Behandlung von Stoffwechselkrankheiten

Braunes Körperfett als lohnende Zielstruktur bei Übergewicht?

Remagen - 07.03.2017, 09:00 Uhr

Säuglinge brauchen braunes Fettgewebe für ihre Wärmeregulation. (Foto: Veronika Denikina / stock.adobe.com)

Säuglinge brauchen braunes Fettgewebe für ihre Wärmeregulation. (Foto: Veronika Denikina / stock.adobe.com)


Seit vielen Jahren ist bekannt, dass es im menschlichen Körper zwei verschiedene Arten von Fettgewebe gibt: weißes und braunes. Forscher haben jetzt herausgefunden, dass wir von dem braunen Fettgewebe, dem „Energiefresser“ deutlich mehr haben als bisher angenommen. Es könnte als wirksame Zielstruktur für Stoffwechselmedikamente dienen.

Im menschlichen Körper gibt es zwei verschiedene Arten von Fettgewebe: weißes und braunes. Das weiße Fettgewebe hat daran den mit Abstand größten Anteil. Es dient der Speicherung von überschüssiger Energie und ist für die Entwicklung von Übergewicht verantwortlich. Braunes Körperfett bewirkt genau das Gegenteil, denn es kann überschüssige Energiereserven in Wärme umwandeln. Dies geschieht durch die Oxidation von Fettsäuren in den Kraftwerken der Zellen, den Mitochondrien. Sie sind auch für die bräunliche Färbung des Gewebes verantwortlich. 

Wozu dient braunes Fettgewebe?

Alle neugeborenen Säugetiere, bis auf Ferkel, besitzen braunes Fettgewebe. Sie brauchen es für ihre Wärmeregulation. Auch menschliche Säuglinge haben braunes Fettgewebe, vor allem am Hals und der Brust. Lange Zeit wurde angenommen, dass Erwachsene keine aktiven braunen Fettzellen mehr besitzen. Seit einigen Jahren ist jedoch klar, dass das nicht stimmt. Studien, in denen junge, gesunde Menschen einer Kälteexposition ausgesetzt wurden, fanden bei 46 bis 100 Prozent der Probanden aktive Depots von braunem Fettgewebe.

Braune Fettzellen auch bei Erwachsenen

Ein Team der Technischen Universität München (TUM) belegt nun mit einer Studie: Die Masse an braunem Fett im Menschen ist dreimal größer, als bisher bekannt war. Für die Untersuchung, deren Ergebnisse im „Journal of Nuclear Medicine" veröffentlicht wurden, werteten die Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Molekulare Ernährungsmedizin am Else-Kröner-Fresenius Zentrum der TU München knapp 3000 PET-Scans von 1644 Patienten aus. Die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) wird unter anderem in der Krebsmedizin eingesetzt. Sie macht Stoffwechselvorgänge im Körper sichtbar. „Als Nebenprodukt dieser PET-Scans wird für uns aktives braunes Fettgewebe sichtbar“, erklärt Studienautor Tobias Fromme. „Das braune Fettgewebe nimmt viel Zucker auf, und diese Aktivität können wir über die Scans nachvollziehen.“ 

Manche haben mehr als andere

Durch die Analyse der PET-Scans kam überdies zutage, dass manche Personengruppen ihr braunes Fett stärker als andere aktivieren können oder sogar insgesamt mehr davon besitzen. Aus Vorläuferstudien wusste man bereits, dass Frauen häufiger aktiveres braunes Fett haben als Männer und dass schlanke und jüngere Menschen mehr Anteile davon besitzen. Bei Beleibteren wiederum reagiert das braune Fett nach den Befunden nicht so aktiv und bei älteren Personen auch nicht. Die Wissenschaftler sehen darin eine mögliche Erklärung für das Phänomen, dass manche Menschen nach einem zusätzlichen Stück Torte schon zunehmen, während süße Schlemmereien anderen nichts anhaben können. „Welche Ursache einen Menschen dazu bringt, besonders aktives braunes Fett zu besitzen, wissen wir noch nicht.“ erklärt Fromme.

Angriffspunkt für neue Arzneimittel 

Das braune Fettgewebe könnte aber auch als interessante Zielstruktur für Arzneimittel gegen Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes oder starkes Übergewicht herhalten. Es wäre beispielsweise vorstellbar, dass der überschüssige Blutzucker bei Diabetikern mithilfe der hohen Aktivität des braunen Fettes über ein Medikament reduziert wird. Auch könnte das braune Fett durch die Energieverbrennung bei Patienten mit Adipositas dazu genutzt werden, um überschüssige Pfunde zum Schmelzen zu bringen. 

Der Clou: Weiße in braune Fettzellen umwandeln

Einem Forscherteam unter Federführung der Universität Bonn ist es mit einem neuen Wirkstoffkandidaten bereits gelungen, aus weißen braune Fettzellen zu machen. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht. „In früheren Studien haben wir im Tiermodell nachgewiesen, dass der Botenstoff cyclisches Guanosinmonophosphat (cGMP) die Bräunung der weißen Fettzellen fördert“, berichtet Alexander Pfeifer, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Bonn, der seit Jahren auf diesem Gebiet forscht (https://www.pharmakologie.uni-bonn.de/aktuelles).
Als neuen Ansatzpunkt griffen die Forscher auf einen Wirkstoffkandidaten (BAY-41-8543) zurück, der strukturell einem Mittel gegen Lungenhochdruck (Riociguat) ähnelt und den cGMP-Spiegel erhöht. Übergewichtige Mäuse, die mit dem Wirkstoff behandelt wurden, verloren binnen sechs Wochen zwölf Prozent an Gewicht. Ob die Substanz auch im Menschen unerwünschte weiße in erwünschte braune Fettzellen umwandelt, müsse aber erst noch bewiesen werden.

Gerngroß C, Schretter J, Klingenspor M, Schwaiger M, Fromme T. Active brown fat during 18FDG-PET/CT imaging defines a patient group with characteristic traits and an increased probability of brown fat redetection. J Nucl Med. 2017 Jan 19. pii: jnumed.116.183988. doi: 10.2967/jnumed.116.183988. [Epub ahead of print]



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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