Cannabisagentur macht sich bereit

„Es geht nicht ums Kiffen auf Rezept“

Berlin - 03.03.2017, 16:30 Uhr

BfArM-Präsident Karl Broich und Gesundheits-Staatssekretär Lutz Stroppe sind überzeugt: Das Cannabis-Gesetz ist ein wichtiger Schritt, um das Leid von Patienten zu lindern. (Foto: dpa)

BfArM-Präsident Karl Broich und Gesundheits-Staatssekretär Lutz Stroppe sind überzeugt: Das Cannabis-Gesetz ist ein wichtiger Schritt, um das Leid von Patienten zu lindern. (Foto: dpa)


Das „Cannabis-Gesetz“, das Schwerkranken unter bestimmten Voraussetzungen leichteren Zugang zu Cannabis als Medizin auf Kassenkosten verhelfen soll, wird in Kürze in Kraft treten. Das BfArM steht für seine neuen Aufgaben als „Cannabisagentur“ in den Startlöchern. Die erste deutsche Cannabis-Ernte erwartet die Behörde im Jahr 2019.

Das Interesse an der neuen Kassenleistung ist enorm. Schon seit Tagen berichten Medien, dass es bald Cannabis auf Rezept gibt. Auch die Pressekonferenz, zu der das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) am heutigen Freitag in Berlin geladen hatte, war bestens besucht. Es steht zu erwarten, dass sich die Zahl der Patienten, die Cannabis als Arzneimittel erhalten, bald deutlich erhöhen wird. Bislang besitzen rund 1000 Menschen in Deutschland eine Ausnahmegenehmigung zum Erwerb von Cannabis zu medizinischen Zwecken – zahlen müssen sie dafür selbst.

Das soll nun anders werden: Nicht mehr die Behörde BfArM entscheidet, ob ein Patient, den sie gar nicht kennt, eine Cannabis-Therapie erhält oder nicht. Das ist künftig Aufgabe des Arztes. Er hat die Therapieoptionen abzuwägen und entscheidet letztlich, ob für seinen Patienten Cannabis als Medizin in Betracht kommt. Das nötige Wissen dazu muss er sich selbst beschaffen. Das BfArM stellte klar, dass es nicht zur Therapiefragen berät – seine Aufgaben liegen an anderer Stelle.

Gesicherte Arzneimittelqualität

Gesundheits-Staatssekretär Lutz-Stroppe sprach von dem neuen Gesetz als einem „wichtigen Schritt“, der schwerkranken Menschen helfen werde, ihre Schmerzen und ihr Leid zu lindern. Er betonte, dass es nicht um „Kiffen auf Rezept“ gehe. Das Cannabis, das es künftig ohne vorherige Beantragung einer Ausnahmegenehmigung auf Kassenrezept geben soll, werde von gesicherter Arzneimittelqualität sein. Dafür hat das BfArM zu sorgen. Mit den neuen gesetzlichen Vorgaben soll auch klargestellt werden, dass Eigenanbau nicht der richtige Weg ist. Hier erhalte man gerade keine standardisierte pharmazeutische Qualität, betonte Stroppe.

Die Patienten sollen auch schnell von den neuen Möglichkeiten profitieren. Der Staatssekretär verwies darauf, dass vor der Erstverordnung die Genehmigung der Krankenkasse einzuholen ist. Innerhalb von drei Wochen muss sie diese erteilen – nur in Ausnahmefällen soll sie sie verweigern können. Schneller muss die Kasse bei Palliativpatienten sein: Hier muss sie innerhalb von drei Tagen über die Genehmigung entscheiden.

Begleiterhebung mit langfristigem Ziel

Stroppe unterstrich allerdings auch, dass die Datenlage zu Cannabis als Medizin noch verbesserungswürdig ist. Daher werde mit dem neuen Gesetz eine Begleiterhebung eingeführt: Die behandelnden Ärzte sollen dem BfArM künftig anonymisierte Daten – etwa zu Diagnose, Dosis und Nebenwirkungen – mitteilen. Diese Erhebung ist auf fünf Jahre angelegt. BfArM-Präsident Professor Karl Broich verbindet große Hoffnung mit der Erhebung. Er setzt auf Wirksamkeitsnachweise und neue Erkenntnisse, beispielsweise zum Einsatz in weiteren Indikationen. Broich sieht die Versorgung mit Cannabisblüten letztlich als „Zwischenschritt“ – Ziel sei es, in fünf bis zehn Jahren mehr „richtig zugelassene“ Fertigarzneimitteln auf Cannabisbasis zur Verfügung zu haben.

Die Aufgaben der Cannabisagentur

Broich sieht seine Behörde bereit, die neuen Aufgaben des Cannabis-Gesetzes umzusetzen. Auch wenn die drei neu geschaffenen Stellen noch nicht besetzt sind. Die neue Cannabisagentur wird als neues Fachgebiet in der Abteilung „Besondere Therapierichtungen“ im BfArM eingerichtet. Weitere Aufgaben werden bei der Bundesopiumstelle im BfArM angesiedelt – dazu zählt auch die Verantwortung für die Begleiterhebung. Die Bundesopiumstelle wird zudem weiterhin die Importe von Cannabis überwachen, mit denen die Versorgung der Patienten sichergestellt wird, solange noch keine Ernte in Deutschland erfolgen kann. Derzeit kommen Cannabisblüten aus den Niederlanden und Kanada.

Erste deutsche Ernte im Jahr 2019

Doch die Cannabisagentur wird künftig nach erfolgter europaweiter Ausschreibung auch Lizenzen für den geregelten Anbau in Deutschland vergeben. Broich rechnet mit ersten deutschen Ernten im Jahr 2019. Details zur Ausgestaltung der Ausschreibung will das BfArM derzeit aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht verraten – diese werden den Ausschreibungsunterlagen zu entnehmen sein, wenn es so weit ist.

Klar ist aber: Dieses Cannabis muss alle arznei- und betäubungsmittelrechtlichen Anforderungen erfüllen. Es wird nur solches Cannabis verwendet werden, das entsprechend der Vorgaben der „Guten Praxis für die Sammlung und den Anbau von Arzneipflanzen“ (Good Agricultural and Collection Practice, GACP) angebaut wurde und die Vorgaben der relevanten Monografien und Leitlinien erfüllt.

Kein Cannabis im BfArM

Nach dem Anbau geht es darum, dass das BfArM die Ernte in Besitz nimmt. Sie ist in ihrer Qualität zu prüfen, muss verarbeitet, gelagert und verpackt werden. Und last not least sind die Apotheken zu beliefern. Professor Werner Knöss, Leiter der BfArM-Abteilung, bei der die Cannabisagentur angesiedelt sein wird, stellte aber klar, dass es im BfArM selbst kein Cannabis geben wird – all diese Tätigkeiten werden andernorts erfolgen.

Eine weitere Aufgabe der Agentur wird es sein, das Cannabis aufzukaufen, dessen Anbau sie veranlasst hat. Sie wird dann einen Herstellerabgabepreis festlegen und das Cannabis an Hersteller von Cannabisarzneimitteln, Großhändler oder Apotheken verkaufen. Wie hoch dieser Preis sein wird, dazu will das BfArM derzeit noch keine Angaben machen. Bei der Preisbildung würden unter anderem die beim BfArM anfallenden Personal- und Sachkosten berücksichtigt. Klar ist zudem, dass es keine Gewinne oder Überschüsse erzielen darf.

Mengen noch ungewiss

Nicht äußern will sich das BfArM derzeit auf die zu erwartende und benötigte Verbrauchs- und Erntemengen. Dies wird es jedoch in der Ausschreibung tun müssen. Momentan steht nur die Zahl von rund 365 Kilogramm im Jahr im Raum. Diese Zahl misst sich allerdings an den bisherigen 1000 Patienten, die bereits Cannabis als Medizin erhalten. Gerechnet wurde hier mit einem Bedarf von einem Gramm pro Tag. Dass künftig mehr Menschen Medizinalhanf erhalten, ist allerdings durch das Gesetz bezweckt.

Was genau auf die Apotheken zukommen wird, ist derzeit noch nicht gänzlich abzuschätzen. Klar ist nur: Die Abgabe der entsprechenden Arzneimittel an die Patienten erfolgt nach Vorlage eines Betäubungsmittelrezepts. Das bisherige Erlaubnisverfahren nach § 3 Absatz 2 BtMG zum Erwerb von Medizinal-Cannabis zum Zweck der ärztlich begleiteten Selbsttherapie wird dann entfallen.

Das BfArM hat einige der auch für Apotheke brennenden Fragen in einer FAQ-Liste zusammengestellt. Diese können Sie hier abrufen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Kiffen auf Rezept

von Woewe am 08.03.2017 um 7:39 Uhr

Ich verstehe immer noch nicht, was die Überschrift mit dem Artikel zu tun hat.
Wenn über Opioide berichtet wird, steht dort auch nicht "Fixen auf Rezept".
Oder wollten Sie einem entsprechenden Bild-Zeitungsartikel kürzlich versuchen das Wasser zu reichen?

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