Offenes Deckungsplanverfahren

Hilfsmittel, aber kein Wundermittel gegen Niedrigzinsen

Stuttgart - 03.03.2017, 11:30 Uhr

(Foto: Zerbor / Fotolia)

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Anwartschaftsdeckungsverfahren

Vor diesem Hintergrund müssen die Versorgungswerke über den finanzmathematischen Umgang mit ihrem Kapital entscheiden. Eine besonders strenge Form der Kapitaldeckung ist das Anwartschaftsdeckungsverfahren. Dabei hat jedes Mitglied einen individuellen Anteil am Kapitalstock. Die künftige Rente kann dann aus den gezahlten Beiträgen errechnet werden. Nach diesem Verfahren arbeitet die Apothekerversorgung in Nordrhein bisher.

Offenes Deckungsplanverfahren

Die Alternative ist das offene Deckungsplanverfahren, das nun in Nordrhein für künftige Beiträge eingeführt werden soll. Die Bayerische Versorgungskammer hat dies bereits Anfang 2015 getan. Auch das Versorgungswerk der Apothekerkammer Niedersachsen arbeitet damit und das Versorgungswerk der Apothekerkammer Schleswig-Holstein wendet es schon seit seiner Gründung an. Alle diese Einrichtungen betreiben kapitalgedeckte Systeme.

Anders als beim Anwartschaftsdeckungsverfahren gibt es beim offenen Deckungsplanverfahren jedoch keine „automatischen“ Ansprüche. Stattdessen fließt das Geld in einen gemeinsamen Topf, über dessen Verwendung die Gremien des Versorgungswerkes entscheiden. Das könnte auch so geregelt werden, dass ein Teil der Beiträge sofort zur Zahlung von Renten verwendet wird. In den ersten Jahrzehnten nach der Gründung stellt sich diese Frage nicht, aber später kann sie relevant werden. Dann bietet ein solcher kleiner Anteil von Umlagefinanzierung mehr Gestaltungsmöglichkeiten für ertragsschwache Zeiten.

Dann können auch risikoreichere Anlagen getätigt werden, die langfristig mehr Ertrag versprechen. Das macht das offene Deckungsplanverfahren in Nullzinszeiten so interessant. Damit ist das Verfahren keineswegs eine Abkehr von der Kapitaldeckung, sondern bei entsprechender Gestaltung ein Kompromiss, der die Idee der Kapitaldeckung durch eine längere Niedrigzinsphase retten kann. Das Attribut „offen“ drückt aus, dass die Rechnung den Neuzugang von Mitgliedern einplanen kann. Doch das muss nicht so sein und ist bei den letztlich immer noch „jungen“ Versorgungswerken nicht üblich. In seiner typischen Form behandelt das Verfahren alle Beiträge unabhängig vom Lebensalter des Mitglieds.

Doch in Nordrhein ist ein modifiziertes Verfahren geplant, das das Alter des Einzahlers berücksichtigt. Außerdem sind soziale Komponenten möglich. Beispielsweise können fiktive Beiträge für Erziehungszeiten von der Versichertengemeinschaft finanziert werden. Es gibt daher nicht das „eine“ offene Deckungsplanverfahren, sondern viele Varianten. Die Rente ist dann nicht mehr das Ergebnis einer einfachen Zinsformel, sondern sie ergibt sich aus Entscheidungen der Gremien sowie den verfügbaren Mitteln aus Kapitalstock, Erträgen und im Bedarfsfall auch aktuellen Beiträgen. Die Entscheidungen über die vielen Stellschrauben dieses Systems haben letztlich mehr Folgen für die Rente als der vermeintlich so bedeutende Übergang zum offenen Deckungsplanverfahren.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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