BVDVA-Auftragsgutachten

So argumentieren die Versandapotheken gegen das Rx-Versandverbot

Berlin/ Stutgart - 25.01.2017, 07:00 Uhr

EU-ausländische Versandapotheken könnten nach einem Rx-Versandverbot Ansprüche auf Staatshaftung geltend machen – meint Professor Koenig. Der Jurist ist bereits seit dem Jahr 2000 für DocMorris aktiv und stritt für die Niederländer unter anderem gegen das Fremdbesitzverbot – erfolglos. (Foto: dpa)

EU-ausländische Versandapotheken könnten nach einem Rx-Versandverbot Ansprüche auf Staatshaftung geltend machen – meint Professor Koenig. Der Jurist ist bereits seit dem Jahr 2000 für DocMorris aktiv und stritt für die Niederländer unter anderem gegen das Fremdbesitzverbot – erfolglos. (Foto: dpa)


Urteil von 2003 keine „carte blanche“

Doch der Jurist beklagt, dass das Bundesgesundheitsministerium mögliche Alternativen zum Versandverbot gar nicht ausgelotet habe. Es setzt ganz darauf, dass das Versandhandelsverbot zulässig ist. Dabei, so Koenig, habe der EuGH schon 2003 keinesfalls pauschal ein Verbot des Versandhandels im Sinne einer „carte blanche“ zugebilligt. Vielmehr beschränke das erste DocMorris-Urteil die Rechtfertigung eines solchen Verbotes ausschließlich auf die Gesundheitsschutzziele im engeren Sinne. „Gründe des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit oder die Intaktheit des nationalen Gesundheitswesens“, die ein Versandhandelsverbot rechtfertigen könnten, habe der EuGH mangels entsprechender mitgliedstaatlicher Nachweise nicht anerkannt.

Was geben die Zahlen her?

Nach der EuGH-Rechtsprechung müsse im Rahmen der Rechtfertigungsgründe für ein grenzüberschreitendes Rx-Versandverbot ein komplexes „Eignungs-, Kohärenz und Nachweisprogramm“ beachtet werden. Erforderlich sei, „zuverlässige wissenschaftliche Daten“ zu erheben, auf deren Grundlage eine „konkrete Risikoanalyse und Risikobewertung“ vorgenommen werden müsse. Letztlich müssten die Zusammenhänge gerade zwischen Rx-Versand und spezifischen Gesundheitsgefahren ausgemacht werden. Koenig beruft sich auf ABDA-Zahlen, denen zufolge nicht zu erkennen ist, dass der seit 13 Jahren bestehende Versandhandel einen signifikanten Rückgang der absoluten Apothekenzahl bewirkt habe. Erfahrungswerte sprächen dafür, dass selbst bei Boni-Gewährung oder Zuzahlungsnachlass die Preisvorteile einer EU-Versandapotheke durch deren „strukturelle Wettbewerbsnachteile“ gegenüber „Präsenzapotheken“ auch künftig aufgewogen würden.

Stutzig macht im Zusammenhang der „zuverlässigen Daten“, dass Koenig selbst mit fragwürdigen Zahlen jongliert. So verweist er auf eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom, derzufolge es mittlerweile eine hohe Akzeptanz des Rx-Versandhandels gerade bei der besonders relevanten Patientengruppe der über 65-Jährigen gebe: 62 Prozent von ihnen bezögen Medikamente online. Dabei lässt Koenig allerdings außen vor, dass die Umfrage nur unter Internetnutzern durchgeführt wurde. Auch stellt Koenig es als Fakt hin, dass 25 Prozent der verschreibungspflichtigen Rezepturen im Versand bezogen würden, ohne zu erwähnen, dass seine Quelle nur die grobe Schätzung eines einzelnen Apothekers ist, der selber im Arzneimittelversand tätig ist.



Dr. Christian Rotta/Kirsten Sucker-Sket, Redakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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