Modellprojekt

Basel prüft Cannabis-Konsum aus Apotheken

Bern - 08.03.2017, 09:35 Uhr

Auch in Basel könnte es zukünftig Cannabis zu Konsum-Zwecken aus der Apotheke geben. (Foto: stokkete / Fotolia)

Auch in Basel könnte es zukünftig Cannabis zu Konsum-Zwecken aus der Apotheke geben. (Foto: stokkete / Fotolia)


Die Schweizer Stadt Bern ist im Nachbarland Vorreiter für eine Studie zum Cannabis-Konsum aus der Offizin. Ein entsprechendes Projekt hat nun eine weitere Hürde genommen, Genf und Zürich planen ähnliche Untersuchungen. Die Grenzstadt Basel will gleichfalls ein Cannabis-Projekt starten – der dortige Apothekerverband steht diesem wohl offen gegenüber.

Ende vergangener Woche gab die kantonale Ethikkomission  grünes Licht – die „Kiffer“-Studie in der Schweizer Großstadt Bern ist damit am weitesten fortgeschritten. 500 volljährige Konsumenten sollen im Verlauf der Studie dort Cannabis in der Apotheke kaufen können. Pro Einkauf gäbe es dann fünf Gramm, pro Monat maximal 25 Gramm. Dazu gibt es Fragebögen und eine wissenschaftliche Überwachung. Nun bereitet das durchführende Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Uni Bern noch „die Einreichung des Gesuchs ans Bundesamt für Gesundheit vor“, heißt es in einer Mitteilung. In der Schweiz ist eine Ausnahmegenehmigung des Bundesamtes „für den Anbau, die Einfuhr, die Herstellung und das Inverkehrbringen von Cannabis“ notwendig.

Viele Rückmeldungen bei einer Online-Befragung

Drei weitere Pilot-Kantone – Zürich, Genf  und Basel-Stadt – hatten im November gemeinsam mit Bern eine Online-Umfrage unter Cannabis-Konsumenten durchgeführt, deren Ergebnisse nun ebenfalls Ende vergangener Woche veröffentlicht wurden. 3700 auswertbare Rückmeldungen – von 5300 insgesamt – geben den Verantwortlichen in den Gesundheitsdezernaten und den beteiligten Universitäten und Kliniken nun offensichtlich genügend Hoffnung, auch in den drei Kantonen Studien zum Cannabis-Konsum durchführen zu können. Im Schnitt seien die Konsumenten des Rauschmittels 30 Jahre alt und hätten mit etwa 16 Jahren mit dem Konsum begonnen, so ein Ergebnis der Studie. Eine Mehrheit arbeitet Vollzeit und zwei Drittel beziehen ihren „Stoff“ über den Schwarzmarkt. Weitere 20 Prozent bekommen das Cannabis über Bekannte und zehn Prozent bauen selber an. Genuss und Spaß seien für rund die Hälfte der Teilnehmer Gründe für den Cannabis-Konsum, die Motive der meisten anderen ließe sich unter „Selbstmedikation“ zusammenfassen, sagen die Macher der Befragung.

Kaufen Konsumenten Cannabis in der Apotheke?

Da rund die Hälfte der Befragten auch mit Restriktionen bei einem regulierten Kauf von Cannabis einverstanden wären, soll in den drei anderen Kantonen nun auch jeweils eine konkrete wissenschaftliche Studie in die Wege geleitet werden. „Die primäre Intention dieser Studie wäre es, zu überprüfen, ob Cannabiskonsumenten das Angebot annehmen, ihr Cannabis regulär in der Apotheke zu kaufen. Sekundär, ob sich ihr Konsumverhalten dadurch negativ verändert, etwa durch vermehrten problematischen Konsum“, sagt Gerhard Wiesbeck, Professor und Ärztlicher Leiter des Zentrums für Abhängigkeitserkrankungen an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel, der die Studie im Kanton Basel-Stadt gemeinsam mit dem Gesundheitsdepartement verantwortet.

150 erwachsene Konsumenten, die „subjektive Beschwerden im Sinne einer Selbstmedikation lindern“ wollen, sollen an der Studie teilnehmen. Auf drei Jahre ist sie angelegt. Die Studie soll nur Teilnehmern offenstehen, die ihren Wohnsitz im Kanton Basel-Stadt haben. „Wir haben uns für den Weg über die Apotheken entschieden, weil hier ein Höchstmaß an Professionalität im Umgang mit einem Betäubungsmittel gewährleistet ist“, sagt Wiesbeck. Alternativen seien etwa das Modell „Colorado“, wo Cannabis in normalen Geschäften zu kaufen sei, das Modell „Niederlande“ mit seinen „Coffeeshops“ oder das Modell „Brasilien“ mit einer vollkommenen Legalisierung.

Studienleiter ist gegen grundsätzliche Legalisierung

Die Basler Mediziner sind dabei nicht für eine grundsätzliche Legalisierung des „Dopes“. „Außer dort, wo Cannabis aus streng medizinischer Indikation ärztlich verschrieben wird, gibt es kein wissenschaftliches ‚Für‘ zugunsten des Konsums“, stellt Wiesbeck klar. Der Konsum von Cannabis könne mit zahlreichen negativen Folgen einhergehen, die hinlänglich bekannt seien, und sollte deshalb möglichst unterbleiben, sagt der Arzt. „Wenn Erwachsene dennoch einen gemäßigten Cannabiskonsum praktizieren, der sich negativ auf ihr Berufs- oder Privatleben auswirkt, kann dies toleriert werden“, sagt Wiesbeck. „Anders verhält es sich jedoch bei Jugendlichen. Cannabis hat negative Auswirkungen auf das heranreifende Gehirn. Deshalb braucht es hier einen effektiven Jugendschutz.“ Die bisherige Verbotspraxis habe leider nicht verhindern können, dass in der Schweiz vergleichsweise viele Jugendliche Cannabis konsumieren, sagt er.

Basler Apothekerverband zeigt sich offen

Noch ist es ein weiter Weg, bis die Studie tatsächlich starten könnte. „Bevor das Projekt in Basel starten kann, sind die Zustimmung der Ethikkommission Nordwest- und Zentralschweiz, die finale Zustimmung der basel-städtischen Behörden und die Ausnahmebewilligung des Bundesamtes für Gesundheit nötig“, heißt es. Das mache eine Vorhersage für die Bewilligungschancen sehr schwierig, sagt Wiesbeck.

Allerdings habe man bereits mit dem Basler Apothekerverband erste Gespräche geführt und dort positive Reaktionen erfahren. Wenn alle Zustimmungen vorliegen, rechnet das Gesundheitsdepartement Basel-Stadt mit einem möglichen Start der Studie im Herbst 2018. Allerdings sei auch noch die Finanzierung des Projektes zu klären.

Politischer Gegenwind von den Nationalkonservativen

In Zürich und Genf sind ähnliche Studien geplant, allerdings mit einem Fokus auf Erwachsene und Jugendliche mit gravierenden Drogenproblemen.  Unterdessen gibt es politischen Gegenwind gegen die Studie in Basel von der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei SVP, die im Großen Rat des Kantons Basel-Stadt aber keine Mehrheit hat. Es sei „nicht Aufgabe des Staates, illegale Betäubungsmittel im Rahmen von umstrittenen Projekten auf Kosten des Steuerzahlers voranzutreiben“, heißt es in einer Mitteilung der nationalkonservativen drittgrößten Schweizer Partei, die in der Schweizer Bundesversammlung die größte Fraktion bildet.



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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