„Abenteuer“ in Hüffenhardt

Behörde will Video-Automat von DocMorris notfalls schließen

Karlsruhe - 15.12.2016, 06:55 Uhr

„Man
wird sich daran gewöhnen“: Der Bürgermeister testete bereits die Videoberatung von DocMorris. (Foto: Kraichgau Stimme)

„Man wird sich daran gewöhnen“: Der Bürgermeister testete bereits die Videoberatung von DocMorris. (Foto: Kraichgau Stimme)


Mehrfach haben Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Karlsruhe den von DocMorris geplanten Abgabe-Automat mit Videoberatung in Hüffenhardt aufgesucht. Gegenüber DAZ.online zeigt sich das zuständige Amt skeptisch. Bei dem Automaten handele es sich um einen „möglicherweise unzulässigen Einzelhandel mit Arzneimitteln“, erklärte ein Sprecher.

Die niederländische Versandapotheke DocMorris plant, im südöstlich von Heidelberg gelegenen Hüffenhardt einen Abgabe-Automat samt Arzneimittel-Beratung per Video zu installieren. Vor mehr als einem Jahr hatte die dortige Apotheke aufgrund eines fehlenden Nachfolgers geschlossen, doch zukünftig sollen die Dorfbewohner nach den Plänen von DocMorris auch ohne Personal an Arzneimittel kommen. Die ersten Werbeschilder stehen. Der Hüffenhardter Bürgermeister erklärte auf Nachfrage, der Zeitpunkt der Inbetriebnahme sei noch offen – könnte aber vielleicht schon in den nächsten Wochen stattfinden.

Unklar ist bislang, wie DocMorris sich die virtuelle Filiale genehmigen lassen will. Im für Apotheken-Zulassungen zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe hält man nicht viel von dem Vorgehen. Bislang sei noch kein Genehmigungsantrag eingegangen, erklärte ein Sprecher gegenüber DAZ.online. Schon zuvor hatte die Behörde auf die „Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte“ zur Abgabe von Arzneimitteln über Apothekenterminals und zum Verbot der Selbstbedienung hingewiesen. So müssen Apotheken von einem Apotheker geleitet werden und nur Fachpersonal darf Arzneimittel aushändigen. 

Möglicherweise unzulässiger Einzelhandel

Laut SWR hat DocMorris erklärt, man sei keine Apotheke und unterliege daher auch nicht den diesbezüglichen Vorgaben. Ersterem stimmt das Regierungspräsidium zu – und bringt unverhohlene Kritik an. „Es handelt sich nicht um eine Apotheke i.S.d. § 1 Abs. 1 Apothekengesetz, sondern um einen möglicherweise unzulässigen Einzelhandel mit Arzneimitteln“, erklärt die Behörde gegenüber DAZ.online.

Der Sprecher wies darüber hinaus darauf hin, dass Arzneimittel für den Endverbrauch nur in mit einer Betriebserlaubnis versehenen Apotheke oder im Rahmen des genehmigten Versandes aus einer öffentlichen Apotheke in Verkehr gebracht werden dürfen. Denkt DocMorris etwa, dass bestehende Genehmigungen für den Versand nach Deutschland ausreichen? 

Laut Behörde würde DocMorris wohl Grenzen überschreiten

Das Regierungspräsidium kann dies aufgrund bislang fehlender Angaben nicht beantworten, ist jedoch äußerst skeptisch. „Eine Überprüfung der Frage, ob die geplante Abgabestelle mit elektronischer Beratungsfunktion von der Betriebs- und Versandhandelserlaubnis der Fa. Doc Morris gedeckt ist, ist wegen fehlender belastbarer Fakten über die konkrete Ausgestaltung der geplanten Abgabe noch nicht möglich“, erklärt der Sprecher gegenüber DAZ.online. „Es spricht aber einiges dafür, dass der geplante Betrieb die in § 11 a Apothekengesetz gesetzten Grenzen eines zulässigen Versandhandels überschreitet.“

Sollte DocMorris ohne Genehmigung seinen Kommissionierautomaten samt Videoberatung in Betrieb nehmen, will die Karlsruher Behörde notfalls einschreiten. „Das Regierungspräsidium wird nach der Aufklärung des Sachverhalts erforderlichenfalls die notwendigen und angemessenen Maßnahmen für die Aufrechterhaltung der Arzneimittelsicherheit treffen“, erklärt es. Welche dies seien, hänge von den jeweiligen Umständen ab. „Die Maßnahmen könnten von einem Auskunftsersuchen bis hin zur Stilllegung des Betriebes reichen“, erklärt der Sprecher.

In jedem Falle müsse sich der Versender vor Inbetriebnahme mit den Behörden in Verbindung setzen, betont die Behörde. Sie schreibt: „Die Lagerung und Abgabe von Arzneimitteln ist im Übrigen anzeigepflichtig gem. § 67 Absatz 1 Arzneimittelgesetz.“

Beamte überwachen DocMorris

Offenbar beobachtet die Behörde das Vorgehen von DocMorris mit Argusaugen: Die Beamten haben in den vergangenen drei Monaten Hüffenhardt dreimal angefahren, um sich ein Bild von den Aktivitäten an der seit mehr als einem Jahr leerstehenden Apotheke zu machen. „Mitarbeiter des Regierungspräsidiums haben sich im Zusammenhang mit der Erledigung ihrer routinemäßigen Inspektionsaufgaben im Neckar-Odenwald-Kreis davon überzeugt, dass in der ehemaligen Brunnenapotheke keine Arzneimittel in Verkehr gebracht werden“, erklärt der Behördensprecher.

Dies sei Ende September, Ende November und am Freitag vergangener Woche der Fall gewesen. „Hierzu wurde und wird erforderlichenfalls auch weiterhin das Gebäude in Augenschein genommen“, heißt es.

DocMorris schweigt bislang. Der holländische Versender werde sich „zu gegebener Zeit“ zu den Fragen äußern, erklärte ein Sprecher gegenüber DAZ.online. „Hüffenhardt ist für uns ein kleines Abenteuer“, hatte DocMorris-Strategiechef Max Müller kürzlich in einem Beitrag des SWR erklärt.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Eine strafbare Handlung!

von Andreas P. Schenkel am 15.12.2016 um 10:47 Uhr

Apothekengesetz (ApoG)
§ 1
[...] (2) Wer eine Apotheke und bis zu drei Filialapotheken betreiben will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde.

Apothekengesetz (ApoG)
§ 23
Wer vorsätzlich oder fahrlässig ohne die erforderliche Erlaubnis oder Genehmigung eine Apotheke, Krankenhausapotheke oder Zweigapotheke betreibt oder verwaltet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bestraft.

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AW: Oberhänsli und der Bürgermeister - Beihilfe?

von Andreas P. Schenkel am 15.12.2016 um 10:50 Uhr

Strafgesetzbuch (StGB)
§ 27 Beihilfe
(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

Geschichte wiederholt sich

von Thomas Luft am 15.12.2016 um 10:07 Uhr

Wer glaubt, dass DocMorris für das Betreiben dieses Automaten eine Genehmigung einholt, dem unterstelle ich, dass er auch an den Weihnachtsmann glaubt.

Es wird so laufen wie damals beim Versandhandel aus den Niederlanden: DocMorris tut was und die deutschen Behörden schauen so lange zu, bis der Gesetzgeber einschreitet und das bisher illegale Vorgehen, das unter dem Deckmäntelchen des Robin Hoods ("Wir tun das nur für die armen Patienten im ländlichen Raum") betrieben wird, legalisiert.

Und wir werden hinterher wieder dumm aus der Wäsche schauen und uns ärgern, dass man als Inhaber einer Vor-Ort-Apotheke eben dummerweise für den Gesetzgeber viel greifbarer ist, als eine niederländische Kapitalgesellschaft. Unsereinem würde bei der Aufstellung eines solchen Automaten -und sei es noch so sinnvoll- SOFORT der komplette Apothekenbetrieb geschlossen. Geht auch hier nicht, da die Apotheke von DocMorris bekannterweise in den Niederlanden sitzt.

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Genehmiging

von Frank ebert am 15.12.2016 um 7:40 Uhr

Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder ist das ganze Gemache erlaubt, dann ist es genehmigungspflichtig, oder halt nicht . Jedenfalls wieder eine unglaubliche Werbung für Doc Morris . Und ein Bürgermeister den sonst niemand kennt ist auch in den Schlagzeilen. Tollhaus Deutschland

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AW: Genehmiging

von Johannes Frey am 21.04.2017 um 15:51 Uhr

Es ist doch genau so gelaufen wie die Damen und Herren von DocMorris es sich erhofft hatten.
Es war von Anfang an geplant den Automaten mit viel Medienwirkung für eine kurze Zeit in Betrieb zu nehmen und anschließend geschlossen zu werden. So können Sie sich wunderbar in der Opferrolle inszenieren die ja nur der Bevölkerung helfen wollten.
Weshalb sonst wäre es wohl nur als Arzneimittellager deklariert worden. Ist ja auch viel billiger so in die Medien zu kommen als auch noch Werbespot und Werbezeit zu bezahlen...

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