Neue Auswertung

Setzen Beobachtungsstudien Arzneimittel-Sicherheit aufs Spiel?

Stuttgart - 09.02.2017, 07:00 Uhr

Beobachtungsstudien sollen Wirkung und Nebenwirkungen von Arzneimitteln im Praxis-Einsatz erfassen. (Foto: Monkey business / Fotolia)

Beobachtungsstudien sollen Wirkung und Nebenwirkungen von Arzneimitteln im Praxis-Einsatz erfassen. (Foto: Monkey business / Fotolia)


Nebenwirkungen wurden offenbar nicht gemeldet

Zwar erstreckten sich die Anwendungsbeobachtungen über einen längeren Zeitraum, doch schlossen sie oftmals auch weniger Probanden ein als Zulassungsstudien, erklären die Forscher im Artikel. So seien nach Angaben der Europäischen Arzneimittelagentur EMA beispielsweise bei den Zulassungsstudien des Immunmodulators Revlimid® (Lenalidomid) insgesamt 2000 Patienten eingeschlossen worden, doch bei einer Anwendungsbeobachtungsstudie nur 100. Bei anderen Arzneimitteln wie Pradaxa® (Dabigatran etexilate) war das Verhältnis etwas besser, aber auch hier umfassten die Zulassungsstudien mehr Probanden.

Darüber sind offensichtlich keine größeren Erkenntnisse zu Nebenwirkungen zu gewinnen, wie die Autoren schreiben: Für eine seltene Nebenwirkung mit einer Häufigkeit von 1 zu 10.000 müssten mindestens 30.000 Probanden eingeschlossen werden.

Die Wissenschaftler dürfte wohl dennoch überrascht haben, als sie Datenbanken zu Nebenwirkungen daraufhin untersuchten, ob sie durch Anwendungsbeobachtungen identifiziert worden waren. „Unsere Versuche, Berichte von Nebenwirkungen zu den zwischen 2008 und 2010 durchgeführten Beobachtungsstudien in der Datenbank zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu finden, waren nicht erfolgreich“, erklären sie in ihrem Artikel.

Beobachtungsstudien könnten Sicherheit gefährden

Dies kann möglicherweise auch daran liegen, dass laut dem BMJ-Artikel teilweise die Verschwiegenheitsklauseln vorgeben, dass Ärzte Nebenwirkungen den Studien-Sponsoren melden müssen – und nicht den zuständigen Kommissionen. „Unsere Forschung deutet darauf hin, dass nicht nur in randomisierten kontrollierten Studien, sondern auch in Anwendungsbeobachtungsstudien das Zurückhalten von Daten zu unerwünschten Nebenwirkungen oder auch von anderen Informationen ein Problem ist, das noch nicht ausreichend angegangen wurde“, schreiben die BMJ-Autoren. Eine Abnahme der Meldungen von unerwünschten Arzneimittelwirkungen könnte daher auch eine unbeabsichtigte Wirkung von Beobachtungsstudien sein, befürchten sie.

„Unsere Ergebnisse bekräftigen nicht die Zielsetzung des Arzneimittelgesetzes, dass Anwendungsbeobachtungsstudien der langfristigen Verbesserung der Überwachung der Arzneimittelsicherheit dienen“, kritisieren die Autoren. Doch da die Ergebnisse der Studien als Geschäftsgeheimnis betrachtet werden, könnte die Arzneimittelsicherheit durch die aktuelle Praxis „aufs Spiel“ gesetzt werden, befürchten sie. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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