„Erhebliche negative Einflüsse“

ABDA und Ärzte kritisieren geplante EU-Regeln für freie Berufe

Stuttgart - 01.02.2017, 13:00 Uhr

Die EU-Kommission will den Dienstleistungsmarkt in Europa liberalisieren. (Foto: dpa)

Die EU-Kommission will den Dienstleistungsmarkt in Europa liberalisieren. (Foto: dpa)


Mit einem Richtlinien-Paket will die EU-Kommission den Marktzugang innerhalb der Mitgliedsstaaten erleichtern. Apotheker und Ärzte stehen zwar nicht im Fokus der Änderungen, befürchten aber erhebliche negative Auswirkungen, wie die ABDA gegenüber DAZ.online erklärt. Die Bundeszahnärztekammer sieht den „Patientenschutz in Gefahr“.

Um den europäischen Binnenmarkt zu harmonisieren und bürokratische Hürden abzubauen, nimmt sich die EU-Kommission zunehmend den Regularien für die Berufsausübung an. Am 10. Januar stellte sie das so genannte „Dienstleistungspaket“ vor, welches auch die Regeln für den Berufszugang von Ingenieuren, Handwerkern oder IT-Experten vereinfachen soll. Für freie Berufe sollen Änderungen der nationalen Berufsregulierung zukünftig der Kommission angezeigt werden – diese sollen so auf ihre Verhältnismäßigkeit geprüft werden.

In einer Presseerklärung versuchte die Kommission, Kritikern Wind aus den Segeln zu nehmen. „Es geht nicht darum, den Mitgliedstaaten zu sagen, wie sie ihre Berufe reglementieren sollen“, erklärte Richard Kühnel, Vertreter der EU-Kommission in Deutschland. „Wir wollen vielmehr deutschen und anderen europäischen Unternehmen und Freiberuflern die Chance bieten, Dienstleistungen für einen potentiellen Kundenkreis von 500 Millionen Menschen EU-weit anzubieten.“

EU-Kommission würde Patientensicherheit gefährden

Aus der Ärzteschaft folgte schnell erhebliche Kritik. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Europäische Kommission patientenschützende Regeln der Mitgliedsstaaten aufgrund von ökonomischen Erwägungen einer erneuten Verhältnismäßigkeitsprüfung unterziehen will“, erklärte Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), in einer Stellungnahme. Ein solches Vorgehen könne wichtige Maßnahmen zum Schutz der Patienten erheblich verzögern: Auch kleine Änderungen in Weiterbildungsordnungen müssten zukünftig der EU-Kommission gegenüber verteidigt werden. „Wenn die Europäische Kommission dies in Kauf nimmt, ordnet sie die Patientensicherheit den Marktinteressen unter“, bemängelte Montgomery.

Die EU-Kommission suggeriert nach Ansicht des BÄK-Präsidenten, dass bestehende Berufsnormen grenzüberschreitende Tätigkeit verhindern. „Dabei ist das Gegenteil der Fall, wie die hohe Zahl von Ärztinnen und Ärzten beweist, die bereits heute in einem anderen EU-Mitgliedstaat arbeiten“, erklärte Montgomery – und sprach von einer „überflüssigen Gesetzgebung“. Die Kommission versuche „abermals“, die gesundheitspolitischen Kompetenzen der Mitgliedsstaaten zu beschneiden, erklärte er. Dies habe im Juni 2016 auch der Bundestag in seinem Beschluss zur Binnenmarktstrategie festgestellt: Die mitgliedstaatliche Regelungskompetenz für Berufsregelungen dürfe „nicht in Frage gestellt werden“, hatten die Parlamentarier beschlossen.

Die Bundeszahnärztekammer sah in einer Presseerklärung sogar den „Patientenschutz in Gefahr“. Die EU-Kommission stelle nationale Regeln für die Berufsausübung „unter Generalverdacht, ‚Wirtschaftsbremser‘ zu sein“, erklärte Kammerpräsident Peter Engel. Er forderte das Europäische Parlament wie auch die Mitgliedstaaten dazu auf, „hier dringend Korrekturen vorzunehmen“.

ABDA sieht Apothekenrecht „direkt betroffen“

Auf Nachfrage von DAZ.online kritisierte nun auch die ABDA das Dienstleistungspaket stark. „Das Apothekenrecht ist direkt von der Richtlinie zur Verhältnismäßigkeitsprüfung betroffen“, erklärte ein Sprecher. Bei den übrigen Maßnahmen seien Gesundheitsdienstleistungen zwar nicht umfasst, indirekte Auswirkungen seien aber „wahrscheinlich“.  

Daher rechnet die ABDA mit größeren Auswirkungen für Apotheker in Deutschland. „Eine erste überschlägige Einschätzung lässt insgesamt erhebliche negative Einflüsse auf den geltenden Regulierungsrahmen freiberuflicher Dienstleistungen befürchten“, erklärt der Pressesprecher. Die ABDA werde sich daher gemeinsam mit dem Zusammenschluss der Apotheker in der Europäischen Union (ZAEU), den anderen Heilberufen und dem Bundesverband der Freien Berufe „intensiv in den nun folgenden Beratungsprozess einbringen.“

Gesundheitssektor müsse geschützt werden

Im Jahr 2015 hatte sich die ABDA bereits mit Ärzteverbänden und anderen Heilberuflern zusammengetan und gefordert, die Vielfalt des europäischen Gesundheitswesens wie auch die Freiberuflichkeit müssten „bewahrt“ bleiben. Die Erklärung bezog sich insbesondere auf Freihandelsabkommen wie das zwischen den USA und der EU geplante Vertragswerk TTIP – von diesem sollten die Verhandlungsführen den Gesundheitssektor „schützen“, erklärten die Verbände.

„Gesundheitsdienstleistungen sind besonders sensibel, allgemeinwohlbezogen und schützenswert und können nicht mit marktorientierten Dienstleistungen gleichgesetzt werden“, betonten sie. „Mitgliedstaaten der Europäischen Union müssen in Fragen der Gesundheitspolitik und der Ausgestaltung der Gesundheitssysteme ihre Souveränität behalten.“



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

EU Wahnsinn

von Anita Peter am 01.02.2017 um 13:32 Uhr

Was soll dieser EU Wahnsinn? Man kann die Briten, Norweger und Schweizer nur beneiden!

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