China

Staat will mehr Geld für teure Arzneimittel ausgeben

Stuttgart - 02.03.2017, 08:59 Uhr

(Foto: dpa)

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China hat seine nationale Liste der erstattungsfähigen Arzneimittel aktualisiert, ein lang ersehnter Ansporn für die Arzneimittelhersteller im zweitgrößten Arzneimittelmarkt der Welt, wo viele neue Medikamente wegen der hohen Kosten für die Patienten bislang nicht zugänglich sind.

Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, hat China seine nationale Liste von Arzneimitteln, die unter die Basiskrankenversicherung fallen (National Drug Reimbursement List, NDRL), erweitert, nach langen Jahren des Stillstands. Normalerweise soll die Liste alle zwei Jahre revidiert werden. Seit dem Jahr 2009 ist dies jedoch nicht mehr geschehen. Laut einer Erklärung des Ministeriums für Humanressourcen und soziale Sicherheit, auf die Reuters sich beruft, enthält die neue Liste 2535 Arzneimittel der westlichen und der traditionellen chinesischen Medizin, 339 mehr als bisher. Die Anzahl der westlichen Medikamente stieg um 133 auf 1297. 

Auch Blockbuster dabei

Das erste Update seit acht Jahren umfasst Blockbuster-Wirkstoffe zur Behandlung schwerer Erkrankungen wie Krebs, Hepatitis und Hämophilie. In die Liste aufgenommen wurden zum Beispiel das Hepatitis-B-Medikament Tenofovir Disoproxil (Viread®) von GlaxoSmithKline PLC sowie Gefitinib (Iressa®) von AstraZeneca PLC gegen Lungenkrebs. Das Ministerium habe im Übrigen von weiteren 45 hochpreisigen Präparaten mit einem großen klinischen Wert gesprochen. Diese seien noch „verhandelbar“. Danach soll es dann eine weitere Liste geben.

Reuters hat einige Stimmen der betroffenen Pharmaunternehmen eingesammelt: 

"Wir freuen uns über die Veröffentlichung des Updates der nationalen Erstattungsliste, die den Zugang zu und die Erschwinglichkeit innovativer Arzneimittel erheblich verbessert", wird ein Sprecher von GSK zitiert. „Wir haben bereits eine erhebliche Zunahme des Einsatzes unseres Hepatitis-B-Medikamentes beobachtet, nachdem der Preis im letzten Jahr um 67 Prozent gesenkt wurde. Die Aufnahme in die Liste wird den Zugang im ganzen Land weiter antreiben." 

Der in Dublin ansässige Pharmakonzern Shire PLC, dessen Hämophiliebehandlung ADVATE ebenfalls von dem Update der Liste profitiert, begrüßte laut Reuters die Ankündigung als Signal für die „Aufhebung der Restriktionen" für seine eigenen und ähnliche Behandlungen.  „Diese Änderung bedeutet, dass Kinder und erwachsene Patienten mit Hämophilie in China nun breiteren Zugang zur Behandlung mit ADVA TE erhalten", äußerte Peter Fang, Shire Leiter Asien Pazifik auf Anfrage per E-Mail gegenüber der Nachrichtenagentur.

China: Aus Not Beschaffung auf dem grauen Markt

Die Aufnahme in die NRDL bedeutet, dass ein Medikament über staatliche Versicherungssysteme zugänglich ist. Hierdurch wird es für den breiten Markt erschwinglich. Bislang mußten die Patienten  jedes neue Arzneimittel, das seit der letztmaligen Aktualisierung der Liste im Jahr 2009 neu zugelassen wurde, weitgehend selbst bezahlen. Oft seien sie dazu gezwungen, sich in riskanten grauen Märkten zu bedienen, um an billigere Medikamente zu kommen, schreibt Reuters. Nach dem Willen des Ministeriums sollen die Änderungen die finanzielle Belastung der Patienten lindern und Innovation und Entwicklung im chinesischen Pharmamarkt fördern.

Zwei Erstattungsklassen

Die nationale Erstattungsliste (NDRL) der Zentralregierung in Peking dient den 31 Provinzregierungen als Grundlage für ihre regionalen Erstattungslisten (Provinz DRLs). Das Ministerium soll die Provinzen bereits dazu aufgefordert haben, ihre aktualisierten Listen bis zum 31. Juli zu veröffentlichen und sich dabei eng an die zentralen Vorgaben zu halten.  

Die Arzneimittel werden auf der NDRL in zwei Klassen A und B eingeteilt. Klasse A-Medikamente werden zu einem niedrigen Festpreis voll erstattet. Grundlegende, weit verbreitete Medikamente werden normalerweise auf diese Liste gesetzt. Klasse B-Arzneimittel sind in der Regel teurer. Sie werden basierend auf dem jeweiligen Wirkstoff nach Maßgabe der Provinzregierung anteilig übernommen. Dabei können Wirkstoffe auch beiden Klassen zugeordnet werden, wenn sie etwa für verschiedene Anwendungsgebiete (A/B) oder in verschiedenen Darreichungsformen (A, B) angeboten werden.  Je nach lokaler Implementierung können die Kosten mit bis zu 80 Prozent bezahlt werden.

Mehr Absatz, aber schlankere Margen

Reuters bezeichnet die verzögerte Aktualisierung der NRDL als ein „willkommenes Stärkungsmittel“ für die globalen Pharmaunternehmen. Die meisten davon hätten im letzten Jahr mit einem verlangsamten Wachstum oder mit einer Schrumpfung des Absatzes in China leben müssen.

"Für die Pharmaunternehmen bedeutet das auf jeden Fall einen Schub“, sagt Andrew Chen vom Shanghaier Sitz des Strategieberaters Parthenon EY. Trotzdem sei die Aufnahme in die Liste nicht völlig umsonst. „Sobald ein Medikament erstattet wird, steigt zwar das Volumen, aber die Preise müssen runter. Das bedeutet schlankere Margen.“ 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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