WHO-Analyse zu Zika

Ursache von Hirnschäden und Guillain-Barré-Syndrom – aber noch Fragen offen

Bern / Genf - 04.01.2017, 14:45 Uhr

Doktor Angela Rocha (r.) misst im Oswaldo Cruz Hospital in Recife (Brasilien) den Kopfumfang des einen Monat alten Alexandro Julio. Das Kind ist an Mikrozephalie erkrankt. (Foto: Rafael Fabres / dpa)

Doktor Angela Rocha (r.) misst im Oswaldo Cruz Hospital in Recife (Brasilien) den Kopfumfang des einen Monat alten Alexandro Julio. Das Kind ist an Mikrozephalie erkrankt. (Foto: Rafael Fabres / dpa)


Bisher war es eher eine Vermutung. Nun haben Experten systematisch geprüft, ob Zika bei Ungeborenen Hirnschäden und bei Erwachsenen das Guillain-Barré-Syndrom auslöst. Resultat: Das Virus ist Ursache – aber möglicherweise zusammen mit weiteren Faktoren.

Vermutung bestätigt: Das Zika-Virus verursacht nach Einschätzung eines Expertengremiums Hirnschäden bei Neugeborenen und kann zudem das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) auslösen. Das schließt ein Team um Nicola Low von der Universität Bern, zu dem eine Arbeitsgruppe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört, aus einer systematischen Analyse der bisher vorliegenden Studien. Zwar bestätigt die im Fachblatt „PLOS Medicine“ veröffentlichte Auswertung frühere Einschätzungen der WHO. Doch das Team weist ausdrücklich darauf hin, dass an beiden Phänomenen neben Zika eventuell noch weitere Faktoren beteiligt sein könnten, etwa Infektionen mit dem Dengue-Virus.

Die Zika-Pandemie begann im Jahr 2015 in Süd- und Mittelamerika. Das Virus verursacht bei Infizierten oft grippeähnliche Symptome. Im Laufe des Jahres beobachteten Ärzte bei Neugeborenen eine Häufung von Fehlbildungen des Gehirns, insbesondere Mikrozephalie. Diese Kinder kommen mit einem besonders kleinen Kopf zur Welt, oft verbunden mit geistiger Behinderung und anderen gravierenden neurologischen Störungen. Zudem registrierten Mediziner bei Erwachsenen vermehrt das Guillain-Barré-Syndrom – das Nervenleiden geht etwa mit Lähmungen einher und kann durch Infektionen mit bestimmten Bakterien und Viren ausgelöst werden.

Bisherige Einschätzungen zu einem vermeintlichen Zusammenhang beruhten auf vorläufigen Auswertungen der Literatur. In der nun veröffentlichten Studie unterzogen die Autoren die Frage einer systematischen Prüfung anhand von zehn Kriterien. Dazu zählten etwa die biologische Plausibilität, der zeitliche Zusammenhang, die Konsistenz der Resultate und der Ausschluss anderer Erklärungen.

Zika-Virus allein nicht ausreichend, eventuell gibt es Kofaktoren

Die Analyse von 72 Studien, die einer Verbindung von Zika und angeborenen Hirnschäden nachgingen, ergab, dass mindestens acht der zehn Kriterien erfüllt waren. Nach Prüfung von 36 Studien, die eine Verbindung zu GBS untersuchten, bewerten die Autoren mindestens sieben Kriterien als erfüllt. Die wahrscheinlichste Erklärung sei, dass eine Zika-Infektion bei ungeborenen Kindern Hirnschäden verursachen und bei Erwachsenen GBS auslösen könne, folgern sie.

Allerdings seien noch Fragen offen. Möglicherweise reiche das Zika-Virus allein nicht aus, um Hirnschäden oder das Guillain-Barré-Syndrom zu verursachen. Eventuell gebe es noch beteiligte Kofaktoren, insbesondere eine akute oder frühere Infektion mit dem Dengue-Virus. Laborstudien weisen darauf hin, dass Antikörper gegen Dengue-Viren eine Zika-Infektion verschlimmern können. Dengue wird von den gleichen Mückenarten verbreitet wie Zika.

Unklar ist auch, wie stark eine Zika-Infektion das Risiko für die beiden untersuchten Phänomene steigert. Studien aus Französisch-Polynesien, wo es vor einigen Jahren eine Epidemie gab, deuten darauf hin, das eine solche Infektion die Wahrscheinlichkeit für angeborene Hirnschäden und auch für GBS mindestens um den Faktor 30 erhöht. Vermutlich sei der Effekt zwar schwächer, schreiben die Autoren nun, aber eine Zika-Infektion steigere das Risiko für derartige Probleme substanziell.



dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


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