Neu erschienen: Der Roman „Fassade“

Apothekerin entlarvt ein Familiengeheimnis

Stuttgart - 23.01.2017, 11:34 Uhr

Im Haus ihrer ehemaligen „Apotheke am Eugensplatz“ in Stuttgart
ist heute eine „Apotheke“ anderer Art, eine Tagesbar mit Café. (Foto: Reinhild Berger)

Im Haus ihrer ehemaligen „Apotheke am Eugensplatz“ in Stuttgart ist heute eine „Apotheke“ anderer Art, eine Tagesbar mit Café. (Foto: Reinhild Berger)


Die Apotheke existiert nur noch als Fassade

Wer Berichte über Nazideutschland und den Zweiten Weltkrieg von den eigenen Eltern oder Großeltern kennt, wird in diesem Buch auf Aussagen stoßen, die Nachdenklichkeit auslösen und vielleicht neue Fragen aufwerfen. Längst nicht alle Fragen, schon gar nicht die ganz persönlichen, die sich auf die Rolle der eigenen Familie beziehen, sind für die Nachkriegsgeneration beantwortet. Eltern und Großeltern haben vielleicht zu Recht viele ihrer Erlebnisse und Gedanken mit ins Grab genommen. Doch vielleicht hat es ja in der eigenen Familie Parallelen gegeben zu dem Geschehen, das Kollegin Ulrike Weiss schildert? Ich jedenfalls bin bei der Lektüre ihres Romans tief eingetaucht in meine eigene Erinnerungswelt und habe in meinem Kopf abgelegte Erzählungen aus meiner Kindheit noch einmal in neuem Licht gesehen.

(Foto: Reinhild Berger)

Ulrike Weiss erfährt in den allerersten Rückmeldungen zum Buch, wie erstaunlich stark ihre Geschichte die Leserinnen und Leser berührt, insbesondere die Generation der „Schwellenkinder“, die kurz vor, während oder kurz nach dem Kriegsende geboren wurden. „Irgendetwas scheint diesen Menschen zu fehlen, oft unbewusst, was beim Lesen des Buchs plötzlich ins Bewusstsein dringt“, so formuliert sie es. Ich muss ihr Recht geben. Es ist, als ob eine Fassade, die sich manch einer vor die Vergangenheit gebaut hat, mächtig aufbricht.

Die Apotheke, die Ulrike Weiss mit ihrer Kollegin in einer OHG einst geleitet hat, existiert übrigens ebenfalls nur noch als Fassade: In ihren ehemaligen Räumen hat seit Kurzem eine „Tagesbar und Café“ eröffnet. Der Name des gastronomischen Betriebs ist „Apotheke“. Außen an der Tür hängt noch der alte, mit Schildern bestückte Nachtdienstkasten. Das unter Denkmalschutz stehende Haus hat sich von seiner alten Rolle noch nicht verabschiedet. Im Inneren schmückt der Gastraum sich mit einem ganz großen A, natürlich nicht rot im gotischen Stil, aber doch erkennbar ein Hinweis auf die ehemalige Apotheke. Loriot-Fans sollten hier unbedingt einmal einkehren: Denn Vicco von Bülow hat einige Jahre im dritten Stock des „Apotheken“-Hauses gelebt. Eine Gedenktafel am Haus und eine unübersehbare Säule, auf der ein Mops thront, erinnern daran.

Mein Tipp: Lesen Sie das Buch – auf eine Kollegin als Romanautorin trifft man nicht alle Tage! Und besuchen Sie das Café „Apotheke“, wenn Sie der Weg nach Stuttgart führt.


Fassade – Wenn ich tot bin, werde ich reden

Südwestbuchverlag Waiblingen

von Ulrike Weiss
360 Seiten
Preis: 14,80 Euro 

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Tagesbar „Apotheke“

Haußmannstraße 1
70188 Stuttgart
Haltestelle U15 „Eugensplatz“



Autorin:

Apothekerin Reinhild Berger, frühere Chefredakteurin der PTAheute



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