Exklusive Ausschreibungen

Kassen schreiben Zyto-Brandbrief an Politiker

Berlin - 22.02.2017, 15:30 Uhr

Unbedingt behalten: Mehrere Kassenverbände haben an die Gesundheitspolitiker der Großenn Koalition geschrieben und bitten darum, die exklusiven Zyto-Verträge beizubehalten. (Foto: fotolia/Setareh)

Unbedingt behalten: Mehrere Kassenverbände haben an die Gesundheitspolitiker der Großenn Koalition geschrieben und bitten darum, die exklusiven Zyto-Verträge beizubehalten. (Foto: fotolia/Setareh)


Die Krankenkassen haben einen letzten Versuch unternommen, ihre exklusiven Zytostatika-Verträge mit Apotheken zu retten. In einem Brandbrief an Gesundheitspolitiker von Union und SPD argumentieren mehrere Kassenverbände gemeinsam, dass sich die Versorgung Krebskranker ohne die Ausschreibungen verschlechtern werde. Interessant ist, dass sich der GKV-Spitzenverband nicht an der Aktion beteiligt hat.

Die Große Koalition will die exklusiven Zyto-Verträge zwischen Apothekern und Krankenkassen mit dem Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) abschaffen. In dem Gesetz, das im Bundestag derzeit noch diskutiert wird, heißt es, dass Krankenkassen künftig Rabattverträge mit den Herstellern über Zytostatika abschließen sollen. Weitere Einsparungen im Zyto-Bereich sollen der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband (DAV) in der gemeinsam auszuhandelnden Hilfstaxe festlegen. Laut einem Änderungsantrag der Regierungsfraktionen sollen die derzeit noch laufenden „Alt-Verträge“ zwischen Apothekern und Kassen spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des AMVSG ausgelaufen sein.

Insbesondere die AOK-Gemeinschaft ist an der Erhaltung der Zyto-Verträge interessiert. Erst im vergangenen Jahr hatte der AOK-Bundesverband im Auftrag mehrerer Ortskrankenkassen neue Zyto-Verträge ausgeschrieben und vergeben. Aber auch die DAK, die Knappschaft Bahn-See, mehrere Ersatzkassen und einige Kassendienstleister haben bereits Ausschreibungen gestartet. Die Krankenkassen laufen daher seit Monaten Sturm gegen die Regelungsvorschläge der Großen Koalition.

Kassen sparen angeblich 600 bis 700 Millionen Euro mit Zyto-Verträgen

Neuester Versuch der Kassengemeinschaft ist ein Brief an die Gesundheitspolitiker der Koalitionsfraktionen. Unterschrieben haben den Brief der Verband der Ersatzkassen (vdek), der AOK-Bundesverband, der BKK-Dachverband, der IKK e.v., die Knappschaft sowie die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG). In dem Brief erklären die Kassenvertreter, warum sie an den Verträgen festhalten wollen: „Erst durch die Ausschreibungen ist es gelungen, eine wohnortnahe, wirtschaftliche und qualitätsgestützte, nachvollziehbare Versorgung der Patientinnen und Patienten in der Onkologie aufzubauen.“ Dem Schreiben zufolge führen die Zyto-Verträge zu Einsparungen zwischen 600 und 700 Millionen Euro pro Jahr. „Dies ist angesichts der Entwicklung der Arzneimittelausgaben gerade in der Onkologie dringend nötig“, meinen die Verbände.

Die neuen Vorgaben, nach denen die Kassen Rabattverträge mit den Herstellern und die Hilfstaxe mit den Apothekern aushandeln sollen, werden die Einsparungen schrumpfen lassen, kündigen die Kassen an. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) schätze die Einsparmöglichkeiten zwar auf etwa 250 Millionen Euro, das derzeit von den Apothekern vorgelegte Angebot zur Aktualisierung der Hilfstaxe biete „lediglich“ 109 Millionen Euro.

Kassen wollen Apotheker zu Qualität verpflichten

„Viel wichtiger“ als der finanzielle Aspekt sei den Kassen aber die Versorgungsqualität, heißt es in dem Schreiben. Kurzum fürchten die Kassen, dass Qualität verloren geht, weil mit den Apothekern keine vertraglichen Vereinbarungen mehr über Qualitätskriterien festgehalten werden können. „An die Stelle einer Auswahl der Vertragsapotheke auf Basis von Qualitätskriterien tritt eine wie auch immer motivierte Auswahl der Apotheke durch den Arzt.“ Erneut weisen die Kassen die Koalitionspolitiker darauf hin, dass ein Gericht bereits entschieden habe, dass die freie Apothekenwahl in der Zyto-Versorgung nur eingeschränkt gelte. Ohnehin hätten die Patienten – so die Kassenvertreter – auch im neuen Versorgungsmodell keine Möglichkeit die Apotheke zu wählen, weil dies der Arzt mache. "Die Onkologen würden wie bisher mit einer Apotheke ihrer eigenen Wahl kooperieren; darauf nehmen die Patienten keinen Einfluss. Diese Auswahlentscheidungen sind aber intransparent, die Versorgung in der Folge unwirtschaftlich“, heißt es in dem Brief.

Dass die bestehenden Zyto-Verträge zwischen Kassen und Apothekern beendet werden sollen, verstehen die Kassenverbände überhaupt nicht. Schon aus Gründen des Vertrauensschutzes sei dies abzulehnen. „Nunmehr zum Teil seit Jahren  etablierte und qualitätsgesicherte Versorgungspfade werden gekappt und die Patienten in eine unsichere Versorgungszukunft überantwortet“, heißt es in dem Schreiben.

Auffällig ist, dass der GKV-Spitzenverband nicht zu den Absendern im Briefkopf zählt. Dem Vernehmen nach hatten die Vertreter einiger Kassenverbände auch Probleme damit, dass der Spitzenverband die Forderung seiner Mitglieder nicht öffentlich unterstützt. Ein Sprecher des GKV-Spitzenverbandes sagte dazu, dass das Schreiben von den Kassenartenverbänden verfasst worden sei, „weil die Rabattverträge auf Kassen(-arten)ebene verhandelt werden und nicht für die gesamte GKV durch den GKV-SV“.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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