Lieferengpässe europäisch angehen

Verknappung so früh wie möglich identifizieren 

Brüssel - 06.02.2017, 10:00 Uhr

Apotheken müssen nach wie vor mit Lieferengpässen bei Arzneimitteln kämpfen. (Foto: Daniel Coulmann / Fotolia)

Apotheken müssen nach wie vor mit Lieferengpässen bei Arzneimitteln kämpfen. (Foto: Daniel Coulmann / Fotolia)


Die europäischen Industrieverbände der Arzneimittelhersteller, Großhändler, Paralleldistributoren und der Apotheker haben ein gemeinsames „Whitepaper“ zur Bekämpfung von Lieferengpässen vorgestellt. Der Fokus soll vor allem auf der Verbesserung der Transparenz und der Bereitstellung von Informationen liegen.  

Es liest sich wie das „Who is Who“ der europäischen Interessensvertretung der Pharmaindustrie, des Großhandels und der Apotheker: AESGP, EFPIA, Medicines für Europe, GIRP, EAEPC, PGEU, EAHP und EIPG. Insgesamt acht maßgebliche Verbände auf dem Gebiet der Arzneimittelversorgung in Europa haben sich an einen Tisch gesetzt, weil sie dem „Klein, klein“ bei der Bekämpfung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln nicht länger zusehen wollen. Hierzu haben sie unter dem Titel „Joint Supply Chain Actors Statement on Information and Medicinal Products Shortages” eine Reihe gemeinsamer Empfehlungen auf den Weg gebracht. 

Von der Herstellerseite sind daran beteiligt:

  • der europäische Dachverband der Selbstmedikationsindustrie: Association of the European Self-Medication Industry (AESGP

  • der europäische Verband der forschenden Pharmaindustrie: European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA), hinter dem rund 1900 Firmen stehen, sowie

Darüber hinaus gehören

  • der Dachverband der vollversorgenden Arzneimittelgroßhändler- und Distributoren: European Healthcare Distribution Association (GIRP), der die nationalen Verbände aus 32 Ländern mit mehr als 750 Pharmagroßhändlern repräsentiert, und die Stimme der Paralleldistributoren in Europa: European Association of Euro-Pharmaceutical Companies (EAEPC), 

zu den Unterstützern.

Auch die Apotheker haben sich in voller Breite eingebracht, und zwar:

  • die Offizinapotheker über die Pharmaceutical Group of the European Union (PGEU). Sie vertritt die Interessen der öffentlichen Apotheker in 32 europäischen Ländern.
  • die Krankenhausapotheker über die European Association of Hospital Pharmacists (EAHP). Sie bündelt die Anliegen von 21000 europäischen Krankenhausapothekern aus 35 Ländern. 
  • Außerdem wurden die Empfehlungen auch durch die European Industrial Pharmacists Group (EIPG) mitgestaltet und angenommen. In der EIPG haben sich die nationalen Organisationen der Industrieapotheker in Europa zusammengeschlossen. 

Code of collaboration: Lieferengpässe so früh wie möglich identifizieren

In dem Statement bekennen sich die europäischen Verbände entschlossen zu einem erhöhten Engagement zur Lösung des Problems. Die Empfehlungen fordern konkret mehr Transparenz und Daten über die Verfügbarkeit von Medikamenten, die Früherkennung und Beurteilung potenzieller Engpässe und eine konsistente Berichterstattung. Es gebe nicht einmal eine einheitliche Definition für einen Lieferengpass, heißt es in dem Dokument. Hierfür schlägt das Papier einen Ansatz vor, der darauf abzielt, eine Verknappung so früh wie möglich zu identifizieren. Dazu wird der Begriff „Verdacht eines Engpasses“ eingeführt. In einem solchen Fall sollen alle an der Versorgung mit dem betroffenen Arzneimittel Beteiligten in die Beurteilung der Situation eingebunden werden.

Code of collaboration

Außerdem soll der Zugang zu den Informationen über alle Teile der Lieferkette verbessert werden, inklusive einer optimierten Daten-Infrastruktur und gemeinsamer Governance-Prozesse. Informationssysteme müssten so zuverlässig, aktuell und umfassend wie möglich sein, fordern die Verbände. Um die Zusammenarbeit der an der Arzneimittelversorgung Beteiligten im Hinblick auf den Informationsaustausch zu verbessern, wird ein „Code of collaboration“ vorgeschlagen. 

IT-Systeme in den Ländern verbessern

Das Whitepaper baut laut Auskunft der Verbände auf bestehenden Praktiken auf, beinhaltet aber nach ihrer Einschätzung auch einige Merkmale für ein ideales Informationssystem über Medikamenten-Engpässe. Die europäischen Verbände hoffen, dass ihre Empfehlungen unter Berücksichtigung der nationalen Besonderheiten eines jeden Landes dabei helfen, die jeweiligen IT-Systeme auf nationaler Ebene zu verbessern. Sie könnten möglicherweise auch als Grundlage für künftige Maßnahmen europäischer Ebene dienen, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung

Der Anhang zu dem Dokument enthält einen interessanten Einblick, welche Systeme einzelne Länder wie Deutschland, Österreich, Frankreich, Spanien oder die Niederlande zum Umgang mit Lieferengpässen eingerichtet haben.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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