Forschungspolitik

SPD-Politiker planen Milliardenprogramm für Hochschulmedizin

Berlin - 23.02.2017, 14:30 Uhr

Medizinische Forschung und Lehre soll nach den Vorschlägen der SPD-Politiker finanziell deutlich stärker unterstützt werden. (Foto: lightpoet / Fotolia)

Medizinische Forschung und Lehre soll nach den Vorschlägen der SPD-Politiker finanziell deutlich stärker unterstützt werden. (Foto: lightpoet / Fotolia)


Mit einem „Zukunftsvertrag für Wissenschaft und Forschung“ wollen fünf SPD-Wissenschaftspolitiker die Forschung und Lehre in Deutschland zukunftsfähig machen. Ein Schwerpunkt ist hierbei die Hochschulmedizin, welche in den nächsten zehn Jahren mit rund einer Milliarde Euro zusätzlich unterstützt werden soll.

„Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung ist der größte Innovationstreiber“, erklärt der stellvertretende SPD-Fraktionsvorstand Hubertus Heil zusammen mit weiteren SPD-Wissenschaftspolitikern in einem Positionspapier zur Zukunft der Forschungspolitik. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, wollen sie in der Zukunft entsprechende Gelder zur Verfügung stellen. „Neben hinreichenden Möglichkeiten zur wissenschaftsautonomen Themen- und Lösungsfindung ist hier eine verlässliche Finanzierungsperspektive entscheidend“, erklären die SPD-Politiker. Neben dem im SPD-Fraktionsvorstand für Forschung zuständigen Hubertus Heil unterzeichneten auch die Bremer Wissenschaftssenatorin Eva Quante-Brandt, die Nordrhein-Westfälische Svenja Schulze oder die Bundestagsvizepräsidentin und frühere Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn das Papier.

Ein Schwerpunktthema des „Zukunftsvertrags für Wissenschaft und Forschung“ ist dabei die Hochschulmedizin, für die die SPD-Wissenschaftspolitiker einen „Profilpakt“ vorschlagen. Der hohe Anteil der Versorgungsleistungen an allen Universitätsklinika sowie das Ausbleiben einer politischen Lösung für eine angemessene Refinanzierung im Rahmen der Gesundheitsfinanzierung „führen zu personellen und finanziellen hohen Belastungen an vielen deutschen Universitätsklinika“, erklären sie. Dies enge aktuell die Freiräume für Spitzenforschung in der Hochschulmedizin empfindlich ein.

Jährlich 100 Millionen Euro mehr

Gleichzeitig verzögere die Belastungen der Unikliniken auch nach Einschätzung des Wissenschaftsrates – dem höchsten Politik-Beratungsgremium in Sachen Forschung – „die Gewinnung wichtiger wissenschaftlicher Erkenntnisse und die Erprobung therapeutischer Innovationen“, wie Heil mit seinen Kollegen schreibt. Dies beeinträchtige die Nachwuchsförderung und verringere die internationale Konkurrenzfähigkeit der Hochschulmedizin.

Um diese zu stärken müssten die medizinischen Forschungstätigkeiten an den Universitätsklinika und den medizinischen Fakultäten gefördert werden, heißt es in dem Papier. Angelehnt an Empfehlungen des Wissenschaftsrats sehen die SPD-Politiker für die Jahre 2021 bis 2030 zwei Runden von je fünf „Profilierungskonzepten“ vor, über die einzelne Hochschulen jährlich bis zu 10 Millionen Euro zusätzlich im Jahr erhalten sollen. Bund und Länder sollen die Kosten von jährlich rund 100 Millionen Euro beziehungsweise insgesamt rund einer Milliarde Euro je zur Hälfte tragen, fordern sie.

In einer Pressemitteilung begrüßt der Medizinische Fakultätentag (MFT) die Pläne. „Die Umsetzung eines solchen Konzepts würde der medizinischen Forschung einen enormen Schub geben“, erklärt MFT-Präsident Heyo K. Kroemer. „Die ausgewählten Standorte könnten neue Spitzenkräfte anziehen und ihre exzellenten Strukturen ausbauen“, betont er. 

Unterstützung auch für Pharmaziestudenten

Auf die Situation anderer Fachrichtungen – wie auch die Pharmazie – gehen die SPD-Politiker nicht näher ein. Über die „Qualitätsstrategie Hochschullehre“ sollen Hochschulen aber je nach Studiengang Jährlich zwischen 1.000 und 2.000 Euro Euro Unterstützung erhalten, in der Humanmedizin sogar 3.000 Euro. Hinzu kämen pro abgelegte Abschlussprüfung 1.000 Euro. Um die Durchlässigkeit des Bildungssystems zu fördern, sollen Universitäten für Studenten ohne Abitur mehr Mittel erhalten.

Insgesamt wollen die SPD-Politiker sich bei der Förderung von Forschung und Lehre nicht an „bestehenden Finanzierungsströmen“ orientieren, sondern an den „aktuellen großen Herausforderungen im Wissenschaftssystem“. Dies sei beispielsweise, dass sich die Studienanfängerzahlen ihrer Einschätzung nach auf einem hohem Niveau von knapp unter 500.000 im Jahr einpendeln werden. „Die Hochschulfinanzierung ist heute nur ungenügend auf diese Bildungsexpansion ausgerichtet“, erklären sie, und wollen die langfristige Planungssicherheit erhöhen.

Forschungsfreiheit in Zeiten des Populismus

Durch ihrer Meinung nach „fehlende langfristige Verlässlichkeit“ käme es zu negativen Effekten wie den Verzicht auf eine langfristige Personalplanung. „Vor allem aber erfolgte der erfreuliche Beschäftigungsanstieg in Wissenschaft und Forschung vor dem Hintergrund befristeter Mittelzusagen größtenteils in Form kurzfristiger Arbeitsverträge, mit negativen Folgen für die individuelle soziale Lage und die mittelfristigen Karriereaussichten junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“, kritisieren sie.

Insbesondere wollen die SPD-Wissenschaftspolitiker die „Freiheit von Wissenschaft und Forschung“ als Voraussetzung für Kreativität und „eine offene, freie und demokratische Gesellschaft“ verteidigen. „Gerade vor dem Hintergrund aktueller populistischer Entwicklungen in einigen Teilen der Welt kann Deutschland ein gutes Beispiel geben für eine Wissenschaft, die ihre internationale Offenheit und Vernetzung vorantreibt und dennoch sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist“, erklären sie. Gleichzeitig haben sie die Hoffnung, dass die Gesellschaft die wissenschaftliche Arbeit auch wertschätze und ihre Ergebnisse respektiert – „gleich ob diese politisch gefallen oder nicht“, betonten die Politiker.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.