Statt Rx-Versandverbot

Grüne wollen Höchstpreise und Versorgungsforschung

Stuttgart - 22.03.2017, 14:40 Uhr

Kordula Schulz-Asche räumt dem Referentenentwurf von Gesundheitsminister Gröhe
zum Rx-Versandhandelsverbot keinerlei Chancen ein. (Foto: dpa)

Kordula Schulz-Asche räumt dem Referentenentwurf von Gesundheitsminister Gröhe zum Rx-Versandhandelsverbot keinerlei Chancen ein. (Foto: dpa)


Die Bundestagsfraktion der Grünen hält die Rx-Preisbindung für kein geeignetes Instrument, die flächendeckende Arzneimittelversorgung zu sichern. Die Oppositionsfraktion spricht sich in einem Gesetzesantrag für ein Höchstpreismodell aus, um kurzfristig die Benachteiligung einheimischer Apotheken zu beenden. Längerfristig bedürfe es einer grundlegenden Weiterentwicklung der Arzneimittelversorgung. An der Ablehnung des Rx-Versandverbots hält die Fraktion fest. 

Nach Ansicht von Kordula Schulz-Asche, Arzneimittelexpertin in der Grünen-Fraktion im Bundestag, ist der Referentenentwurf von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zum Versandhandelsverbot verschreibungspflichtiger Arzneimittel zum Scheitern verurteilt: „Der Entwurf findet innerhalb der Koalition keine Unterstützung und auch außerhalb der Regierung werden die kritischen Stimmen immer lauter. Sogar die ABDA, die das Verbot grundsätzlich unterstützt, kritisiert den Entwurf, da er die wichtige Versorgung durch spezialisierte Versandapotheken für seltene Erkrankungen schlicht nicht berücksichtigt", erklärte sie in einer Mitteilung. Dass die ABDA in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf einen Lösungsvorschlag vorgelegt hat, erwähnt Schulz-Asche allerdings nicht.

Die Herausforderungen der Arzneimittelversorgung hält die Gesundheitsexpertin der Grünen für komplexer, als dass ihnen durch ein „Verbot von Versandapotheken" (sic!) mit ihrem einprozentigen Marktanteil bei Rx-Medikamenten hinreichend begegnet werden könnte. Auch die Preisbindung hält Schulz-Asche für wenig hilfreich. So seien die Gewinne der Apotheken ungleich verteilt  – und zwar nachhaltig, sagt die Grünen-Politikerin weiter. Die gesetzlich fixierten Preise sollen eigentlich für eine gleichmäßige Versorgung sorgen, tatsächlich nützen sie den großen Apotheken in Bestlagen. Die ländlichen Apotheken hingegen würden durch die Preisbindung belastet, erklärt Schulz-Asche in ihrer Mitteilung. Und nicht nur das: Der Versorgung in sozialen Randlagen schadeten die Fixpreise ihrer Ansicht nach sogar.  

„Versandhandel nur ergänzend, aber wichtig"

Um diese Sachlage zu ändern, bringen die Grünen nun einen Gesetzgebungsantrag ins Parlament ein. Der Antrag ist überschrieben mit dem Titel „Arzneimittelversorgung an Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientieren – heute und in Zukunft“. Er stellt klar die Wichtigkeit einer guten Arzneimittelversorgung und einer fachkompetenten Beratung heraus – für alle Patienten und zu jeder Tages- und Nachtzeit. Präsenzapotheken leisteten hierbei unverzichtbare Dienste, wie die persönliche Beratung, die kurzfristige Arzneimittelherstellung und das Angebot von Nacht- und Notdiensten, heißt es weiter.

Die Anforderungen an den Apotheker als Heilberuf stiegen aufgrund der immer komplexer werdenden Arzneimitteltherapien. Die Herausforderung für die Zukunft sehen die Grünen vor allem darin, diese Struktur zu erhalten – vor allem in ländlichen Regionen, wo Arztpraxen schließen und Apotheken keine Nachfolger mehr finden. Um diese Entwicklungen zu verstehen und den Ursachen und Auswirkungen entgegenwirken zu können, ist nach Ansicht der Fraktion zum Einen eine grundlegende Versorgungsforschung notwendig, um die regionalen Entwicklungen in der Arzneimittelversorgung zu analysieren. Zum Anderen bedarf es einer aufeinander abgestimmten und Sektor-übergreifenden regionalen Versorgung, deren Bestandteil auch die Apotheker sein müssen. Die Rolle des Versandhandels sehen die Grünen vor allem bei der Versorgung von Patienten mit komplexen chronischen und seltenen Erkrankungen. Er sei zwar nur ein ergänzender, aber für manche Patienten wichtiger Teil der Gesundheitsversorgung, heißt es in dem Antrag. 

„Benachteiligung einheimischer Apotheken muss beendet werden"

Keine Antwort auf die kommenden Herausforderungen sei hingegen die Rx-Preisbindung, heißt es weiter. Neue Beweise für diese These legen die Grünen nicht vor und berufen sich bei ihren Forderungen auf den EuGH. Dieser habe keine Belege für eine aufgrund der Preisbindung bessere regionale Verteilung der Apotheken in Deutschland, oder gar eine Gefährdung für die Arzneimittel-versorgung im Falle ihres Wegfalls gesehen. Eine Einschätzung die ein aktuelles Gutachten im Auftrag der Noweda und des Deutschen Apotheker Verlags übrigens widerlegt. Vielmehr müsste die derzeitige Benachteiligung einheimischer Apotheken gegenüber ausländischen Versandapotheken beendet werden. Ein weiteres Anliegen ist den Grünen die finanzielle Entlastung der Patienten.

Daher fordert die Oppositionsfraktion die Bundesregierung auf, das Verbot des Rx-Versandhandels nicht weiter zu verfolgen. Alternativ solle ein Gesetzentwurf mit einer Höchstpreisregelung vorgelegt werden – und zwar unverzüglich. Dieser müsse zudem die mit dem Urteil des EuGH hervorgerufene Benachteiligung einheimischer Apotheken gegenüber ausländischen Versandapotheken beenden und eine zusätzliche finanzielle Belastung der Patientinnen und Patienten vermeiden, so die Forderung. 

Mittelfristig soll die Zuzahlung abgeschafft werden

Des Weiteren möchten die Grünen ein flächendeckendes, regelmäßiges und transparentes Monitoring des Apothekenmarktes und der bedarfsgerechten Arzneimittelversorgung einführen – und zwar gemeinsam mit den Ländern und den Apothekerkammern. Außerdem soll eine Expertenkommission einberufen werden, die zeitnah Handlungsempfehlungen für die Politik zur Weiterentwicklung der Arzneimittelversorgung erarbeitet. Mit dieser Forderung entspricht die Grünen-Fraktion den Vorstellungen von Sabine Dittmar und Edgar Franke aus der SPD-Bundestagsfraktion, die vorgeschlagen hatten, den Rx-Versand zu erhalten, Rx-Boni begrenzt zuzulassen und das Apothekenhonorar durch eine Expertenkommission überprüfen und anschließend umstellen zu lassen.

Nach den Vorstellungen der Grünen möge diese Kommission beantworten, wie das Honorierungs- und Preissystem der Apotheken langfristig weiterentwickelt werden kann – Grundlage dafür soll auch das vom Bundesministerium für Wirtschaft in Auftrag gegebenen Gutachten zu Änderungen der Arzneimittelpreisverordnung sein. Und auch, wie mittelfristig die Zuzahlung für Medikamente abgeschafft werden kann. Außerdem soll die Expertenkommssion Vorschläge erarbeiten, wie flexiblere und bedarfsgerechte Versorgungsangebote in ländlichen und sozial benachteiligten Regionen ermöglicht und Apotheken zu Akteuren in vernetzten, regional abgestimmten Versorgungsmodellen werden können.

Die Grünen-Fraktion hatte sich in den vergangenen Monaten nach dem EuGH-Urteil mehrfach gegen das Rx-Versandverbot ausgesprochen. Einem Antrag der Linksfraktion zum Verbot des Rx-Versandes widersprach die Fraktion vehement. Ende 2016 hatte Schulz-Asche außerdem ein Spitzengespräch im Bundestag veranstaltet, zu dem erstmals alle Marktbeteiligten (inklusive der ABDA und DocMorris) erschienen, um ihre Meinungen vorzutragen.

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Hinweis der Redaktion: Im Text war bislang nicht enthalten, dass die Grünen-Fraktion als Alternative zum Rx-Versandverbot einer weiteren Aussage der SPD-Gesundheitzsexperten Franke und Dittmar entspricht: Laut Grünen-Antrag sollen Rx-Boni lediglich bis zu einer Höhe von einem Euro zugelassen werden. (Stand: 23.März.2017, 15:20)



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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6 Kommentare

Die Grünen kapieren es eben auch nicht !

von Ratatosk am 27.03.2017 um 10:18 Uhr

Leider ist die Materie für diese Grünen Politikerin zu komplex. Sie kapiert nicht, daß der niedrige Anteil der jetzt herrschtt zugunsten des Großkapitals aufgebläht werden soll.
Wäre nicht kompliziert, es überfordert offensichtlich viele Politker, andere haben wohl andere Gründe sich hier so einzubringen. Gottseidank ist im Saarland jetzt wieder ein Teil von diesen Gegnern der flächendeckenden Versorgung demokratisch eintsorgt worden und die FDP als erklärter Apothekenfeind nicht reingekommen.

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Ramen, ich sage euch, meine lieben Grünen!

von Mr. MIR am 26.03.2017 um 11:28 Uhr

Ihr seid ja so wissenschaftlich und modern und ausserdem kümmert ihr euch um die Säkularisierung des Staates, also um das Eliminieren von ungerechtfertigten Privilegien für Glaubenssachen.

Vielleicht könnt ihr euch auch darum kümmern, die Apotheken, die Ärzte und die Krankenkassen zu sakularisieren, also von Glaubensmedizin zu befreien!

Wenn ihr Waldorfschüler aber die Homöopathie etc. nicht vom Finanzsystem trennen wollt, so habe ich eine Alternative für Euch:

Tretet doch bitte dafür ein, auch die Heilige Nudelige FSMoPathie (das FSM übernimmt deine Leiden) in die Apothekenpflicht zu erheben. Es ist wissenschaftlich (also, schulwissenschaftlich) garantiert, dass sie der Homöopathie gleichwertig ist.

Hail Eris und Ramen,

Mr. MIR

https://fsmosophica.wordpress.com/fsmopath

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Saarland

von Dr Schweikert-Wehner am 23.03.2017 um 7:32 Uhr

Die Prognosen für die Wahl am Sonntag sehen ja gut aus....

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Ojeoje..noch sone Brüller !

von gabriela aures am 22.03.2017 um 16:15 Uhr

1."Und auch, wie mittelfristig die Zuzahlung für Medikamente abgeschafft werden kann. ".

Es war die rot-grüne Regierung darselbst, die zum Jahr 2004 dafür gesorgt hat, daß alle GeringverdienerInnen über 18 (alle AzubInnen, SchülerInnen, StudentInnen und BürgerInnen mit geringem Einkommen ) ab sofort vollumfänglich zuzahlungspflichtig wurden !

2. "ist nach Ansicht der Fraktion zum Einen eine grundlegende Versorgunsgforschung notwendig, um die regionalen Entwicklungen in der Arzneimittelversorgung zu analysieren"
Ja, in der Nachbetrachtung isses für die Apotheken, die schließen mußten, dann aber zu spät.

Grüne Logik : Was ein Glück haben wir den Versandhandel mit RX damals durchgesetzt...gibt ja immer weniger Apotheken auf dem flachen Land !

3. "Die Rolle des Versandhandels sehen die Grünen vor allem bei der Versorgung von Patienten mit komplexen chronischen und seltenen Erkrankungen."

Weiß das der Versandhandel schon ?
Könnte es nicht auch sein, daß diese Patienten einen direkten Ansprechpartner aus "Fleisch und Blut" brauchen ?
Eine Anlaufstelle, die schnell erreichbar und in der Regel bestens mit gerade solchen Vorgängen vertraut ist und nicht erst vom CallCenter in die Pharmazeutische Abteilung weiterverbinden muß ?

Aber gut, man biegt sich seine Argumentation halt so lange, wie sie paßt.
Noch besser ist gleich postfaktische Wahrnehmung.


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grünes Wischiwaschinichtkonkretwerdenweilkeineahnung

von Peter Bauer am 22.03.2017 um 16:13 Uhr

Nur alles in blindem Aktionismus anders machen zu wollen,hat nicht notwendigerweise mit einer intelligenten Weitenentwicklung oder gar einer Verbesserung eines bestehenden Systems zu tun.Bei jetziger Sachlage in der Arzneimittelversorgung ,vor allem auf dem Land, wird das Angebot an Leistungserbringer ,sprich Apotheken,immer kleiner.Eine Vielzahl der Apotheken hat überhaupt nur noch offen,weil der Apothekenleiter noch etwas zu jung für die Rente ist.An einen Verkauf Ihrer Apotheke glaubt ein Großteil dieser Apotheker nur noch wenn er betrunken o.ä.ist.Der Grund dafür ist ausschließlich,dass sich mit den vorwiegend kleineren Landapotheken nicht mehr ausreichend Gewinn erwirtschaften läßt.Also ,dass zu wenig Geld übrig bleibt.
Diese menschlichen Anlaufstellen werden in absehbarer Zeit unwiederbringlich weggefallen sein.
Das ist Fakt!
Unser sinnvoll kleinstrukturiertes und menschennahes Versorgungsnetz kann und wird auch nicht qualitativ gleichwertig ersetzt werden können.Größere strukturelle Veränderungen unseres Systems werden zu einer Verschlechterung führen.Mag sein ,dass dem Anwälte,Digitalisierungspropheten,Politiker,Statistiker oder sonstige Leute ,die nichts mit Menschen in der Apotheke zu tun haben,nicht zustimmen ,aber die Menschen werden es tun und sie werden es spüren!!Und so preiswert wie momentan wird die Versorgung auch nicht mehr werden,da sehr viele Apotheker Ihre Apotheke nur noch durch Selbstausbeutung offen halten und so zu einer flächendeckenden Versorgung beitragen.Wir Apotheker wehren uns nicht gegen Veränderungen,im Gegenteil die Apotheken waren im Digitalisierungsprozeß mit die Ersten im Einzelhandel.Aber sämtliche Prozesse der Veränderung können nur Mittel zum Zweck sein.In der allgemeine Diskussion diesbezüglich stellen sich aber momentan die vorgeschlagenen infrastrukturellen "Innovationen" als Selbstzweck dar.

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Höchstpreise ? Ja, ...

von gabriela aures am 22.03.2017 um 15:13 Uhr

... ABER : 1. den Rx-Einkauf sofort wieder freigeben, mit mageren 3,05% Einkauf"vorteil" bzw. gedeckelten 37 € kann keine deutsche Apotheke verhandeln ! 2. Rabattverträge gibt es dann auch nicht mehr.(Okay, waren nur marginale 3,7 Milliarden € gewesen letztes Jahr) Weil: die jetzt in der Lauertaxe angezeigten Preise von z.B Cellcept und den Generika entsprechen ja nicht dem Preis, den die GKV zahlen muß. Und die Höhe der "kickback" Rabatte der Hersteller sind geheim. Hier geht der Preisbereich der Rabatt-AM für BKK Audi Versicherte von 249,31€ bis 562,22 € . Wie sollen denn da verläßliche Höchstpreise festgelegt werden können ?

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