Beratungs-Quickie

Therapie der Postzosterneuralgie 

München / Stuttgart - 30.03.2017, 14:00 Uhr

Postzosterneuralgien können Folge einer Gürtelrose sein. Was sollten Apotheker bei der Beratung beachten? (Foto: contrastwerkstatt / stock.adobe.com)

Postzosterneuralgien können Folge einer Gürtelrose sein. Was sollten Apotheker bei der Beratung beachten? (Foto: contrastwerkstatt / stock.adobe.com)


Welche Punkte sind bei der Beratung in der Apotheke wichtig? Was für Zusatzinformationen können Sie zu den verordneten Arzneimitteln geben? Im „Beratungs-Quickie“ stellen wir jeden Donnerstag einen neuen Fall vor. Diese Woche geht es um die medikamentöse Therapie der Postzosterneuralgie und ein Rezept über ein Antiepileptikum und ein nichtsteroidales Antiphlogistikum. Außerdem bekommt die Patientin ein Arzneimittel – Tolterodin – gegen Dranginkontinenz.

Die Kundin legt das Rezept einige Tage nach der Ausstellung in der Apotheke vor. Sie berichtet, dass sie noch Wochen nach einer durchlittenen Gürtelrose an schweren Schmerzuständen leide und deshalb zum zweiten Mal die beiden Schmerzmedikamente erhalte. Das Präparat gegen ihre Inkontinenz nehme sie schon längere Zeit ein.

Formalien-Check

Verordnet sind eine N3-Packung Gabapentin ratiopharm® in der Wirkstärke 800 mg, eine N3-Packung Ibuflam® Tabletten in der Wirkstärke 800 mg sowie eine N2-Packung Detrusitol® 2 mg Tabletten. Das Rezept ist vollständig und eindeutig.

Für Position eins ist der Rabattaustausch ausgeschlossen, und das Rezept ist mit 200 Filmtabletten (N3) Gabapentin ratiopharm® 800 mg zu beliefern. Für Position zwei und drei erlaubt der Arzt den Aut-idem-Austausch. Rabattverträge sind daher zu beachten. Ist für Ibuflam® eine Substitution notwendig, so ist auf die schnelle Wirksamkeit des Rabattpartners (Filmtabletten und keine Retardtabletten) zu achten.

Die Kundin ist gebührenpflichtig. Ab Ausstellungsdatum ist die Verordnung einen Monat gültig.

Beratungs-Basics

Das Antiepileptikum Gabapentin wird als Mono- oder Zusatztherapie bei partieller Epilepsie mit oder ohne generalisierten Anfällen eingesetzt. Außerdem findet der Wirkstoff Anwendung (meist in höherer Dosierung) zur Behandlung von peripheren neuropathischen Schmerzen bei Erwachsenen, wie schmerzhafter diabetischer Neuropathie und postherpetischer Neuralgie.

Um das Risiko von Nebenwirkungen zu reduzieren, beginnt die Therapie einschleichend mit ein- bis dreimal 300 mg Gabapentin täglich. Danach erfolgt eine schrittweise Dosissteigerung bis zu einer Erhaltungsdosis von 1200 bis 3600 mg / Tag. Bei älteren Patienten über 65 Jahre kann eine Dosisanpassung infolge der altersbedingt abnehmenden Nierenfunktion erforderlich sein. Eine Behandlungsdauer von mehr als fünf Monaten bei peripheren neuropathischen Schmerzen ist nicht untersucht.

Die Filmtabletten können mit oder ohne Nahrung eingenommen werden. Wichtig ist, dass sie unzerkaut mit ausreichend Flüssigkeit (zum Beispiel ein Glas Wasser) geschluckt werden.

Sehr häufig treten unter der Behandlung Schwindel, Schläfrigkeit, Ataxie und Virusinfektionen auf. Andere mögliche Nebenwirkungen sind Appetitveränderungen, gastrointestinale Beschwerden, Kopfschmerzen und Sehstörungen. Unerwünschte Wirkungen wie Somnolenz, periphere Ödeme und Asthenie können bei älteren Patienten häufiger auftreten.

Ibuprofen ist ein mittelstark wirkendes Analgetikum und Antiphlogistikum. Die Dosierung beträgt entsprechend der ärztlichen Anweisung entweder bei Bedarf oder zwei bis dreimal täglich eine Tablette. Die Einnahme erfolgt unzerkaut nach einer Mahlzeit mit einem großen Glas Wasser. Das nichtsteroidale Antirheumatikum wird hauptsächlich bei chronischen Schmerz- und Entzündungszuständen angewendet, aber auch bei akute Arthritiden (zum Beispiel Gichtanfall).

Bei einer Postzosterneuralgie gelten Antidepressiva und Antiepileptika als Mittel der Wahl. Auch der Einsatz von Opioiden und von Topika mit Lidocain oder Capsaicin hat sich bewährt. NSAR sind bei neuropathischen Schmerzen nur wenig wirksam und sollten wegen mangelnder Evidenz nicht verordnet werden. Ungeachtet dessen, finden sich NSAR häufig in der Therapie neuropathischer Schmerzen.

Gastrointestinalen Beschwerden sind sehr häufige unerwünschte Wirkungen von Ibuprofen. Sie bergen ein hohes Komplikationspotenzial, wie gastrointestinale Blutung oder Perforation. Außerdem sollte eine regelmäßige Kontrolle der Nierenfunktion erfolgen. Bei älteren Patienten kommt es unter Therapie mit Ibuprofen häufiger zu unerwünschten Wirkungen.

Im Hinblick auf das Nebenwirkungsprofil und die fragliche Notwendigkeit einer hochdosierten Langzeittherapie mit Ibuprofen bei neuropathischen Schmerzen sollte die Apotheke Rücksprache mit dem Arzt halten.

Das neurotrope Spasmolytikum Tolterodin wirkt spasmolytisch auf die glatte Muskulatur der Harnleiter und der Harnblase. Der Wirkstoff wird zur symptomatischen Behandlung der Dranginkontinenz bei überaktiver Blase eingesetzt. Organische Ursachen für einen imperativen Harndrang und Pollakisurie (häufiges Wasserlassen kleiner Mengen) sollten vor Behandlungsbeginn ausgeschlossen werden.

Die Standarddosierung beträgt zweimal täglich eine Tablette. Der Behandlungserfolg sollte nach zwei bis drei Monaten überprüft werden.

Als Nebenwirkung treten sehr häufig Kopfschmerzen und Mundtrockenheit auf. Häufig kommt es zu Schwindel, trockenen Augen, Palpitationen, Akkomodationsstörungen und Magen-Darm-Beschwerden.

Auch noch wichtig

Bei der Behandlung mit anderen Arzneimitteln in der Selbstmedikation oder nach ärztlicher Verordnung sind mögliche Wechselwirkungen zu beachten.

Die gleichzeitige Gabe von Gabapentin mit Aluminium und Magnesium enthaltenden Antazida kann die Resorption von Gabapentin reduzieren. Es ist ein Einnahmeabstand von mindestens zwei Stunden einzuhalten.

Alkohol und alkoholhaltige Pharmaka (Tropfen) sowie zentraldämpfende Arzneimittel (Antihistaminika, Antitussiva) verstärken die zentralen Nebenwirkungen des Gabapentins. Die Kundin sollte wegen der verstärkten Sedierung in Kombination mit Gabapentin und einer erhöhten Ulkusneigung mit Ibuprofen während der Behandlung auf Alkohol verzichten. 

Anticholinergika (zum Beispiel Butylscopolaminiumbromid), Mittel mit anticholinergen Nebenwirkungen (zum Beispiel Antihistaminika wie Dimetinden) und Sympathomimetika (zum Beispiel Etilefrin) verstärken die Nebenwirkungen von Tolterodin.

Für ein gutes Medikationsmanagement empfiehlt es sich, der Kundin die Speicherung der Medikation in einer Kundenkarte anzubieten.

Im Straßenverkehr ist Vorsicht geboten, da unter der Medikation eine eingeschränkte Reaktionsfähigkeit und Akkomodationsstörungen auftreten können.

Darf´s ein bisschen mehr sein?

  • Die meist gefürchtete Komplikation des Herpes Zoster ist die Post-Zoster-Neuralgie. Eine unmittelbare antivirale Therapie des Herpes Zoster sowie eine frühzeitige und effektive Schmerztherapie ist von entscheidender Bedeutung für die Vermeidung der Postzosterneuralgie.
  • Eine Impfung mit Zostavax® kann die mögliche Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus verhindern. Für ältere Patienten über 50 Jahre kann eine Erst- beziehungsweise Auffrischimpfung die Häufigkeit des Herpes Zoster beziehungsweise der Postzosterneuralgie reduzieren.
  • Eine häufige Ursache für das Auftreten einer Dranginkontinenz ist der normale Alterungsprozess. Neben der medikamentösen Behandlung ist vor allem eine Kombination aus Beckenboden- und Verhaltenstherapie (Erlernen einer regelmäßigen Blasenentleerung sowie eine Kontrolle des Trinkverhaltens) wichtig für einen guten Behandlungserfolg.


Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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