Beratungs-Quickie

Durchfall und Erbrechen bei einem Kleinkind

Stuttgart - 30.12.2016, 08:00 Uhr

 (Foto: tiagozr / Fotolia)

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Welche Informationen sind bei einem Beratungsgespräch in der Apotheke für den Patienten wichtig? Welche hilfreichen Tipps kann der Apotheker zu Arzneimitteln und Therapien geben? Im Beratungs-Quickie stellen wir jeden Donnerstag einen konkreten Patientenfall vor. Diese Woche erfolgt die Arzneimittelberatung einer Mutter. Ihr Baby bekommt Zäpfchen gegen Erbrechen und ein Arzneimittel gegen Durchfall. 

Formalien-Check

Eine junge Mutter mit Kinderwagen betritt die Apotheke. Sie hat ein Rezept vom Kinderarzt für ihren einjährigen Sohn. Das Baby ist blass, es hat Durchfall und leidet an Erbrechen. Die Kinderärztin verordnete Emesan® K Suppositorien fünf Stück und eine Packung Infectodiarrstop® L mit sechs Beuteln. Beide Packungsgrößen entsprechen N1. Rabattverträge liegen nicht vor. 

Da es sich um apothekenpflichtige Arzneimittel handelt, übernimmt die GKV die Kosten für Emesan K und Infectodiarrstop für Kinder bis zwölf Jahren.

Beratungs-Basics

Emesan® K Suppositorien enthalten den Wirkstoff Diphenhydramin in einer Stärke von 20 mg. Der H1-Rezeptorantagonist zählt zu den Antihistaminika der ersten Generation und hat neben antiallergischen insbesondere antiemetische und stark sedierende Eigenschaften. Das Arzneimittel zur rektalen Anwendung ist zugelassen zur Therapie von Übelkeit und Erbrechen für Kinder ab einem Körpergewicht von acht Kilogramm.

Die Ärztin hat keine Dosierungsempfehlung auf das Rezept geschrieben. Auf Nachfrage des Apothekers erklärt die Mutter, ihr Sohn wiege knapp zehn Kilo, was einer maximalen Dosierung von einer Rektalkapsel pro Tag entspricht.

Der Apotheker weist die junge Frau darauf hin, dass das Arzneimittel zur rektalen Anwendung bestimmt ist. Das Einführen der Rektalkapsel in den Mastdarm erfolgt mit dem dicken Ende zuerst und gelingt am leichtesten, wenn das Suppositorium mit Wasser leicht angefeuchtet wird.  

Das zweite Arzneimittel – Infectodiarrstop® LGG Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen – ist zugelassen zur Therapie von Diarrhöen bei Säuglingen und Kleinkindern. Das Kombinationspräparat ist als Doppelkammerbeutel gestaltet. Ein Beutel enthält die Elektrolyte Natrium und Kalium, zusätzlich Glucose und Citrat. Im zweiten Beutel sind gefriergetrocknete, lebensfähige Lactobacillen (Lactobacillus rhamnosus GG). Sie sind natürliche Bewohner der menschlichen Darmflora und sollen die Adhäsion pathogener Keime an die Darmschleimhaut verhindern. Der Apotheker informiert die Mutter, Infectodiarrstop® im Kühlschrank zu lagern.

Säuglinge und Kleinkinder bis zu einem Alter von zwei Jahren erhalten ein bis zwei Doppelkammerbeutel über den Tag verteilt. Die Inhalte beider Kammern werden gemeinsam in etwa 200 ml Wasser suspendiert. Fruchtsäfte, Tee oder heiße Getränke dürfen nicht verwendet werden, weil diese die Lebensfähigkeit der Bakterien einschränken können. Allerdings kann der Apotheker darauf hinweisen, dass auch Präparate mit den Geschmacksrichtungen Kirsch oder Banane auf dem Markt sind, was Kinder geschmacklich vielleicht eher akzeptieren. Der Apotheker erklärt der jungen Frau außerdem, dass Schwebstoffe nach der Zubereitung im Glas normal seien.

Die Mutter kann ihrem Kind die Rehydratationslösung in einer Trinkflasche mit ausreichend großem Sauger geben oder auch versuchen, ihm diese in kleinen Portionen mit einem kleinen Löffel einzuflößen. Alternativ können Apotheker den Eltern auch eine Spritze mitgeben, mit der die Elektrolyt-Glucose-Lösung dem Kind gegeben werden kann.

Nicht sofort getrunkene Suspension kann im Kühlschrank für 24 Stunden aufbewahrt werden und dem Kind zu einem späteren Zeitpunkt verabreicht werden.

Auch noch wichtig

Bei Durchfallerkrankungen steht die orale Rehydratation im Vordergrund, um extreme Elektrolyt- und Flüssigkeitsverluste zu vermeiden. Meist sind bei Diarrhöen zwar die Sekretionsprozesse im Darm gestört, die Resorption allerdings nicht. Der Natriumtransport ist glucoseabhängig, weswegen eine gemeinsame Einnahme beider Substanzen wichtig ist. Wasser folgt dann osmotisch und passiv nach. Die Bestandteile Kalium und Citrat sollen hohen Kaliumverlusten und der durchfallbedingten Gefahr einer metabolischen Acidose vorbeugen.

Bei Säuglingen und Kleinkindern können Durchfall und Erbrechen sehr rasch zu gefährlichen Dehydratationen führen. Sie bedürfen grundsätzlich einer ärztlichen Abklärung. Unter Umständen macht unstillbares Erbrechen auch eine intravenöse Therapie erforderlich. Symptome einer schweren Dehydratation sind eine erhöhte Pulsfrequenz bei verminderter Pulsqualität, eingesunkene Augen und trockene Schleimhäute. Das Kind ist apathisch und der Hautturgor ist nur noch sehr schwach (Hautfalte bleibt länger als zwei Sekunden stehen).

Dei Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) rät, 40 bis 50 ml Elektrolyt-Glucoselösung pro Kilogramm Körpergewicht über einen Zeitraum von etwa vier Stunden zu verabreichen.

Antiemetika dämpfen den Brechreiz und werden additiv eingesetzt. Bei stark ausgeprägtem Erbrechen ist es sinnvoll, das Emesan-Zäpfchen noch vor Gabe der Infectodiarrstop-Lösung zu applizieren, damit das Kind die Lösung nicht sofort erbricht.

Entwickelt das Kind Fieber, kann die Mutter ihm Paracetamol-Zäpfen in einer Stärke von 125 mg bis zu vier Mal am Tag verabreichen. ASS darf Kindern unter zwölf Jahren nicht gegeben werden, da das Risiko eines Reye-Syndroms besteht.

Darf`s ein bißchen mehr sein?

Die Enterozyten ernähren sich hauptsächlich über den Darm und beziehen ihre Nährstoffe weniger über den Blutweg. Die durch die Infektion geschädigte Darmschleimhaut regeneriert sich am raschesten, wenn möglichst früh die enterale Ernährung wieder aufgenommen wird. Kleinkinder sollten ihre normale Kost erhalten, wobei stärkehaltige Produkte wie Kartoffeln, Haferbrei oder Zwieback bevorzugt werden sollten. Mit stark zucker- und fetthaltigen Speisen sollten Eltern zunächst zurückhaltend sein. Sie können versuchen, ihrem Kind leicht verdauliche Nährstoffe wie Bananenmus oder geriebenen Apfel anzubieten. Die Pektine aus dem Apfel „gelieren“ und binden zusätzlich Wasser, was unterstützend bei Durchfall wirkt.

Es gibt auch pektinhaltige Arzneimittel. Diarrhösan® ist allerdings für Kinder erst ab dem zweiten Lebensjahr geeignet. Es ist als traditionelles Arzneimittel registriert. Die Wirksamkeit wurde bislang in klinischen Studien nicht bestätigt.

Die Mutter sollte ihrem Kind immer wieder Flüssigkeit anbieten. Tees mit Kamillenblüten, Fenchel und Anis wirken beruhigend auf den Magen-Darm-Trakt (zum Beispiel H&S Bio Kindertee Wohliger Bauch).

Hygienische Maßnahmen sind zu beachten. Eine sorgfältige Händehygiene insbesondere nach dem Windelwechsel reduziert die Ausbreitung von Keimen im Haushalt. In den meisten Fällen sind Enteritiden viral bedingt. Vor allem in den ersten fünf Lebensjahren sind Rotaviren mit 40 Prozent die häufigste Ursache. Noro- und Adenoviren zeichnen für 30 Prozent viraler Gastroenteritiden verantwortlich. Die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) empfiehlt die Impfung gegen Rotaviren als erste Vakzination überhaupt. Bereits im Alter von sechs Wochen startet die Grundimmunisierung des Säuglings. Den zweiten und dritten Teil der Grundimmunisierung erhalten die Babies nach zwei und vier Monaten.

Die junge Frau bedankt sich für die Beratung. Das sei schon das zweite Mal in diesem Winter, dass ihre Familie mit Magen-Darm-Infekten kämpfe. Dennoch sei sie gerade bei ihrem jüngsten Sohn immer besonders in Sorge. Da sei es hilfreich, einen kompetenten Kinderarzt und eine gute Apotheke an der Hand zu haben.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Retardkapsel?

von Gast am 03.01.2017 um 23:50 Uhr

Handelt es sich auf S. 2 bei der Verwendung des Begriffes "Retardkapsel" um einen Schreibfehler oder ist das Präparat tatsächlich retardiert formuliert?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Retardkapsel

von Celine Müller am 05.01.2017 um 8:51 Uhr

Sie haben völlig recht - es hat sich in der Tat ein Schreibfehler eingeschlichen. Es muss natürlich „Rektalkapsel“ heißen. Der Fehler ist bereits korrigiert. Dankeschön für Ihren aufmerksamen Hinweis und viele Grüße, Celine Müller

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