Spinale Muskelatrophie

FDA lässt erste Therapie für schwere Muskelerkrankung zu

Stuttgart - 02.01.2017, 10:00 Uhr

Erste Therapieoption: Patienten mit Spinaler Muskelatrophie könnte das in den USA zugelassene Arzneimittel Spinraza helfen. (Foto: psdesign1 / Fotolia)

Erste Therapieoption: Patienten mit Spinaler Muskelatrophie könnte das in den USA zugelassene Arzneimittel Spinraza helfen. (Foto: psdesign1 / Fotolia)


Als bisher ersten Therapieansatz für Patienten mit Spinaler Muskelatrophie ließ die US-Arzneimittelbehörde FDA Ende Dezember das Arzneimittel Spinraza zu. Es soll den Verlauf der schweren Erkrankung abmildern. In Deutschland ist es für einige Patienten bereits über ein Härtefallprogramm verfügbar.

Neugeborene mit einer schweren Variante der Spinalen Muskelatrophie (SMA) sterben bislang oft in einem Alter von nur ein oder zwei Jahren. Mit einem neuen Therapieansatz könne der Krankheitsverlauf verlangsamt oder vielleicht sogar verbessert werden, hofft der US-Pharmahersteller Biogen: Studien an insgesamt 170 Probanden zeigten positive Ergebnisse für das Antisense-Oligonukleotid Spinraza® (Nusinersen). Im September wurden die vollständigen Zulassungsunterlagen bei der US-amerikanischen Zulasssungsbehörde FDA eingereicht. Nach nur drei Monaten ließ die Behörde das Arzneimittel Ende Dezember zu.

In der „ENDEAR“ genannten Zulassungsstudie sei bei Patienten mit früh beginnender SMA eine klinisch relevante Verbesserung der Motorfunktion erzielt worden, erklärt Ionis Pharmaceuticals in einer Stellungnahme. Die Firma hatte das Arzneimittel entwickelt – und die Studie aufgrund positiver Ergebnisse im August vorzeitig abgebrochen. „Darüber hinaus überlebte ein größerer Anteil der mit Spinraza behandelten Patienten, als der unbehandelten", erklärte Ionis nun in einer Presseerklärung. Auch zwei andere Studien hätten die Wirksamkeit des Arzneimittels gezeigt.

Behandlung per Lumbalpunktion

Bei SMA nimmt die Muskelkraft von Patienten aufgrund einer Genmutation ab, die Motoneurone im Rückenmarkt betrifft. Spinraza® soll die Produktion des von den Patienten benötigten Proteins SMN erhöhen, indem das Gen SMN2 vermehrt exprimiert wird. Dieses ist dem SMN1-Gen sehr ähnlich, das bei SMA-Patienten entweder fehlt oder mutiert ist.

Das Arzneimittel muss über eine Lumbalpunktion direkt in das Hirnwasser verabreicht werden. Das bisherige Behandlungsregime sieht eine Anwendung im Abstand von zuerst 14 Tagen, dann 30 und 60 Tagen sowie anschließend alle vier Monate vor. Schon mit Jahresbeginn will Biogen das Arzneimitteln in den USA auf den Markt bringen.  

Erste Therapieoption – doch Forscher warnen vor übertriebenen Hoffnungen

Der leitende Oberarzt der Klinik für Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen des Uniklinikums Freiburg Jan Kirschner war als einer der Studienärzte an der Erforschung von Spinraza® beteiligt. „Nach Jahrzehnten der Forschung haben wir endlich ein Medikament, mit dem wir den schweren Krankheitsverlauf der Säuglinge positiv beeinflussen können“, erklärte er in einer Stellungnahme. „Wir sind den Familien und Selbsthilfegruppen sehr dankbar, die diesen Weg mit uns gegangen sind.“

Auch der Direktor der neurologischen Klinik der Uniklinik Ulm, Albert Christian Ludolph, hatte sich gegenüber DAZ.online darüber hoch erfreut gezeigt, dass für eine bislang nicht behandelbare Erkrankung nun eine Therapieoption verfügbar ist. „Das hätte ich mir in meinem neurologischen Leben nicht erhofft, weil ich es für unmöglich hielt“, betonte er. Ludolph warnte jedoch auch vor übertriebenen Hoffnungen – wie auch Kirchner. „Dass Kinder wieder laufen können und nicht mehr beatmet werden müssen, halte ich für sehr unwahrscheinlich“, sagte der Mediziner auf Nachfrage.

Auch die EMA prüft Spinraza® derzeit über ein beschleunigtes Zulassungsverfahren. Über ein Härtefallprogramm können einige Patienten an den Unikliniken in Essen, Freiburg und München bereits behandelt werden. „Betroffene Familien sollten mit dem behandelnden Arzt besprechen, ob eine Behandlung infrage kommt“, erklärte der Freiburger Neurologe.

Spinale Muskelatrophie

Bei der Spinalen Muskelatrophie (SMA) führt der fortschreitende Rückgang von Nervenzellen im motorischen Teil des Rückenmarks zu Muskelschwund und fehlender Muskelspannung. Die Erkrankung wird durch ein mutiertes oder fehlendes „SMN1“-Gen ausgelöst. Der Schweregrad der Erkrankung kann stark variieren und auch bei unterschiedlichem Alter der Patienten einsetzen. 

Beim schweren SMA-Typ-1 treten die Symptome schon in den ersten Lebensmonaten auf, die Patienten versterben oft in den ersten beiden Jahren. Patienten mit Typ-2-SMA können als Kind frei sitzen, aber normalerweise nicht ohne Hilfe stehen. Kinder mit Typ-3-SMA können laufen, verlieren diese Fähigkeit jedoch mit zunehmendem Alter oft wieder. Typ-4-SMA tritt erst im Erwachsenenalter auf. 

Neben einer Schwächung der Rumpfmuskulatur und Gliedmaßen kann die Erkrankung auch zu Problemen bei der Atmung führen, sodass Patienten teilweise beatmetet werden müssen. Kognitiv sind Patienten mit SMA nicht beeinträchtigt.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Spinale muskelatrophie typ 2

von Demo Mustafaj am 17.05.2017 um 22:27 Uhr

Hallo ich habe eine Frage meine Tochter ist 2007 geboren und hat spinale muskelatrophie typ 2.meine Frage ist ich habe im Internet gelesen das diese Tabletten Spinraza-Nusinersen für diese Krankheit gibt.wan können wir in Deutschland bekommen.

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