Klinische Studien

Europa kämpft um seinen Status

13.01.2017, 15:30 Uhr

Trotz gut gefüllter Entwicklungspipelines der Unternehmen, liegt die Zahl klinischer Versuche in Europa auf einem schwachen Niveau. (Foto: Robert Kneschke / Fotolia)

Trotz gut gefüllter Entwicklungspipelines der Unternehmen, liegt die Zahl klinischer Versuche in Europa auf einem schwachen Niveau. (Foto: Robert Kneschke / Fotolia)


Studien sollen Ethnienvielfalt abbilden

Es ist allerdings nicht ungewöhnlich, dass Studien international ausgerichtet werden. Da Arzneimittel meist weltweit vermarktet werden, fordern Fachleute, dass die auch klinischen Tests die Geschlechter- und Ethnienvielfalt abbilden. Das ist aber längst nicht immer der Fall. In einem Beitrag des Fachmediums PLOS Medicine Ende 2015 warnten die Autoren davor, in Arzneimitteltests die ethnischen und populationsgenetischen Unterschiede der Bevölkerung zu ignorieren. „Damit wird eine wissenschaftliche Chance vertan, die helfen würde, die Ursachen für Krankheit und Gesundheit zu verstehen.“ Das Fachmedium Eye for Pharma weist seinerseits darauf hin, dass in den USA schwarze Amerikaner 13,2 Prozent der Bevölkerung und Hispanics 16 Prozent ausmachten, diese Gruppen aber nur zu fünf beziehungsweise einem Prozent in klinischen Tests vertreten seien. Ähnlich unterrepräsentiert sind offenbar auch Frauen. Laut Ann Van Dessel, Senior Vice President und Global Head of Clinical Operations beim Pharmaunternehmen Janssen, könnten Schwangerschaften und Stillzeiten mögliche Gründe dafür sein. Insgesamt, so Eye for Pharma, sei es eine Tatsache, dass Minderheiten, Frauen, arme Menschen und ältere Personen in klinischen Studien unterrepräsentiert sind. Das Medium zitiert FDA-Kommissar Robert Califf: „Es ist ein komplexer Prozess, die Ergebnisse klinischer Tests in die Praxis zu übertragen. Es ist aber anerkannt, dass eine auf einer breiten Population angelegte klinische Studie das Vertrauen bei den Zulassungsbehörden, Ärzten und Entscheidungsträgern steigert und erwarten lässt, dass sich die Ergebnisse der Studie auch in der Praxis zeigen.“ Offenbar haben diese Fakten auch die US-Arzneimittelbehörde FDA hellhörig gemacht – das Jahr 2016 hatte sie zum „Jahr der Diversität in klinischen Studien“ ernannt.

Niedrigere Studienkosten in Schwellenländern

Allerdings spielen laut PublicEye.ch vielfach auch strategische und finanzielle Überlegungen der Pharmaunternehmen eine wesentliche Rolle, dass klinische Studien zunehmend auch außerhalb Europas oder der USA durchgeführt werden. Um Zugang zu neuen Märkten zu bekommen und die Kosten niedrig zu halten, würden viele Unternehmen ihre klinischen Versuche vermehrt in Entwicklungs- und Schwellenländer verlagern. Tatsächlich entfallen fast 59 Prozent der Entwicklungskosten neuer Arzneimittel auf klinische Tests. Jährlich gibt die Pharmaindustrie schätzungsweise 80 bis 90 Milliarden Dollar für klinische Versuche aus, das entspricht etwa 60 bis 70 Prozent ihrer Forschungs- und Entwicklungsbudgets. Der europäische Verband Efpia merkt zudem an, dass die biopharmazeutische Industrie damit einen größeren Umsatzanteil in neue Erkenntnisse – resultierend aus Forschung und Entwicklung – investiert als jede andere Industrie.

Damit stellen sich allerdings auch neue Herausforderungen. So weist PublicEye.ch darauf hin, dass eine Verlagerung klinischer Versuche in Regionen, in denen der Zugang zur Gesundheitsversorgung nicht gewährleistet und die Regulierung weniger streng ist, zu ernsthaften Verletzungen ethischer Standards führen kann. Ohnehin sei der Bereich der klinischen Versuche sehr intransparent: Die Hälfte der klinischen Versuche werde nie publik gemacht; negative Ergebnisse würden oft verfälscht oder beschönigt. Dieses Fehlen von Transparenz gefährde nicht nur die Patienten, die an den Versuchen teilnehmen. Dies sei auch nachteilig für die öffentliche Gesundheit in den Absatzländern. Mittlerweile reagieren allerdings immer mehr Pharmaunternehmen auf diese Kritik. GlaxoSmithKline und andere Konzerne zeigen sich mittlerweile transparenter bei klinischen Studien. 



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