Mit oder ohne Kanüle?

Null-Retax bei Grippeimpfstoff

Stuttgart - 10.03.2017, 15:30 Uhr

Vaxigrip im Sprechstundenbedarf: Bislang zahlte die Apotheke die Prophylaxe. (Foto: MAXPPP / picture alliance)

Vaxigrip im Sprechstundenbedarf: Bislang zahlte die Apotheke die Prophylaxe. (Foto: MAXPPP / picture alliance)


Vaxigrip ohne Kanüle im Sprechstundenbedarf: Die Apotheke lieferte den Rabattvertrags-Impfstoff korrekt – und bedruckte das Rezept falsch und zwar mit Vaxigrip mit Kanüle. Was folgte? Eine Null-Retax der AOK-Rheinland-Pfalz  über 720 Euro – letztendlich teure Kanülen. Was liegt vor? Heilbarer Formfehler oder Missachtung der Rabattverträge?

Spitzfindig ist eine Retaxation der AOK Rheinland-Pfalz: Sie beanstandete eine ärztliche Verordnung über Grippeimpfstoffe für den Sprechstundenbedarf. Die Praxis rezeptierte Vaxigrip® 2015/2016 ohne Kanüle 10 x 10 Stück. Nach Angaben des Deutschen Apothekenportals versorgte die Apotheke die Praxis wunschgemäß mit dem kanülenfreien Präparat. Beim Rezeptdruck passierte der Apotheke allerdings ein Fehler: Sie druckte die Pharmazentralnummer (PZN) von Vaxigrip® 2015/2016 mit Kanüle auf die Verordnung.

Dies hat sich als äußerst kostspieliges Verrutschen in der Lauer-Taxe herausgestellt. Zum Zeitpunkt der Rezeptbelieferung hatte die AOK Rheinland-Pfalz nämlich ausschließlich einen Rabattvertrag über Vaxigrip® ohne Kanüle mit Sanofi Aventis abgeschlossen. Die AOK retaxierte das Rezept auf Null – ein Verlust 722,70 Euro für die Apotheke. Darf die Krankenkasse das? Liegt tatsächlich eine Missachtung der Rabttverträge vor – oder vielleicht doch nur ein banaler Formfehler? Dieser Blickwinkel ist im aktuellen Retax-Fall kriegsentscheidend – liegen zwischen diesen Betrachtungsweisen rund 720 Euro.

Keine Retaxation bei kleinen Formfehlern

Durch den neuen Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung, der seit dem 23. Juli 2015 gilt, haben die Apotheker nach § 3 weitreichenderer Möglichkeiten, Rezepte zu „heilen“. Banale Formfehler – wörtlich „wenn es sich um einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler handelt“ darf der Apotheker teilweise selbst oder zumindest nach ärztlicher Rücksprache korrigieren. Die Krankenkasse darf folglich diese kleinsten Fehler nicht mehr beanstanden. Allerdings – dürfen diese Änderungen seitens des Apothekers nur vor der Rezept-Abrechnung stattfinden. Darauf machte der Apothekerverband Nordrhein 2016 in einem Rundschreiben aufmerksam.

Rabattvertrag missachtet: Null-Retax erlaubt

Ausgenommen von dieser erweiterten Kompetenz der Apotheker bleibt allerdings, wenn diese bestehende Rabattverträge grundlos missachten: Auch nach den neuen Regeln darf die Krankenkasse diese Rezepte immer noch vollständig absetzen – und die Apotheke sieht  unter Umständen keinen Cent. Das hatte das Bundessozialgericht in einem „Null-Retax-Musterprozess“ im Jahre 2013 entschieden: „Die Krankenkasse muss für nicht veranlasste, pflichtwidrige Arzneimittelabgaben nichts zahlen“ lautete damals die Begründung der Richter.

Es gibt allerdings auch einen Passus im Rahmenvertrag, welcher der Krankenkasse durchaus Handlungsspielraum einräumt: Nach § 3 Absatz 1 „die Krankenkasse im Einzelfall entscheidet, die Apotheke trotz eines derartigen Verstoßes ganz oder teilweise zu vergüten“.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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