Neue Auswertung

Setzen Beobachtungsstudien Arzneimittel-Sicherheit aufs Spiel?

Stuttgart - 09.02.2017, 07:00 Uhr

Beobachtungsstudien sollen Wirkung und Nebenwirkungen von Arzneimitteln im Praxis-Einsatz erfassen. (Foto: Monkey business / Fotolia)

Beobachtungsstudien sollen Wirkung und Nebenwirkungen von Arzneimitteln im Praxis-Einsatz erfassen. (Foto: Monkey business / Fotolia)


Ärzte erhielten teils mehr als 200.000 Euro

Doch schwanken die Zahlungen erheblich – einige Ärzte erhielten mehr als 200.000 Euro für die Teilnahme an nur einer Studie. Mit den Geldern wollen Firmen die Gunst der Ärzte erkaufen, meinen Kritiker – während die Unternehmen darauf hinweisen, es handele sich nur um eine Entschädigung für den Zeitaufwand.

Die Wissenschaftler unterschieden Studien, die innerhalb der ersten zwei Jahre nach Zulassung gestartet wurden. Bei diesen hatten rund 54 Prozent aller Studien weniger als 1000 Probanden eingeschlossen, so dass seltene Nebenwirkungen nicht zuverlässig nachgewiesen werden können. Auch sind die Informationen oft nicht vollständig. „Obwohl das Gesetz es vorschreibt, fehlten Angaben zur Anzahl der Patienten und/oder Ärzten bei 33 Prozent der Anwendungsbeobachtungsstudien“, kritisieren die Autoren der BMJ-Studie. „Es gibt erhebliche Abweichungen von den gesetzlichen Anforderungen des Arzneimittelgesetzes.“

Ergebnisse wurden kaum veröffentlicht

Angesichts des erheblichen finanziellen und personellen Aufwands fielen die Ergebnisse äußerst mager aus. „Für nur fünf aller 558 Anwendungsbeobachtungsstudien waren wir in der Lage, einen zugehörigen Artikel in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift zu finden“, erklären die Forscher. Dabei sind Ärzte eigentlich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass alle Studienergebnisse veröffentlicht werden – beispielsweise über ihre Berufsordnungen, die auf die „Deklaration von Helsinki“ des Weltärztebundes verweisen. Doch Ärzte gehen oft Verschwiegenheitsklauseln ein.

„Die Praxis, negative Ergebnisse nicht zu publizieren, wie auch die Praxis, Veröffentlichungen durch bestimmte Verträge zu verhindern, stehen nicht im Einklang mit der Deklaration von Helsinki“, hatte beispielsweise der Tübinger Medizinethiker Urban Wiesing gegenüber DAZ.online erklärt. Für die Wissenschaftler ist die aktuelle Situation nicht tragbar, wie sie in ihrem BMJ-Artikel schreiben. „Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass nicht nur die Behörden im Automobilsektor ‚stärker hinterfragen müssen, inwiefern ihre Regeln eingehalten werden‘“, schreiben sie.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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