Beratungs-Quickie

Postoperative Thromboseprophylaxe

München / Stuttgart - 16.02.2017, 12:00 Uhr

Immobilisation erhöht die Gefahr einer postoperativen Thrombose. (Foto: Sanofi)

Immobilisation erhöht die Gefahr einer postoperativen Thrombose. (Foto: Sanofi)


Welche Informationen sind bei einem Beratungsgespräch in der Apotheke für den Patienten wichtig? Welche hilfreichen Tipps kann der Apotheker zu Arzneimitteln und Therapien geben? Diesmal geht es um eine Verordnung über Fertigspritzen mit niedermolekularem Heparin für einen jungen Mann, der nach einer Operation aus dem Krankenhaus entlassen wurde.

Formalien-Check

Der Kunde betritt auf Krücken die Apotheke und möchte sein Rezept einlösen. Verordnet ist eine N1-Packung Fertigspritzen Clexane® 20. Das Rezept ist vollständig und eindeutig. Der Arzt erlaubt den Aut-idem-Austausch. Abzugeben sind zehn Fertigspritzen
mit Sicherheitssystem Clexane® 20 mg mit je 0,2 ml Injektionslösung. Preisgünstige Importe sind zu beachten.

Der Kunde ist gebührenpflichtig. Ab Ausstellungsdatum ist die Verordnung einen Monat gültig.

Beratungs-Basics

Enoxaparin kommt unter anderem zur Vorbeugung von Blutgerinnseln in den tiefen Venen während und nach Operationen zum Einsatz. Die verordnete Wirkstärke von 20 mg (entsprechend 2.000 I.E. anti-Xa) ist bei niedrigem oder mittlerem Thromboserisiko indiziert. Der junge Mann kommt auf Krücken in die Apotheke. Da sein Thromboserisiko als gering zu bewerten ist, reicht eine einmal tägliche Injektion einer Spritze mit 20 mg Enoxaprin aus.

Niedermolekulare Heparine haben eine höhere Bioverfügbarkeit und längere Halbwertszeit als Standard-Heparin und müssen nur einmal pro Tag gegeben werden. Allgemein orientiert sich die Dosierung am individuellen Thromboserisiko, das unter anderem abhängig von der Art und Dauer des operativen Eingriffes und der Immobilisation ist.

Enoxaparin ist ein Antikoagulans aus der Gruppe der fraktionierten, niedermolekularen Heparine (NMH oder LMWH) und verhindert eine Bildung von Thromben und Gerinnseln (Emboli). Der Wirkstoff bindet an physiologisches Antithrombin III und verstärkt so dessen hemmende Wirkung auf aktivierte Gerinnungsfaktoren wie Thrombin (Faktor IIa) und Faktor Xa (Stuart-Prower-Faktor). Im Gegensatz zu Standardheparin inhibieren niedermolekulare Heparine vorwiegend den Faktor Xa .

Die erste Injektion sollte etwa zwei Stunden vor der Operation erfolgen. Die Behandlung ist so lange fortzuführen, wie ein erhöhtes Thromboembolie-Risiko besteht. Insbesondere für den Zeitraum, in dem der Patient weitgehend bettlägerig ist. Im Mittel sind das sieben bis zehn Tage nach der Operation. Die Applikation erfolgt subkutan, möglichst im Liegen in die vordere seitliche Bauchwand oder in die Außenseite eines Oberschenkels. Die Injektionsstelle ist täglich zu wechseln. Die Einstichstelle soll vor der Injektion (mit einem Alkoholpad) desinfiziert werden. Vor dem Gebrauch ist die Nadelschutzkappe von der Fertigspritze zu entfernen. Die in der Fertigspritze befindliche Luftblase darf nicht entfernt werden. Sie dient der vollständigen Entleerung der Spritze.

Ein an der Injektionsnadel haftender Tropfen ist jedoch vor der Injektion abzuschütteln (nicht abwischen!), um einen Bluterguss beziehungsweise eine lokale allergische Reizung zu vermeiden. Mit zwei Fingern wird eine Hautfalte gebildet, mit der anderen Hand die Nadel senkrecht zur Körperachse in die Haut eingestochen. Die Hautfalte soll während des Spritzens nicht losgelassen werden. Die Lösung ist langsam zu injizieren. Danach wird die Nadel senkrecht herausgezogen und erst dann die Hautfalte langsam wieder losgelassen.

Um unbeabsichtigte Nadelstichverletzungen nach der Injektion zu verhindern, sind die Fertigspritzen mit einem automatischen Sicherheitssystem ausgerüstet. Es wird nur bei vollständig entleerter Spritze ausgelöst. Sobald der Spritzenstempel vollständig eingedrückt wird, springt eine Hülse aus dem Spritzenkörper und umhüllt die soeben verwendete Nadel.

Auch noch wichtig

In der Regel ist die Heparin-Gabe gut verträglich. Mögliche Nebenwirkungen sind unter anderem Haut- und Schleimhautblutungen, allergische Reaktionen und ein Abfall der Thrombozyten. Die Typ I Thrombozytopenie tritt nur zu Beginn der Therapie auf und geht im weiteren Verlauf zurück. Die antikörpervermittelte Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT Typ II) hingegen kann lebensgefährlich sein. Sie tritt in der Regel zwischen Tag fünf und 21 der Behandlung auf und kann mit Gefäßverschlüssen, Hautabsterben, Blutungen und schweren Gerinnungsstörungen einhergehen. Das Arzneimittel muss sofort abgesetzt werden. Das Risiko einer HIT-Entwicklung ist unter NMH deutlich geringer als unter Standard-Heparin. In der Regel ist deshalb eine intensive Kontrolle der Blutparameter während der Behandlung nicht notwendig.

Bei der Behandlung mit anderen Arzneimitteln in der Selbstmedikation oder nach ärztlicher Verordnung sind mögliche Wechselwirkungen zu beachten Die Blutungsneigung ist während der Behandlung mit Enoxaparin erhöht. ASS als
Schmerzmittel ist nicht empfehlenswert, da sich hier die Blutungsgefahr erhöht. 

Orale Antihistaminika, die bei Allergien, leichten Schlafstörungen oder Übelkeit eingesetzt werden, können die Heparinwirkung abschwächen und sollten nicht zeitgleich angewendet werden.

Darf´s ein bisschen mehr sein?

  • Der Kunde darf die Therapie nicht vorzeitig beenden.
  • Trotz der Behandlung sind maßvolle Bewegungen im Rahmen der Möglichkeiten des Operierten wichtig.
  • Außerdem muss der Kunde auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten.
  • Zur Pflege der Einstichregion, vor allem bei Blutergüssen, können Umschläge mit Arnikatinktur empfohlen werden, Arnika D6 als Globuli oder auch eine Heparinsalbe.

    Dem jungen Mann wurde bereits im Krankenhaus gezeigt, wie er spritzen soll. Er sei ja nicht zimperlich, aber sich selbst die Spritze zu verabreichen, das erscheine ihm zu viel erlangt. Zum Glück sei seine Freundin Krankenschwester. Zwinkernd fügt er hinzu: Von ihr lasse er sich eine Injektion gerne gefallen.


Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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