Wie reagiert Pharma auf Trump?

Das große Abwarten

Stuttgart - 20.01.2017, 16:00 Uhr

Die Maskenindustrie dürfte boomen – doch was muss die Pharmaindustrie vom neuen US-Präsidenten Donald Trump erwarten? (Foto: dpa)

Die Maskenindustrie dürfte boomen – doch was muss die Pharmaindustrie vom neuen US-Präsidenten Donald Trump erwarten? (Foto: dpa)


Der neue US-Präsident Donald Trump hat in den vergangenen Wochen kräftig ausgeteilt – am heutigen Freitag wird er vereidigt. Trump drohte mit Importzöllen und steuert auf einen protektionistischen Kurs zu. Auch die Pharmaindustrie bekam bereits ihr Fett weg: Trump kritisierte hohe Preise. Europäische Firmen geben sich trotz des Getöses bislang unbeeindruckt, wie eine Umfrage von DAZ.online ergeben hat.

Donald Trumps Politikstil ist in den vergangenen Wochen mehr als deutlich geworden: Mit seinen 140-Zeichen-Äußerungen via Twitter hat sich der neue US-Präsident zu grundlegenden Themen geäußert. Seine Aufrufe „zuerst Amerika“ und die Androhung hoher Importzölle lassen auf eine deutlich protektionistischere Wirtschaftspolitik schließen.

Auch die Gesundheits- und Pharmabranche bekam bereits einen Vorgeschmack von den Ansichten des Immobilienmoguls, der nun als spätgeborener Politiker ins Weiße Haus einzieht. Die von Barack Obama eingeführte Krankenversicherung für alle – auch Obamacare genannt – will er aufweichen oder gar ganz abschaffen. Darüber hinaus kritisierte Trump bei seiner ersten Pressekonferenz nach der Wahl die Preispolitik der Pharmaindustrie scharf und schürte damit die Angst vor Ertragseinbußen im weltgrößten Gesundheitsmarkt. Die Aktienkurse von Pharmaunternehmen gaben spürbar nach.

Das lässt auch für die deutsche und europäische Pharmabranche nichts Gutes erwarten. Doch dort hält man sich erstmal bedeckt, duckt sich und wartet ab, welche Richtung Trumps Politik tatsächlich nimmt. So teilt ein Sprecher des dänischen Pharmakonzerns Lundbeck auf Anfrage von DAZ.online mit, dass es reine Spekulation wäre, Fragen zur künftigen Pharmapolitik Trumps und deren mögliche Folgen zu beantworten.

Bayers Ambivalenz

Auch bei Bayer will man keinen Kommentar zur möglichen Entwicklung von Trumps Pharmapolitik und potenzielle Auswirkungen auf den Leverkusener Konzern geben. Zu früh, zu unklar, lässt ein Sprecher durchblicken. Dabei war Konzernchef Werner Baumann erst kürzlich gemeinsam mit Monsanto-Boss Hugh Grant zu Trump in dessen „Trumptower“ gereist, wohl um sich dessen Zustimmung zur geplanten Übernahme des US-Agrokonzerns durch Bayer zu sichern. Anschließend hieß es, Bayer und Monsanto hätten Milliardeninvestitionen und neue High-Tech-Jobs in den USA angekündigt. Beim Landwirtschaftsgeschäft scheint sich Bayer also bereits intensiv um Trumps Gunst zu bemühen – bei Pharma nicht? 

Auch Roche betont hohe Investitionen in den USA

Der Schweizer Pharmakonzern Roche lässt immerhin verlauten, den Dialog auch mit der neuen US-Regierung fortsetzen zu wollen. Gleichzeitig weist man in Basel darauf hin, dass Roche von den über neun Milliarden Schweizer Franken, die man jedes Jahr in Forschung und Entwicklung investiere, einen großen Anteil in den USA einsetze. „Beispielsweise investieren wir mehr als 400 Millionen Dollar in den Ausbau einer Produktionsanlage in den USA. Nach Abschluss der Erweiterung wird die größte biotechnologische Produktionsanlage der Welt in Kalifornien entstehen.“

AstraZeneca blickt nach vorne

Etwas konkreter wird mit Blick auf die politische Zeitenwende in den USA der in London ansässige Pharmariese AstraZeneca: „Wir möchten an Lösungen mitarbeiten, die freie und wettbewerbsorientierte Märkte stärken und für Patienten einen erschwinglichen Zugang zur Gesundheitsvorsorge sicherstellen“, erklärt eine für die Region Deutschland, Österreich und Schweiz zuständige Sprecherin gegenüber DAZ.online.

Darüber hinaus wagt man bei AstraZeneca einen Blick in die Zukunft: „Im Zuge der nächsten möglichen Schritte, die der US-Kongress und die Verwaltung im Rahmen der Gesundheitsreform festlegen, wäre es denkbar, dass den einzelnen Bundestaaten mehr Flexibilität in der Gestaltung von Kranken- und Sozialversicherungsmodellen eingeräumt wird“, erläutert sie. „Wir unterstützen diesen Ansatz unter der Voraussetzung, dass Leistungspläne den Wettbewerbsmarkt nicht einschränken und den erschwinglichen Zugang zu Medikamenten sichern.“

Merck-Chef unbeeindruckt

Weitgehend unbeeindruckt von Trumps bisherigen Äußerungen gibt sich hingegen Stefan Oschmann, Vorstandsvorsitzender des Darmstädter Pharmakonzerns Merck. „Die Vereinigten Staaten werden in der Zukunft nicht das Paradies für die pharmazeutische Industrie sein, sie werden aber auch nicht die Hölle werden“, zitierte ihn kürzlich die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Und in der Tageszeitung „Die Welt“ sagte Oschmann mit Blick auf Trumps Kritik an hohen Arzneimittelpreisen: „Ich habe da keine Panik.“ Die Äußerungen seien vermutlich eher gegen die jüngsten Skandale im Bereich der Generika gerichtet gewesen. In diesem Geschäft sei Merck überhaupt nicht aktiv.

Europäische Pharmaverbände halten sich zurück

Ähnlich wie bei vielen befragten Pharmaunternehmen herrscht auch auf Verbandsebene überwiegend Schweigen bis hin zu Ratlosigkeit. So meint eine Sprecherin des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI), dass die bisherigen Aussagen Trumps in erster Linie die amerikanische Innenpolitik beträfen. Hat man dort Trumps Rufe in Richtung deutscher Automobilindustrie, China oder Mexiko nicht wahrgenommen? Der europäische Pharmaverband Efpia wagt sich immerhin mit dem allgemein gültigen Statement aus der Deckung, dass „wir mehr als vorbereitet sind, um mit unseren US-Partnern zusammenzuarbeiten – so wie immer.“

Der deutsche Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) verweist seinerseits auf Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer, die verlangt, dass Preisverhandlungen für Medikamente fair und nach nachvollziehbaren Kriterien ablaufen sollten. Im Übrigen glaube sie an einen fairen ‎internationalen Standortwettbewerb und vertraue auf die Stärken des ‎pharmazeutischen Produktionsstandortes in Deutschland. Zumindest die öffentlichen Aussagen klingen nicht danach, als beschäftige man sich ernsthaft mit einer möglichen Änderung von Rahmenbedingungen im internationalen Pharmageschäft – hinter den Kulissen mag dies anders aussehen.

Was kommt auf die Pharmafirmen zu?

Zwar mögen manche in der europäischen Pharmabranche darauf setzen, dass Trumps Ankündigungen in der Realität letztlich nicht so strikt umgesetzt werden. Andererseits wäre zu erwarten, dass die Unternehmen und Verbände zumindest Überlegungen anstellen, wie sie reagieren könnten und würden, wenn Trump auch die Pharmaindustrie per Twitter auffordert, künftig verstärkt in den USA zu produzieren, Zölle für Arzneien einführt oder die Preise für medizinische Wirkstoffe deckeln möchte. Denn immerhin geht es um viel Geld: Die USA sind unverändert der weltweit größte Pharmamarkt, wie auch die Efpia bestätigt.

Spendengelder von Boehringer-Mitarbeitern gingen an Trump und Clinton

Boehringer Ingelheim weist beispielsweise darauf hin, dass der Konzern auf dem US-amerikanischen Markt mehr als ein Drittel des Umsatzes erwirtschafte. Boehringer betreibt nach eigenen Angaben in den USA ein so genanntes Political Action Committee (PAC) – genannt BICPAC. „Das BICPAC verwendet Gelder, die im Rahmen der Wahlen für das US-Repräsentantenhaus beziehungsweise den US-Senat freiwillig von berechtigten Mitarbeitern zur Unterstützung jener Kandidaten gespendet werden, welche die Interessen der Mitarbeiter von Boehringer Ingelheim zu öffentlichen Themen mit Auswirkungen auf unser Geschäft teilen“, so ein Sprecher auf Anfrage von DAZ.online. Das BICPAC habe im Präsidentschaftswahlkampf sowohl die Demokraten als auch die Republikaner zu gleichen Teilen mit finanziellen Zuwendungen bedacht, betont Boehringer Ingelheim.

Ältere Amerikaner machen Druck

Deutlich stärker als die europäischen Pharmaunternehmen- und verbände erhebt dagegen die US-Organisation älterer Amerikaner, die American Association of Retired Persons (AARP), ihre Stimme gegenüber Trump. Sie hat ihm, mit 70 Jahren auch nicht mehr ganz jung, einen gesundheitspolitischen Forderungskatalog vorgelegt. Darin verlangt AARP-Chefin Jo Ann Jenkins, dass die staatliche Krankenkasse Medicare geschützt werden solle und der Zugang zu bezahlbarer Gesundheitsversorgung sowie verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gesichert werden müsse. „Während Ihres Wahlkampfes unterschieden sich Ihre Aussagen zu den Themen Gesundheit und finanzielle Sicherheit von denen vieler anderer Kandidaten“, so Jenkins. „Nun, da Sie das Präsidentenamt übernehmen, erwarten die älteren Amerikaner, dass die Kosten nicht steigen und für sie wichtige Gesundheitsprogramme erhalten bleiben.“

Soviel Selbstbewusstsein fehlt diesseits des Atlantiks. Europas Pharmaindustrie beschränkt sich erstmal aufs Beobachten. So weist Boehringer Ingelheim darauf hin, dass nicht allein Trumps Äußerungen entscheidend sein werden, sondern das, was letztendlich Gesetz wird. „Die konkrete Ausgestaltung werden wir erst später im Laufe des Jahres 2017 analysieren und bewerten können“, erklärt ein Sprecher. „Von daher werden wir die US-Gesundheitspolitik natürlich weiterhin im Auge behalten.“



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

ERFOLG???

von Orhon am 23.01.2017 um 10:40 Uhr

Wenn ein Erfolg von 50% Reduzierung eines HCV Präparates in einem Jahr kommen würde,wäre es ein Erfolg.
Barbaros Orhon,Löningen

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