das bedeutete für die Hersteller, dass sie im Gegenzug zu den gewährten Rabatten nun auch eine Mengengarantie bekamen. Vertragsärzten wurden ebenfalls Anreize zur Verordnung von Rabattarzneimittel gesetzt – für sie wurden Wirtschaftlichkeitsprüfungen ausgeschlossen. Und Versicherte konnten unter Umständen auch entlastet werden, um ihnen die Rabattarzneimittel schmackhaft zu machen: Krankenkassen können ihnen die Zuzahlung ganz oder zur Hälfte erlassen, wenn dennoch Einsparungen zu erwarten sind (§ 31 Abs. 3 Satz 5 SGB V). Für die Kassen bedeuteten diese Änderungen im Laufe der Jahre beständig wachsende Ersparnisse im Arzneimittelbereich. Der 1. April 2007 ist angesichts dieser neuen Vorgaben mit Fug und Recht als der eigentliche Geburtstag der Rabattverträge anzusehen. Jetzt ging es richtig los – sämtliche Kassen begannen Verträge abzuschließen und Apotheken mussten sie umsetzen. Die Ersatzkassen waren nach den AOKen die nächsten, die eine Ausschreibung starteten. Alle anderen folgten, größere Kassen vielfach im Alleingang, kleinere Betriebskrankenkassen in der Regel gebündelt.

Zielpreise setzten sich nicht durch

Zwar war mit dem GKV-WSG auch die Grundlage für ein alternatives Sparmodell geschaffen worden, das Rabattverträgen sogar vorgehen kann – das sogenannte Zielpreismodell. Danach verpflichtet sich die Apotheke, Generika so auszuwählen, dass der Preis einem zwischen Apothekerverband und Kasse verhandelten Zielpreis entspricht. Individuell können Apotheker jedoch von diesem abweichen. Die ABDA zog die Zielpreise den Rabattverträgen eindeutig vor. Letztlich setzten sie sich jedoch nicht durch – sowohl die Kassen als auch die Hersteller hielten nichts von diesem Weg.

Am Rande bemerkt: Was mit dem GKV-WSG nicht gekommen ist, ist ein Initiativrecht der Apotheken, eigene Rabattverträge mit pharmazeutischen Unternehmen zu schließen – ein entsprechender Plan war im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens fallen gelassen worden.

Die Kassen merkten schnell, was für ein mächtiges Sparinstrument ihnen an die Hand gegeben worden war: Hersteller, die sich nicht auf Rabattverträge einlassen beziehungsweise nicht bezuschlagt werden, können nicht mehr auf große Marktanteile hoffen. Sie haben also die Wahl, den Kassen entweder erhebliche Rabatte einzuräumen oder für die Dauer der Vertragslaufzeit faktisch von der Versorgung bestimmter Versicherter ausgeschlossen zu sein. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Rabattverträge - zur Vergangenheit gehört auch die Zukunft

von Ingrid Lux am 21.06.2019 um 6:29 Uhr

Genau: die Autorin schließt auf den Punkt präzise, wohin diese Sparmaßnahmen führen. Sparpotential gibt es ja nur mit drastischen Maßnahmen, wie Auslagrung in billigere Lohnländer und Vereinheitlichung ergo Einschränkung der Anzahl der Wirkstofflieferanten. Simsalabim, gibt es nun Lieferengpässe. Wenn nur noch jeweils ein, höchstens zwiei Hersteller die Wirkstoffe weltweit liefern, ist der leichteste Schluckauf bei ebendiesen der Grund für Lieferengpässe weit und breit. Die Autorin deutet den Zusammenhang an; ich frage mich: ist er von der Politik / den Krankenkassen erkannt?

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Der Rabattvertrag und seine Interpretation

von Heiko Barz am 04.04.2017 um 11:05 Uhr

Wenn das Wort "Rabattvertrag" in der Apotheke im Gespräch mit den Patienten fällt bei der Erklärung, dass schon wieder ein anderer Arzneimittel Partner der KKasse die AM Auslieferung bestimmt und ein neues Layout der Packungen die Patienten verunsichert, dann muß zusätzlich Zeit zur Aufklärung von uns erbracht werden.
Gehört das auch zur qualitätsorientierten Beratungsleistung, die für 8,35€ geliefert werden muß?
Das Wort Rabatt induziert automatisch eine reduzierende Preisregulation und da dieser falsche Begriff mittlerweile in der Apotheke zum Sprachalltag gehört, muß man dagegen einwirken. In meiner Apotheke durfte dieses Unwort in Verbindung mit der Kassenrezeptbelieferung von Anfang an nicht benutzt werden.
Als dieser Pharmaterror der KKassen ab 2003 begann, konnte man in den den Gazetten der KKassen wenig oder kaum etwas Begreifbares für den lesenden Patienten erkennen.
Psychologen bei den KKassen haben diesen Fakt bewußt gesteuert, denn das Bild des geldgeilen Apothekers konnte sehr schön von den eigenen Begehrlichkeiten ablenken.
Es ist eine unglaubliche Gleichgültigkeit unserer damaligen Verhandlungsführer, sich diesem berufsdiskriminierenden Wortspiel zu ergeben.
AOK-Herrmann und alle anderen KKassenfunktionäre lachen sich einen Ast, wenn in den Apotheken das Wort Rabattvertrag tausendmal genannt wird und das Bild des Apothekers als Geldverschieber ins Bewußtsein der Patienten gedrückt wird.
Dazu kommt noch das Zwangseintreiben der Rezeptgebühr. Nun mache ich diesen berufsbedingten Schwachsinn schon seit über 50 Jahren mit. Das fing mal an bei 50Pf. Bis heute lassen die KKassen es vermissen, ihre Beitragszahler dahingehend aufzuklären, dass die Apotheke ohne jeden Vorteil in sklavenhaltiger Abhängigkeit als Innkasso die Rezeptanteile einzuziehen hat.
Diese und andere Buhmannfratzen hält man bei den KKassen gerne hoch, ohne sich rechtfertigen zu müssen.
Partnerschaft im Gesundheitswesen - eine Lachnummer - seit langem herrscht offener, mit unfair und ungleichen Waffen geführter Krieg, der so richtig erst durch die maßlosen Regresse marginaler Verschreibungskriterien die praktische Apothekenarbeit zum Wohle der Patienten nachhaltig untergraben hat.

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