Entscheidung über EU-Austritt

Britisches Parlament muss über Brexit entscheiden

London - 24.01.2017, 13:29 Uhr

Brexit, quo vadis? Der Künstler Kaya Mar am Dienstag vor dem Supreme Court in London – mit seiner Interpretation der Situation der britischen Premierministerin. (Foto: dpa)

Brexit, quo vadis? Der Künstler Kaya Mar am Dienstag vor dem Supreme Court in London – mit seiner Interpretation der Situation der britischen Premierministerin. (Foto: dpa)


Anders als von der britischen Regierung geplant, muss das Parlament in London über den Ausstieg Großbritanniens aus der EU entscheiden, urteilte das höchste britische Gericht am Dienstag. Mit dem „Brexit“ ergibt sich auch die Frage, ob die Arzneimittelagentur EMA ihren Standort wechseln muss. Anders als Deutschland bewirbt sich Österreich offenbar bereits in Brüssel.

Wie das höchste britische Gericht – der Supreme Court – am Dienstag entschied, muss das Parlament in London über die Erklärung Großbritanniens abstimmen, aus der Europäischen Union (EU) auszutreten. Dabei bestätigten die elf Richter eine frühere Entscheidung des High Court von Ende letzten Jahres. „Jedes andere Vorgehen wäre ein Bruch jahrhundertealter Verfassungsgrundsätze“, erklärte der Vorsitzende Richter Lord Neuberger.

Eine Fondsmanagerin hatte geklagt, die nach eigenen Aussagen zwar den Brexit nicht kippen wollte, jedoch auf eine Abstimmung im Parlament drängte. Die Entscheidung des Gerichts stellt zwar nicht das Referendum vom 23. Juni 2016 infrage, doch könnte sie dennoch die Premierministerin Theresa May unter Druck bringen: Einerseits könnte ihr zeitlicher Fahrplan durcheinandergeraten, denn die Auslösung des Austritts war für Ende März geplant – und die britische Regierung könnte auf Druck des Parlaments den Brexit weniger hart gestalten, als May es bislang offenbar vorhatte.

Schottland darf nicht mitsprechen

Nach der Urteilsverkündung erklärte ein Sprecher Mays in London, dass die Regierung versuchen wolle, am Zeitplan festzuhalten. Immerhin einen Stein räumte ihr das höchste Gericht des Vereinigten Königreiches aus dem Weg: Schottland, Wales und Nordirland haben beim „Brexit“ kein Mitspracherecht, entschieden die Richter.

Auf Twitter begrüßte Labour-Chef Jeremy Corbyn die Entscheidung des Gerichts, dass das Parlament einzubeziehen ist. Er kündigte an, mögliche Pläne Mays verhindern zu wollen, Großbritannien nach dem Brexit zu einem „Steuerparadies“ zu machen.  

Österreich überholt Deutschland bei EMA-Ambitionen

Wie der Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig) kürzlich bekannt gegeben hatte, arbeitet derzeit die österreichische Regierung daran, eine offizielle Bewerbung der Hauptstadt Wien als zukünftigen Standort für die europäische Arzneimittelagentur EMA nach Brüssel zu schicken. Grund: Nach einem Ausstieg Großbritanniens aus der EU bedürfte es Sondergesetze, um die bislang in London ansässige Behörde in der britischen Hauptstadt zu belassen. Laut Pharmig werde die Bewerbung in diesen Tagen abgeschickt.

Wien als EMA-Sitz sei eine „einmalige Chance zur Stärkung des Wirtschafts- und Forschungsstandortes Österreich“, bekräftigte der Verband frühere Forderungen. „Deshalb unterstützen wir die Bemühungen der Politik, die EMA nach Wien zu holen, aus vollen Kräften", bekräftigt Pharmig-Präsident Martin Munte. Die Stadt sei „geradezu prädestiniert“, erklärte der Verband: „Angefangen von der extrem hohen Lebensqualität und der zentralen Lage in Europa, über die Verfügbarkeit von top-qualifizierten Arbeitskräften bis hin zu einer sehr guten Zusammenarbeit im Gesundheitswesen zwischen Universitäten, Industrie und Behörden.“

Aufgrund gleichfalls intensiver Bemühungen anderer EU-Mitgliedsländer wie Italien, Schweden oder Deutschland bedürfe es eines starken, politischen Bekenntnisses sowie eines „nationalen Schulterschlusses“, erklärte Munte. „Wir begrüßen daher ausdrücklich die gemeinsamen Anstrengungen der österreichischen Bundesregierung in diesem Bereich.“

Gröhe wartet ab

In Deutschland hatte sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) für das Rheinland als neuen EMA-Standort stark gemacht, die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) für München und SPD-Abgeordnete aus dem Saarland für Saarbrücken – und auch Berlin ist im Gespräch.

Auf Nachfrage von DAZ.online hieß es nun aus dem Gesundheitsministerium, eine Bewerbung werde noch nicht vorbereitet. „Für uns gilt weiterhin: Wir warten den Austritt Großbritanniens ab“, erklärte eine Sprecherin Gröhes. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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