Neue Gesetze

Das müssen Apotheker bei Medizinprodukten nun beachten

Berlin - 17.01.2017, 17:50 Uhr

Nicht nur in der Apotheke „betreiben“ Apotheker Medizinprodukte. (Foto: ABDA)

Nicht nur in der Apotheke „betreiben“ Apotheker Medizinprodukte. (Foto: ABDA)


Neue Qualifizierungsanforderungen, gesonderte Beauftragte für Medizinproduktesicherheit und Qualitätssicherung: Zu Anfang des Jahres hat sich im Bereich Medizinprodukte einiges geändert. Der Fachjournalist und frühere Mitarbeiter im Bundesgesundheitsministerium Gert Schorn fasst die Änderungen für DAZ.online zusammen.

Apotheken geben nicht nur Arzneimittel und Medizinprodukte ab, sie betreiben sie auch und wenden sie bei Kunden und Patienten an. So zum Beispiel bei Blutzucker- oder Cholesterinmessungen, Großen Bluttests, beim Messen des Blutdrucks oder Verleihung von Gehhilfen. Die Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Betreiberverordnung – MPBetrV) wurde auch in dieser Hinsicht wesentlich geändert und muss in der neuen Fassung ab dem 1. Januar 2017 angewendet werden. Somit muss der Apotheker zum Betreiben nicht nur in die Apothekenbetriebsordnung sondern nun auch vermehrt in die Medizinprodukte-Betreiberverordnung sehen.

Dabei wurde auch die bisherige Nummerierung der Paragrafen geändert. Die aktuelle Fassung der MPBetrV ist auch unter www.medizinprodukte-journal.de zu finden. 

Schwerpunkte der neuen Regelungen betreffen den Anwendungsbereich, die Begriffsbestimmung zu Betreiberpflichten und die Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten sowie die Bestimmung eines Beauftragten für Medizinproduktesicherheit. Vorkommnisse mit Medizinprodukten haben die Notwendigkeit aufgezeigt, zur Sicherheit des Patienten in größeren Apotheken einen zentralen Ansprechpartner zur Verfügung zu stellen. Die Fristen für sicherheits- und messtechnische Kontrollen in Bezug auf bestimmte Produkte werden unabhängig von den Angaben des Herstellers festgesetzt.

Medizinprodukte werden zunehmend vom Patienten angewandt

Der Anwendungsbereich der Verordnung gilt für das Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten im Sinne des Medizinproduktegesetzes einschließlich der damit zusammenhängenden Tätigkeiten. Es gilt, auch das Medizinproduktegesetz (MPG) zu beachten, dessen §§ 14 und 31 Abs. 4 gleichfalls zum 1 Januar 2017 geändert wurden. Anders als früher ist es heute üblich, dass Medizinprodukte wie beispielsweise Blutdruckmessgeräte auch ohne ärztliche Veranlassung gekauft und durch den Patienten an sich selbst oder an Familienangehörigen angewendet werden.

Da dieser höchstpersönliche Bereich staatlicher Kontrolle entzogen sein soll, gilt dort die MPBetreibV ebenfalls nicht. Das gilt allerdings nicht für Medizinprodukte, die medizinisch indiziert sind und aufgrund einer schriftlichen Verordnung eines Arztes oder Zahnarztes bereitgestellt und im privaten Umfeld angewendet werden.

Inwiefern „betreiben“ Apotheker Medizinprodukte?

Betreiber eines Medizinproduktes ist jede natürliche oder juristische Person, die für den Betrieb der Gesundheitseinrichtung, zu der auch die Apotheken zählen, verantwortlich ist, in der das Medizinprodukt zur Anwendung bereitgehalten, durch dessen Beschäftigte betrieben oder angewendet wird. Ein Apotheker als verantwortlicher Betreiber muss nicht selbst Produkte anwenden oder am Patienten beziehungsweise Kunden einsetzen. Die Pflichten eines Betreibers gelten auch in den Fällen, wenn das Medizinprodukt dem Patienten geliehen oder von Apothekenpersonal am Patienten außerhalb der Apotheke angewendet wird – beispielsweise zuhause oder im Pflegeheim.

Sofern ein Patient ein ihm überlassenes Medizinprodukt für den Aufenthalt in einer Gesundheitseinrichtung mitnimmt, verbleiben die Betreiberpflichten bei dem Versorgenden beziehungsweise dem Bereitstellenden, somit auch bei der Apotheke. Ein Krankenhaus oder eine Pflegeeinrichtung wird als aufnehmende Gesundheitseinrichtung einem solchen Fall nicht Betreiber des mitgebrachten Medizinproduktes. Medizinprodukte dürfen nur von Personen betrieben oder angewendet werden, die die dafür erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Erfahrung besitzen. 

Besondere Anforderungen

Es ist darauf zu achten, dass Medizinprodukte, deren Zubehör einschließlich Software und anderer Gegenstände nur verbunden miteinander verwendet werden dürfen, wenn sie zur Anwendung in dieser Kombination unter Berücksichtigung der Zweckbestimmung und der Sicherheit der Patienten, Anwender, Beschäftigten oder Dritten geeignet sind.  

Sofern für eine Tätigkeit nach dieser Verordnung besondere Anforderungen vorausgesetzt werden, dürfen nur entsprechend qualifizierte Personen diese Tätigkeit durchführen. Erstens müssen sie hinsichtlich der jeweiligen Tätigkeit über aktuelle Kenntnisse aufgrund einer geeigneten Ausbildung und einer einschlägigen beruflichen Tätigkeit verfügen, zweitens müssen sie hinsichtlich der fachlichen Beurteilung keiner Weisung unterliegt – damit nach einer Feststellung eines Mangels nicht ein Chef die Weisung erteilen kann, diesen Mangel nicht zu berücksichtigen. Und drittens müssen die Personen über die Mittel verfügen – insbesondere über Räume, Geräte und sonstigen Arbeitsmittel wie geeignete Mess- und Prüfeinrichtungen – die erforderlich sind, die jeweilige Tätigkeit ordnungsgemäß und nachvollziehbar durchzuführen. 

Wann ist ein Beauftragter für Medizinproduktesicherheit erforderlich?

Da sich die Funktion des Sicherheitsbeauftragten beim Hersteller grundsätzlich bewährt hat, soll eine vergleichbare Funktion eines zentralen Ansprechpartners auch in Gesundheitseinrichtungen etabliert werden. Für diese Funktion ist nach vorliegenden Erkenntnissen in der Regel kein zusätzliches Personal in den Einrichtungen erforderlich, da die Verpflichtungen, die sich für Betreiber und Anwender aus den nationalen Medizinprodukteverordnungen ergeben, schon heute bestehen. Im Kern geht es lediglich darum, diese Aufgaben auf eine Person zu bündeln. Dies ist aus Gründen der Verbesserung der Patientensicherheit dringend erforderlich.

Apotheken mit mehr als 20 Beschäftigten müssen einen Beauftragten für Medizinproduktesicherheit (Sicherheitsbeauftragter) als zentralen Ansprechpartner bestimmen. Sofern die Funktion gegenwärtig bereits durch eine Person wahrgenommen wird, ist diese Funktion lediglich innerhalb und außerhalb der Gesundheitseinrichtung als zentraler Ansprechpartner bekannt zu machen. Da bei kleineren Einrichtungen von einer übersichtlichen Organisationsstruktur auszugehen ist, können diese von dieser Vorschrift ausgenommen werden. Der Sicherheitsbeauftragte muss eine sachkundige und zuverlässige Person mit medizinischer, naturwissenschaftlicher, pflegerischer, pharmazeutischer oder technischer Ausbildung sein.

Kontakt und Koordinierung

Der Beauftragte für Medizinproduktesicherheit nimmt als zentrale Stelle in der Gesundheitseinrichtung mehrere Aufgaben für den Betreiber wahr. Einerseits übernimmt er die Aufgaben einer Kontaktperson für Behörden, Hersteller und Vertreiber im Zusammenhang mit Meldungen über Risiken von Medizinprodukten sowie bei der Umsetzung von notwendigen korrektiven Maßnahmen. Andererseits koordiniert er interne Prozesse der Gesundheitseinrichtung zur Erfüllung der Melde- und Mitwirkungspflichten der Anwender und Betreiber – wie auch die Umsetzung korrektiver Maßnahmen und der Rückrufmaßnahmen.

Die Apotheke hat sicherzustellen, dass eine Funktions-E-Mail-Adresse des Beauftragten für die Medizinproduktesicherheit auf ihrer Internetseite bekannt gemacht ist. Diese gesonderte E-Mail-Adresse soll es den Behörden und Herstellern erleichtern, einen Ansprechpartner in der jeweiligen Einrichtung zu finden. Aus Gründen des Datenschutzes reicht es aus, wenn eine Funktions-E-Mail-Adresse auf der Internetseite der Einrichtung bekannt gemacht wird.

Schnelle Weitergabe von Informationen

Dadurch wird sichergestellt, dass zum Beispiel sicherheitsrelevante Informationen an der zuständigen Stelle in der Gesundheitseinrichtung eingehen und diese unverzüglich die betroffenen Adressaten informiert. Urlaubsbedingte oder sonstige Abwesenheiten des Beauftragten sind mit einer Funktions-E-Mail-Adresse problemlos zu bewältigen.

Der Betreiber darf mit der Instandhaltung und Aufbereitung nur Personen, Betriebe oder Einrichtungen beauftragen, die entweder selbst oder über ihre Beschäftigte, die die Instandhaltung und Aufbereitung durchführen, die Voraussetzungen hinsichtlich des jeweiligen Medizinprodukts erfüllen.

Qualitätssicherungssystem für medizinische Laboratorien

Wer laboratoriumsmedizinische Untersuchungen, wie zum Beispiel Blut- oder Urinuntersuchungen, durchführt, hat vor Aufnahme dieser Tätigkeit ein Qualitätssicherungssystem nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik einzurichten. Dies soll die erforderliche Qualität, Sicherheit und Leistung bei der Anwendung von In-vitro-Diagnostika gewährleisten und die Zuverlässigkeit der damit erzielten Ergebnisse sicherstellen. Eine ordnungsgemäße Qualitätssicherung wird vermutet, wenn Teil A der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (Deutsches Ärzteblatt, Jg. 111, Heft 38 vom 19. September 2014, S. A 1583) beachtet wird.

Medizinproduktebuch ist nicht immer nötig

Für die in den Anlagen 1 und 2 der MPBertrV aufgeführten Medizinprodukte hat der Betreiber ein Medizinproduktebuch nach den Vorgaben der Verordnung zu führen. Dies gilt nicht für elektronische Fieberthermometer als Kompaktthermometer und Blutdruckmessgeräte mit Quecksilber- oder Aneroidmanometer zur nichtinvasiven Messung. Inwieweit ein Apotheker Produkte der oben angeführten Anlagen betreibt beziehungsweise anwendet, muss er in den oben angeführten Anlagen prüfen; er dürfte jedoch nur selten betroffen sein. Diese Prüfung der Anlagen hat auch hinsichtlich der möglichen Führung eines Bestandsverzeichnisses (Auflistung hinsichtlich von Fristen für sicherheitstechnische Kontrollen) zu erfolgen. Sofern ein Betreiber vor dem 1. Januar 2017 ein Medizinproduktebuch in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung begonnen hat, darf er dieses als Medizinproduktebuch im Sinne der neuen MPBetrV in der am 1. Januar 2017 geltenden Fassung in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung der Verordnung weiterführen. 

Eventuell auch messtechnische Kontrollen erforderlich

Der Betreiber hat für die in der Anlage 2 der MPBetrV aufgeführten Medizinprodukte nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik messtechnische Kontrollen durchzuführen oder durchführen zu lassen. Eine ordnungsgemäße Durchführung der messtechnischen Kontrollen wird vermutet, wenn der Leitfaden zu messtechnischen Kontrollen von Medizinprodukten mit Messfunktion der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt beachtet wird.

Der Leitfaden wird in seiner jeweils aktuellen Fassung auf der Internetseite der Physikalisch-Technischen bekannt gemacht. Durch die messtechnischen Kontrollen wird festgestellt, ob das Medizinprodukt die zulässigen maximalen Messabweichungen (Fehlergrenzen) einhält, die in dem entsprechenden Leitfaden angegeben sind.



Diesen Artikel teilen:


5 Kommentare

Sicherheit

von Karl Friedrich Müller am 20.01.2017 um 13:10 Uhr

Wenn Sie die presse verfolgt haben in der letzten zeit, wird Ihnen nicht entgangen sein, dass beispielsweise bei

Hüftgelenksprothesen
Silikonkissen
Herzschrittmachern

Produkte, vor allem großer internationaler (amerikanischer) Firmen mit erheblichen Mängeln "verbaut" wurden, die zu erheblichem Leid bei den Betroffenen führte.
Produkte, die man mit den gleichen Mängeln mit Schmiergeld problemlos in östlichen Ländern zertifizieren konnte. Es wird auch nichts geprüft,, nur die Aktenlage sondert.

Die Ärzte waren selbstverständlich nicht verantwortlich.
Ich halte, trotz Ihres Einwands, der berechtigt ist, die Regelung für ein Feigenblatt, für vorgaukeln von Sicherheit.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Medizinprodukteskandal

von Karl Friedrich Müller am 19.01.2017 um 22:31 Uhr

Ein schlechter Witz. Von der Zulassung, Anwendung usw keine Kontrolle. Hersteller kaufen sich für Geld Zulassungen im Ostblock. Schlechte Hüftprothesen u a kommen auf den Markt, die Hersteller stehlen sich aus der Verantwortung.
Aber in der Apotheke einen "Beauftragten"
Der Irrsinn geht weiter.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Medizinprodukteskandal

von Dr. Gert Schorn am 20.01.2017 um 11:12 Uhr

Da sehen Sie sich doch mal das europäische und deutsche Medizinprodukterecht an. Diese Produkte müssen "zugelassen" werde, der Import und der Handel werden von Behörden überwacht, Mängel müssen an zuständige Behörde gemeldet werden, die die geeigneten Schritte veranlassen. Ist sehr oft geschehen: Blick auf die Website des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Zudem der "Beauftragte" in der Apotheke ist letztendlich einer, der sowieso sich mit dem Thema befasst oder Chef selbst. Der Apotheker ist auch ohne diese neuen Regelungen für die Sicherheit seiner Produkte verantwortlich wie es u.a. im AMG und seit langem geltenden Apothekenrechts steht: Arzneimittel wie auch Medizinprodukte. Zudem gehört das zum Image der Apotheke beim Kunden und in der Politik. Außerdem: läuft es bei den Arzneimitteln immer so klasse? Blick in die Fach- und allgemeine Presse reicht!!!

Das müssen Apotheker bei Medizinprodukten nun beachten

von Quatsch mit Soße am 18.01.2017 um 11:10 Uhr

Auf die Frage was möchtest Du lieber?
A) Die in der Knastdusche nach einem Stück Seife bücken, oder
B) Weiterhin Apotheker sein?

Antworte ich DEUTLICH mit A!!!!!!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Das müssen Apotheker bei

von Dr. Gert Schorn am 20.01.2017 um 11:54 Uhr

Was heißt Quatsch mit Soße. Genauer hinsehen und dann schmeckt dies besser: Die Medizinprodukte-Betreiberverordnung wurde nicht speziell für Apotheken geschrieben. Apotheken sind nicht Kern der Zielgruppe, sondern viele andere, die für den Schutz des Patienten zu sorgen haben wie Sanitätshäuser, Pflegestationen. Im Übrigen muss jede einzelne Apotheke mehr als 20 Beschäftigte haben, bevor die Regelung greift. Im Apotheken-Mehrbesitz werden die Beschäftigten nicht addiert, sondern jede Apotheke zählt für sich! Wie viele Dorfapotheken aber auch Apotheken mit anderen Standorten haben mehr als 20 Beschäftigte?

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.