Innovationsfonds-Projekt

Extra-Honorar für heimversorgende Apotheker

Berlin - 02.02.2017, 12:50 Uhr

Zusatz-Honorar für Apotheker: Im kommenden Jahr startet in vier Bundesländern ein Projekt, bei dem Apotheker in Pflegeheimen Arzneimittelchecks anbieten. (Foto: dpa)

Zusatz-Honorar für Apotheker: Im kommenden Jahr startet in vier Bundesländern ein Projekt, bei dem Apotheker in Pflegeheimen Arzneimittelchecks anbieten. (Foto: dpa)


Heimversorgende Apotheker in vier Bundesländern können sich im kommenden Jahr über Zusatz-Honorare freuen, wenn sie an einem Arzneimittelberatungs-Projekt teilnehmen. Der beim Gemeinsamen Bundesausschuss angesiedelte Innovationsfonds bezuschusst ein Projekt, an dem Apothekerkammern in den Ländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg beteiligt sind.

Das Projekt trägt den Namen „Hiopp 3“. Der Name „Hiopp“ steht für „Hausärztliche Initiative zur Optimierung der Polypharmazie“. Gleich sieben verschiedene Versorgungsprojekte gibt es in der Hiopp-Reihe, die es sich allesamt zum Ziel gemacht haben, die Medikation multimorbider Patienten zu verbessern. Von diesen sieben Projekten haben aber nur zwei einen Zuschlag vom Innovationsfonds erhalten. Eines davon ist das Vorhaben „Hiopp 3“, an dem auch Apotheker maßgeblich beteiligt sind.

Zur Erinnerung: Der Fonds ist für die Apotheker eine Möglichkeit, die von der ABDA so heiß umworbenen pharmazeutischen Dienstleistungen in einem vergüteten Modellprojekt zu testen. Der Gesetzgeber hatte den Innovationsfonds im vergangenen Jahr etabliert. Der G-BA kann demnach regelmäßig Vorhaben aus zwei Vergütungstöpfen bezuschussen: für innovative Versorgungsprojekte sowie für vielversprechende Ideen aus der Versorgungsforschung. Für die praktizierten Versorgungsmodelle werden jährlich 225 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, für die Forschungsprojekte weitere 75 Millionen Euro. Die Pharmazeuten hatten sich mit mehreren Modellen für die erste Ausschüttung aus dem größeren Topf beworben – und waren mit allen Anliegen gescheitert. Die wenigen bezuschussten Projekte zur Arzneimitteltherapiesicherheit klammern die praktische Beteiligung der Apotheker so gut wie aus.

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Kurz nach Jahresbeginn hat der G-BA allerdings die bezuschussten Bewerber des kleineren Topfes für die Versorgungsforschung bekanntgegeben, wozu auch das Projekt Hiopp 3 gehört. Antragsteller ist die Medizinische Hochschule Hannover. Beteiligte Konsortialpartner sind mehrere Universitäten in vier Bundesländern (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern) sowie das AQUA-Institut für Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen. Ziel des Forschungsprojektes ist es, die Arzneimitteltherapiesicherheit von Pflegeheimbewohnern zu verbessern. Es ist von einer „kontrollierten Interventionsstudie mit Beteiligung von Apothekern, Pflegefachkräften und Hausärzten mit 760 Bewohnern in insgesamt 32 Einrichtungen der Langzeitpflege“ die Rede.

Hiopp 3 basiert unter anderem auf einem Vorprojekt der Kammer Niedersachsen, das unter dem Namen „Tandem Visite“ lief. Dabei halfen Apotheker in mehreren niedersächsischen Pflegeheimen dabei, die Medikation von Heimbewohnern zu optimieren. Basis für die Interventionen der Apotheker sind die sogenannten Athina-Schulungen. Unter dem Namen „Athina“ bilden mehrere Apothekerkammern in Deutschland ihre Mitglieder im Medikationsmanagement aus. Ihr dort gewonnenes Wissen konnten die Pharmazeuten bei „TandemVisite“ anwenden. Die Grundidee, auf der auch Hiopp 3 beruht: Wenn man die Anzahl potentiell inadäquater Arzneimittel, Neuroleptika und anderen Doppelverordnungen reduziert, verbessert sich die Lebensqualität der Bewohner, es passieren weniger Stürze und daraus resultierend weniger Klinikeinweisungen.

Apotheker kommen ins Pflegeheim und intervenieren

Die im Modellprojekt „TandemVisite“ gewonnenen Erfahrungen sollen im Rahmen von Hiopp 3 nun großflächig ausgrollt werden. 32 Pflegeheime in den oben genannten Bundesländern nehmen an dem Projekt teil, in jedem Land sind es also acht Heime. Vier dieser acht Pflegeheime sind die Kontrollgruppe – in diesen Einrichtungen finden lediglich Arzneimittel-Schulungen für das Pflegepersonal statt. Außerdem analysieren Apotheker die Medikation der Patienten, ohne dabei aber zu intervenieren.

Die Ergebnisse der Kontroll-Heime sollen am Ende des sechsmonatigen Projektes mit den Behandlungsergebnissen aus den anderen vier Heimen des jeweiligen Bundeslandes verglichen werden. In diesen Einrichtungen finden ebenfalls Schulungen statt. Dort dürfen die Apotheker und Ärzte nach der Analyse aller eingenommenen Medikamente der Patienten jedoch zusätzlich eine Intervention vornehmen (falls diese notwendig ist). Ausgewählt werden die Patienten von Study Nurses, die darauf achten sollen, dass der Patient mindestens 65 Jahre alt ist und mehrere Arzneimittel gleichzeitig anwendet. Eine konkrete Anzahl gleichzeitig angewendeter Wirkstoffe muss nicht vorliegen, damit ein Patient für Hiopp 3 in Frage kommt. Vielmehr geht es den Initiatoren darum, welche Arzneimittel der Patient konsumiert. Patienten mit Neuroleptika, Beruhigungs- oder Schlafmitteln kommen beispielsweise grundsätzlich in Frage.

Rund 100 Euro pro Arzneimittel-Check

Hat der Heimbewohner einer Teilnahme zugestimmt, kommt der jeweilige heimversorgende Apotheker in die Einrichtung und stellt eine Liste mit allen gleichzeitig eingenommenen Rx- und OTC-Präparaten zusammen. Erkennt er potentielle Doppelverordnungen oder inadäquate Arzneimittel, benachrichtigt er den Arzt, der die Medikation dann wiederum ändern kann. Begleitet werden diese Interaktionen durch Informations-Maßnahmen. Beispielsweise wird dem Pflegepersonal eine „AMTS-Toolbox“ für die Station zur Verfügung gestellt. Diese Toolbox enthält unter anderem Poster, auf denen wichtige Neben- und Wechselwirkungen aufgezeichnet sind. Auch dabei sind Ampelkarten: Dabei werden häufig verordneten Wirkstoffen jeweils eine Ampelfarbe zugeordnet. Dabei gilt: Je nach Gefährdung für den Patienten durch Nebenwirkungen des jeweiligen Präparates zeigt die Karte eine andere Farbe.

Die Projektbetreiber wollen voraussichtlich ausschließlich mit den Apothekern zusammenarbeiten, die die Heime bereits heute schon versorgen. Sollten die entsprechenden Pharmazeuten noch keine Athina-Schulung in ihrer Kammer absolviert haben, können sie das noch in diesem Jahr nachholen, denn die wirkliche Projektphase beginnt erst 2018. Wie die Apotheker für ihre Mehrleistung vergütet werden, steht noch nicht ganz fest. Den Initiatoren zufolge soll die Vergütung aber bei rund 100 Euro pro Arzneimittelcheck liegen. Im Anschluss an die sechsmonatige Testphase werden die Ergebnisse des Versorgungsprojektes evaluiert. Unter anderem soll gemessen werden, wie sich die Interventionen der Apotheker und Ärzte finanziell auswirken. Dann soll es einen Projektbericht geben, der dem G-BA vorgelegt wird.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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