Celgene unter Druck

Biotechkonzern droht Milliardenstrafe wegen Off-Label-Marketing

Los Angeles - 09.01.2017, 12:55 Uhr

Wurden Thalomid und Revlimid systematisch im Off-Label-Use vermarktet? (Fotos: celgene)

Wurden Thalomid und Revlimid systematisch im Off-Label-Use vermarktet? (Fotos: celgene)


Jahrelang soll der US-Biotechriese Celgene die Arzneimittel Thalomid und Revlimid für Krebstherapien vermarktet haben, obwohl die Produkte dafür keine Zulassung hatten. Eine ehemalige Mitarbeiterin strengt nun im Namen staatlicher US-Behörden einen Prozess gegen das Unternehmen an. 

Hat Celgene systematisch auf Off-label gearbeitet? 

Das könnte teuer für den US-Biotechkonzern Celgene werden. Die ehemalige Mitarbeiterin Beverly Brown beschuldigt das Unternehmen, jahrelang die beiden Arzneimittel Thalomid und Revlimid für Anwendungen in der Krebstherapie vermarktet zu haben, obwohl es dafür keine Zulassungen durch die US-Arzneimittelbehörde FDA gab. Das staatliche Gesundheitssystem habe dadurch in mehreren Hunderttausend Fällen für unzulässige Verschreibungen bezahlt. Nach einem Bericht des US-Mediums Stat hat nun Richter George H. King vom Central District of California entschieden, dass der Fall vor Gericht gehen kann. Nach seiner Ansicht habe Brown hinreichende Beweise geliefert, dass Celgene die beiden Arzneimittel in unerlaubter Weise für Krebstherapien angeboten habe.

Wörtlich teilte King mit: „Browns Beweise zeigen, dass Celgene Thalomid und Revlimid systematisch im Off-Label-Use vermarktet hat und dass Ärzte, die häufigere Marketingkontakte mit Celgene-Vertretern hatten, die Präparate auch öfter verschrieben haben. Celgene wusste, dass diese Marketingaktivitäten zu höheren Verkaufszahlen führten und dass eine Direktansprache von Ärzten grundsätzlich wirkt.“

Darüber hinaus zeigten die Unterlagen von Brown, dass Hunderttausende dieser Off-Label-Verschreibungen zur Bezahlung an staatliche Gesundheitsprogramme adressiert wurden. Celgene habe gewusst, dass die Krankenversicherung Medicare für viele dieser Verschreibungen zahlen würde. Dem Unternehmen droht nun, dass es in mehreren Hunderttausend Fällen zur Kasse gebeten wird. Nach früheren Angaben sollen sich die Schadenersatzforderungen auf 40 Milliarden Dollar belaufen. Celgene hatte nach einem Bericht von „Law 360“ im Jahr 2015 vergeblich versucht, die Ansprüche der Klägerin zeitlich und damit auch der Höhe nach zu begrenzen. 

Celgene setzt sich zur Wehr

Die Entscheidung von Richter King, dass die Klage vor Gericht verhandelt werden kann, ist ein harter Schlag für Celgene. Das Unternehmen hatte argumentiert, Brown könne in keinem konkreten Fall ein Fehlverhalten von Celgene nachweisen. Demgegenüber erklärte der Richter, dass das auch nicht notwendig gewesen sei: „Aufgrund von Celgenes Verhalten sind gegenüber Krankenkassen und Gesundheitsbehörden falsche Angaben gemacht worden“. Laut Stat hat das Gericht auch Celgenes Einwand verworfen, die staatlichen Gesundheitsprogramme hätten von dem Off-Label-Use gewusst und die Präparate weiterhin bezahlt. Dahingegen konnte der Richter den weitergehenden Vorwurf der ehemaligen Mitarbeiterin nicht nachvollziehen, wonach Celgene sogenannte Kickback-Zahlungen an Ärzte geleistet habe.

Gegenüber DAZ.online zeigte sich ein Celgene-Sprecher erfreut, dass das Gericht einige Klagepunkte von Brown zurückgewiesen habe. „Wir glauben zudem weiterhin, dass die verbliebenen Punkte mit Bezug auf einen Off-Label-Use keine Substanz haben. Wir werden weiter entschieden dagegen vorgehen“, erklärte der Sprecher.

Brown wurde den Angaben nach im April 2001 bei Celgene als Immun-Spezialistin angestellt, habe aber überwiegend Tätigkeiten im Vertrieb ausgeführt. Während des Jahres 2007 sei sie misstrauisch geworden, weil sie auf Anordnung ihres Vorgesetzten Ärzte anrufen sollte, damit diese Abrechnungscodes ändern, die im Zusammenhang mit der Verschreibung von Celgenes Arzneien standen. Brown habe sich daraufhin beim Management über diese Praktiken beschwert und die Vermutung geäußert, dass diese illegal seien. Später habe sie die FDA kontaktiert und einen Anwalt eingeschaltet. Im Jahr 2010 habe sie schließlich im Auftrag der Regierung, von 24 Bundesstaaten, dem District von Columbia und der Stadt Chicago ihre Klage gegen Celgene eingereicht. 



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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