Nach Mordserie

Niedersachsen will flächendeckend Stationsapotheker einführen

Hannover - 31.03.2017, 17:00 Uhr

Niedersachsens Gesundheitsministerin Cornelia Rundt will in Reaktion auf eine Mordserie eines Krankenpflegers einen „Meilenstein zur Stärkung der Patientensicherheit“ erreichen: Auf
jeder Station soll es einen Apotheker geben. (Foto:
psphotography / Fotolia) 

Niedersachsens Gesundheitsministerin Cornelia Rundt will in Reaktion auf eine Mordserie eines Krankenpflegers einen „Meilenstein zur Stärkung der Patientensicherheit“ erreichen: Auf jeder Station soll es einen Apotheker geben. (Foto: psphotography / Fotolia) 


Als Reaktion auf zahlreiche Mordfälle will die niedersächsische Landesregierung auf Krankenhausstationen eine Pflicht zu ausreichenden Versorgung durch Stationsapotheker einführen. Auch durch den flächendeckenden Ausbau von Arzneimittelkommissionen und mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit will die Gesundheitsministerin Cornelia Rundt einen „Meilenstein zur Stärkung der Patientensicherheit“ erreichen. 

Mit einer Änderung des Krankenhausgesetzes will die niedersächsische Landesregierung für alle Kliniken des Landes eine Pflicht einführen, durch ausreichend Stationsapotheker die Arzneimittelsicherheit (AMTS) erhöhen. Wie im vergangenen Jahr bereits der zuständige Landtagsausschuss empfohlen hat, will die Gesundheitsministerin Cornelia Rundt in Reaktion auf eine Mordserie eines Krankenpflegers einen „Meilenstein zur Stärkung der Patientensicherheit“ erreichen. Der Pfleger hatte zugegeben, in Delmenhorst und Oldenburg 90 Patienten eine Überdosis des Herzmittels Ajmalin verabreicht zu haben, bis zu 30 sollen verstorben sein.

Auf der AMTS liege der „besondere Augenmerk“ des neuen Gesetzesentwurfes, betont ihr Haus in einer Pressemitteilung. „Neben der flächendeckenden Einführung von Arzneimittelkommissionen werden zukünftig Stationsapothekerinnen und Stationsapotheker das Personal auf den Stationen in allen Fragen der Arzneimitteltherapie unterstützen und beraten“, erklärt die Ministerin. „Dies soll unter anderem das Risiko von Medikationsfehlern senken.“

Innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten des geplanten Gesetzes ist in jedem Krankenhaus in Niedersachsen sicherzustellen, dass die Krankenhausapotheke oder die krankenhausversorgende öffentliche Apotheke in hinreichendem Verhältnis zur Anzahl der Betten Stationsapotheker „als präsente Beratungspersonen auf den Stationen und in den Funktionsbereichen einsetzt“, heißt es in dem Entwurf. Diese haben dabei die Aufgabe, im Rahmen der interprofessionellen Zusammenarbeit mit ärztlichem und pflegerischem Personal „zu einer sicheren, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Arzneimitteltherapie beizutragen“.

Stationsapotheker sollen laut dem Gesetzesentwurf insbesondere zu Fragen der Arzneimitteltherapie bei Aufnahme und Entlassung, der Anwendung und des Verbrauchs von Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten sowie der Einhaltung der arzneimittelrechtlichen Bestimmungen beraten. Stationsapotheker sollen Weiterbildungen zum „Fachapotheker für Klinische Pharmazie“ absolviert haben oder zumindest die Weiterbildung begonnen haben. 

In jedem Krankenhaus ein Fehlermeldesystem

Die Leiter der Klinikapotheken oder der versorgenden öffentlichen Apotheken sollen mit dem leitenden Arzt, der leitenden Pflegefachkraft und gegebenenfalls weiteren Personen Arzneimittelkommissionen (AMK) bilden. Diese sollen in allen Kliniken eingeführt werden, wobei sich mehere Häuser auch eine AMK teilen können. Aufgabe der Kommissionen ist es, eine Arzneimittelliste zu führen, in der die für den laufenden Verbrauch bestimmten Arzneimittel aufgeführt sind. Diese sollen „nach medizinischen, pharmazeutischen und wirtschaftlichen Aspekten“ unter Berücksichtigung der AMTS erstellen und fortgeschrieben werden, auch um das ärztliche und pflegerische Personal in Fragen der Pharmakotherapie, AMTS und der klinischen Pharmazie zu beraten und zu unterstützen. Alle nicht in der Liste enthaltenen Arzneimittel müssen – unter Angabe der Gründe für die Anwendung – der AMK mitgeteilt werden.

Der Gesetzesentwurf sieht weiterhin vor, dass in jedem Krankenhaus ein Fehlermeldesystem eingeführt werden muss. Dieses soll für alle Mitarbeiter „niedrigschwellig zugänglich sein“ – die Meldungen „müssen freiwillig, anonym und sanktionsfrei erfolgen“. Darüber hinaus soll die interdisziplinäre Zusammenarbeit befördert werden.

„Fach- und professionsübergreifende Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen sollen eine Plattform für einen lösungs- und entwicklungsorientierten Austausch auf Augenhöhe erhalten“, schreibt das Ministerium. „Um eine hohe Dauerbelastung des Personals zu verringern, sollen die Krankenhäuser verpflichtet werden, Konzepte zum Umgang mit berufsbezogenen Belastungen zu erarbeiten“, erklärt das Ministerium außerdem.

Frank Dombeck, der pharmazeutische Geschäftsführer der Apothekerkammer Niedersachsen, begrüßte gegenüber DAZ.online die beabsichtigte Einführung des Stationsapothekers. „Der interprofessionelle Ansatz in der Patientenversorgung hat sich bereits in vielen anderen Ländern bewährt“, erklärte er. „Die pharmazeutische Kompetenz des Apothekers sollte nicht länger nur eingeschränkt als Arzneimittellogistiker genutzt werden.“



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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