Nach der Deregulierung

Schwedens Apothekenmarkt hat sich beruhigt

Schweden - 02.02.2017, 06:55 Uhr

Außer Apotheken dürfen in Schweden auch Tankstellen und Supermärkte OTC-Arzneimittel verkaufen. (Foto: dpa)

Außer Apotheken dürfen in Schweden auch Tankstellen und Supermärkte OTC-Arzneimittel verkaufen. (Foto: dpa)



Seit der Deregulierung des schwedischen Apothekenmarkts 2009 wurden die zuvor knapp 930 staatlichen Apotheken zum großen Teil an private Ketten und Investmentkonzerne verkauft. Experten rechnen in nächster Zeit nicht mit weiteren Marktzutritten, denn die Ertragsquellen der Apotheken sind begrenzt.

Im Jahr 2009 wurde in Schweden das staatliche Apothekenmonopol aufgelöst. Es sollte eine neue Zeit anbrechen, mit einem aufgestockten Versorgungsnetz und mehr Wettbewerb. Bislang scheint das aber nicht so recht zu klappen, zeigt ein aktueller Marktbericht. Nach Recherchen der Außenwirtschaftsagentur der Bundesrepublik Deutschland Germany Trade and Invest (GTAI) hat sich die Anzahl der Apotheken in Schweden bis zum Ende des Jahres 2015 zwar um 46 Prozent auf 1.358 Abgabestellen erhöht, aber es hapert mit der Verteilung. Während die Ketten-Apotheken vor allem in den Innenstädten im urbanen Süden des Landes aus dem Boden schießen, soll sich die Versorgung im nur relativ dünn besiedelten Norden kaum verbessert haben.

Der Ausverkauf der schwedischen Staatsapotheken

Wie fing alles an? Im Zuge der Deregulierung kam ein lebendiges Einkaufs- und Übernahmekarussell in Gang. Gut 200 der einst knapp 930 staatlichen Apoteket-Filialen waren 2009 an die Kapitalgesellschaft Altor veräußert worden. Sie wurden unter dem Namen Apotek Hjärtat weitergeführt. Rund 170 Filialen (Kette Kronans Droghandel, seit 2013 Kronans Apotek) erwarb ein Joint Venture des finnischen Pharmahändlers Oriola-KD mit der Betreibergesellschaft der Coop-Supermärkte Kooperativa Förbundet (KF). Weitere Pakete verleibten sich die Investorengruppe Segulah (Kette Medstop) sowie Priveq Investment Investment and Investor Growth Capital (Kette Vardapoteket i Norden) ein. Rund 150 Apotheker erhielten eine staatliche Unterstützung, um ihre Filialen im Rahmen eines Franchise-Modells selbstständig fortzuführen. Das restliche Drittel der Apotheken verblieb bei Apoteket.

„Fressen und gefressen werden“

Nach der Aufhebung des Fremdbesitzverbotes im Jahr 2013 ließen die Übernahmen nicht lange auf sich warten. Oriola-KD übernahm die 62 Medstop-Apotheken von Segulah. Apotek Hjärtat akquirierte die Kette Vardapoteket i Norden, um später selbst von ICA übernommen zu werden. Dadurch avancierte der Einzelhandelskonzern ICA, dem außerdem die Kette Cura Apoteket gehört, laut GTAI mit einem Anteil von rund 30 Prozent zum wichtigsten privatwirtschaftlichen Player im schwedischen Apothekenmarkt. Die Ketten Apoteket und Apoteksgruppen, Franchises zwischen Staat und Einzelunternehmen, kommen zusammen auf etwa 40 Prozent. Heute vereinigen drei Ketten, die staatliche Apoteket, Apotek Hjärtat und Kronans Apotek, rund drei Viertel des Marktes auf sich. Nach Angaben der Wettbewerbsbehörde Konkurrensverket arbeiten nur 10 bis 15 Pharmazeuten unabhängig, das heißt ohne eine Gruppe im Hintergrund.

Anzahl der schwedischen Apotheken nach Ketten


Apothekenkette 2010 März 2016 
Apotek Hjärtat1 256 -
Apoteket 345 374
Apoteksgruppen 150 173
Cura Apoteket / Apotek Hjärtat (1)     30 395
Kronans Apotek (2) 189 312
Lloyds Apotek (3) 50 80
Medstop (4) 63 -
Vardapoteket (5) 24 -
Andere 15 38
Total 1.122 1.372

(1) Nach der Übernahme von Apotek Hjärtat durch ICA Anfang 2015 wurden die ebenfalls zu ICA gehörenden Cura-Apotheken unter dem Namen Apotek Hjärtat weitergeführt. (2) vormals Kronans Droghandel. (3) vormals DocMorris. (4) 2013 von Oriola-KD übernommen und unter dem Namen Kronans Apotek fortgeführt. (5) 2013 von Apotek Hjärtat übernommen.

Quelle: Sveriges Apoteksförening

Nicht genügend Ertragsquellen

Wie GTAI weiter wissen lässt, rechnen Beobachter in näherer Zukunft nicht mit weiteren Marktzutritten. Die Ertragsquellen der Apotheken seien beschränkt, heißt es, zum einen durch die strenge Reglementierung der Abgabepreise rezeptpflichtiger Medikamente und zum anderen durch die Öffnung des Handels mit einigen OTC-Präparaten. Mehr als 5.000 Supermärkte, Tankstellen oder andere Einzelhändler hätten in Schweden eine Konzession zum Verkauf von OTC-Arzneimitteln, gibt GTAI unter Berufung auf das aktuelle Länderportrait in der Deutschen Apotheker Zeitung an. Apoteket kontere nun mit Abgabeautomaten außerhalb seiner Apotheken für die frei verkäuflichen Präparate.

Den Gesamtumsatz aller Apotheken in 2015 beziffert Germany Trade and Invest mit gut 38 Mrd. Schwedischen Kronen (ca. 4,1 Milliarden Euro). Zwei Drittel davon entfielen auf den Rx-Sektor, 10 Prozent auf OTC-Präparate und 15 Prozent auf Consumer-Care-Produkte.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.