Europa, Deine Apotheken – Großbritannien

Zwischen Staatsversorgung und einem Markt ohne Regeln

London - 28.12.2016, 19:55 Uhr

Im staatlichen Gesundheitswesen Großbritanniens sollen bis 2021 insgesamt 28 Milliarden Euro eingespart werden. (Foto: DAZ.online)

Im staatlichen Gesundheitswesen Großbritanniens sollen bis 2021 insgesamt 28 Milliarden Euro eingespart werden. (Foto: DAZ.online)


Bedarfsplanung für Apotheker

Überraschenderweise schritt die Regierung 2012 dann aber erneut regulierend ein und reformierte das Bedarfsplanungs-System. Apotheken müssen nun zwar nicht mehr nachweisen, dass sie für die Versorgung „notwendig oder zweckmäßig“ sind. Auch die vier Ausnahmen von der Bedarfsplanung gibt es nun nicht mehr. Allerdings müssen die Bewerber neue Bedingungen erfüllen, die der NHS vorgibt. Der NHS analysiert dazu die Arzneimittelversorgung regelmäßig und gibt bekannt, an welchen Orten welche Dienstleistungen gebraucht werden können. Die bewerbenden Apothekengründer müssen nachweisen, dass sie entweder eine akute oder drohende Versorgungslücke schließen können, die in den NHS-Analysen aufgeführten Mängel in der Versorgungslage verbessern können oder andere Verbesserungen herbeiführen können, die der NHS noch nicht benannt hatte.

Die Niederlassungsbeschränkungen für Apotheken sind also ein weiteres Beispiel dafür, wie im englischen Apothekensystem Regulierung und Deregulierung aufeinanderprallen. Hierzulande gibt es bekanntlich keine örtlichen Niederlassungsbeschränkungen für neue Apotheken. Wovon Deutschlands Pharmazeuten bislang nur träumen können, ist das britische Vergütungssystem, die Verankerung pharmazeutischer Dienstleistungen in der Versorgung und im Apothekenhonorar sowie der interprofessionellen Zusammenarbeit mit Ärzten.

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt sagte vor einigen Jahren - kurz vor seinem Amtsantritt - er wünsche sich auf lange Sicht eine Art Gebührenordnung für Apotheker, in der alle Dienstleistungen der Apotheker mit einem dazugehörigen Honorar aufgeführt sind. DAV-Chef Fritz Becker fordert zudem seit Jahren eine regelmäßige Überprüfung des Apothekenhonorars. Das britische Vergütungssystem bietet beides: Eine Verhandlungskommission der Apotheker handelt für jedes Jahr im Voraus den sogenannten „Drug Tariff“ mit dem Gesundheitsministerium aus. Die Verhandlungsergebnisse gelten kollektiv für alle Dienstleistungen, die Apotheker NHS-versicherten Patienten anbieten.

Der Drug Tariff enthält also alle Dienstleistungen, die Apotheker zulasten des NHS abrechnen können. Im Gegensatz zum deutschen Vergütungssystem steht in England nicht das reine Packungsabgabehonorar im Vordergrund. Der Drug Tariff enthält mehrere Seiten an verschiedenen Vergütungskomponenten. Für die reine Packungsabgabe erhalten die Apotheker als Fixhonorar lediglich 113 Penny (umgerechnet 1,34 Euro). Hinzu kommt allerdings eine prozentuale Marge, mehrere Pauschalzahlungen, die sich an der Gesamtzahl der im Jahr abgegeben Packungen orientieren sowie Sonderzahlungen für die Abgabe von Betäubungsmitteln, Hilfs- oder Heilmitteln.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Wirklichkeit

von Reinhard Rodiger am 28.12.2016 um 15:56 Uhr

Das klingt so als ob das Ideal wäre und unsere Oberen in ihrer Fixierung bestärken .
Die Erträge werden um 20-40 % sinken. Etwa ein Viertel wird das nicht überleben. Distribution wird zentralisiert und automatisiert und damit entwertet . Das bedeutet Kapitaleinsatz, der nur von den Großen erwirtschaftet wird. DIenstleistungen sind zT gedeckelt - jedenfalls die , die hier als wahre Zukunft angepriesen werden(MUR).
Es soll ja gespart werden und nicht die Kosten anderswo wieder reingeholt werden.Wichtiger als hier ist die Einbindung in die Erstversorgerfunktion zur Entlastung der gnadenlos überlasteten Ärzte.Da ist schon ein interessanter Bereich, der haupsächlich von Preisunterschied und der leichteren Zugänglichkeit befeuert wird.Ohne die langen Wartezeiten gäbe es das nicht.Sind Personalengpässe eine Berufslegitimation?

Es wird der eine angestammte Bereich stranguliert und dessen Ausgleich wird den Großen überlassen, die ihre Macht dann ausspielen können.Da gibt es keinen Wettbewerb mehr, oder Interesse an Patientennöten.Alles in ein oder zwei Händen.

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