Änderungsantrag zum Heil- und Hilfsmittelgesetz

Kodier-Schummeleien sollen unterbunden werden

Berlin - 13.02.2017, 16:40 Uhr

Schwere Vorwürfe – nun reagiert die Bundesregierung: Ärzte sollen ihre Patienten auf dem Papier kränker machen, als sie sind. (Foto: BillionPhotos / Fotolia)

Schwere Vorwürfe – nun reagiert die Bundesregierung: Ärzte sollen ihre Patienten auf dem Papier kränker machen, als sie sind. (Foto: BillionPhotos / Fotolia)


Diese Woche Donnerstag will der Bundestag die Reform der Heil- und Hilfsmittelversorgung verabschieden. An das Gesetz werden nun kurzfristig Änderungsanträge angedockt, die eine Einflussnahme der Krankenkassen auf Diagnose-Kodierungen von Ärzten verhindern sollen.

Der Gesetzgeber will den Heil- und Hilfsmittelbereich reformieren. Gerade im Hilfsmittelbereich hat er in den letzten Jahren Qualitätsdefizite ausgemacht: Die Versicherten seien häufig nicht gut genug über ihren Versorgungsanspruch informiert, heißt es. Auch werde nur unzureichend überwacht, ob die zwischen Kassen und Leistungserbringern vereinbarten Vertragsinhalte eingehalten werden und die Anforderungen an die Qualität der im Hilfsmittelverzeichnis gelisteten Produkte und der mit ihnen verbundenen Dienstleistungen seien oft nicht mehr aktuell. Apotheken kennen dieses Problem nicht zuletzt aus der Versorgung mit Inkontinenzprodukten. Dass hier nun etwas geschieht, hat der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), angestoßen, bei dem sich die Beschwerden gehäuft hatten. Besserung soll daher das Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) bringen. Es soll am 16. Februar vom Bundestag in zweiten und dritten Lesung beschlossen werden.

Zuvor ist jedoch der Gesundheitsausschuss des Bundestages erneut am Zug. Er wird noch Änderungsanträge zu dem Gesetzentwurf beschließen, die nicht im direkten Zusammenhang mit seinem eigentlichen Regelungsgehalt stehen. Vielmehr geht es um das Problem von möglichen Falschkodierungen durch Ärzte – zu ihren eigenen Gunsten sowie zum Vorteil der Krankenkassen. Denn Ärzte erhalten für die Behandlung schwer kranker Patienten eine höhere Vergütung und Krankenkassen mit vielen Schwerkranken wiederum mehr Geld aus dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (morbi-RSA). 

TK-Chef Jens Baas sorgte im vergangenen Jahr für Wirbel, weil er in einem Interview eingeräumt hatte, dass Krankenkassen versuchten, Ärzte dazu zu bringen, für Patienten möglichst viele Diagnosen zu dokumentieren –  dabei würden die Mediziner auch mit finanziellen Anreizen gelockt. Geld, das eigentlich für die Versorgung der Versicherten zur Verfügung stehen sollte. Gleichzeitig können übertriebene Diagnosen Patienten schaden: Durch unnötige Behandlung, Angst, oder Probleme mit privaten Zusatzversicherungen.

Die Tricksereien der Kassen

Für die Trickserei gibt es offenbar drei bekannte Strategien: Sie laufen über externe Dienstleister, so genannte Kodierberater oder den Abschluss von Betreuungsstrukturverträgen. Dabei wird für jeden Patienten, bei dem der Arzt eine RSA-relevante Krankheit feststellt, eine Provision gezahlt.

Dagegen will die große Koalition nun mit verschiedenen Nachbesserungen im Sozialgesetzbuch V vorgehen. In der Begründung der Änderungsanträge heißt es, dass die Aufsichtsbehörde und die betroffenen Vertragsparteien rechtswidrige Vertragsgestaltungen unverzüglich zu beenden haben. Die Krankenkassen sollen verpflichtet werden, bei der Aufklärung von Zweifelsfällen mitzuwirken. Verweigern sie dies, soll das Bundesversicherungsamt ein Zwangsgeld von bis zu 10 Millionen Euro verhängen können.

Die Änderungsanträge waren am heutigen Montag Gegenstand einer öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages. Dabei wurde die Stoßrichtung allgemein begrüßt, wenn auch einigen die vorgesehenen Regelungen nicht weit genug gehen. Zum Beispiel dem Verbraucherzentrale Bundesverband. Der Grund: Ärzte und Kassen könnten in Zukunft auf Selektivverträge ausweichen, um die neuen Regelungen zu umgehen. Diese Verträge würden praktisch nur auf Wirtschaftlichkeit geprüft. Eine Veröffentlichungspflicht bestehe nicht, kritisiert der Verband.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.