Interview Dr. Thomas Trümper (Phagro)

„Die Hersteller wollen unsere Marge vereinnahmen”

Berlin - 05.01.2017, 16:00 Uhr

Kein Verständnis für Hersteller: Aus Sicht von Phagro-Chef Dr. Thomas Trümper wollen die Hersteller die Großhandelsmarge vereinnahmen. (Foto: Phagro)

Kein Verständnis für Hersteller: Aus Sicht von Phagro-Chef Dr. Thomas Trümper wollen die Hersteller die Großhandelsmarge vereinnahmen. (Foto: Phagro)


Die Arzneimittel-Lieferkette verändert sich. Immer häufiger kontingentieren (begrenzen) Hersteller ihre Lieferungen an Großhändler. Viele Arzneimittel sind nur noch über Direktbestellungen oder die Pharma Mall erhältlich. Was bedeutet das für die Versorgung in der Apotheke? Und wie reagieren die Großhändler? DAZ.online sprach darüber mit Phagro-Chef Dr. Thomas Trümper.

Hört man sich derzeit in der Großhandelsbranche um, wird schnell klar: Der Markt steht vor einschneidenden Veränderungen. Immer häufiger kriegen die Grossisten bei ihren Bestellungen bei den Herstellern zu hören, dass nur ein Teil der Bestellmenge lieferbar sei. Gleichzeitig steigt der Absatz über Unternehmen wie Pharma Mall, die im Auftrag der Hersteller das Direktgeschäft zwischen Pharmaunternehmen und Apothekern organisieren.

 Für die Großhändler heißt das: weniger Umsatz. Die Branchenriesen Phoenix und Gehe haben zu Jahresbeginn nun auf diese Entwicklung reagiert und den Apothekern mitgeteilt, dass die betroffenen Kontingent-Arzneimittel nur noch unrabattiert über den Tisch gehen. DAZ.online hat mit Dr. Thomas Trümper, Vorsitzender des Bundesverbandes des pharmazeutischen Großhandels (Phagro), über diese Marktentwicklung gesprochen.

DAZ.online: Herr Trümper, immer mehr Hersteller kontingentieren ihre Lieferungen an Großhändler. Hinzu kommen zunehmende Direktbestellungen, unter anderem über Pharma Mall. Welche Nachteile haben diese Entwicklungen aus Ihrer Sicht für den Markt?

Trümper: Aus unserer Sicht gibt es hauptsächlich Nachteile für unsere Kunden, die Apotheken und letztendlich für die Patienten. Die Lieferzeit ist bedeutend länger und die Einkaufskonditionen sind ebenfalls bedeutend schlechter. Dazu kommt ein erhöhter administrativer Aufwand. Der Großhandel erstellt eine Monatsrechnung. Jede extra Bestellung direkt beim Pharmazeutischen Unternehmer bzw. über die Pharma Mall erzeugt einen separaten Bestellvorgang mit eigener Rechnung, ganz zu schweigen von einem extra Transport mit entsprechend höheren Kosten, Wareneingang und Lieferschein.

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DAZ.online: Leiden die Großhändler wirtschaftlich unter Kontingentierung und Direktbestellung?

Trümper: Das Thema der zunehmenden Direktbestellungen (auch über die Pharma Mall) beschäftigt den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel sehr, denn unsere Marge ist auf einer Mischkalkulation aufgebaut. Wie bei einer Mischkalkulation üblich, gibt es bei einem Sortiment von durchschnittlich 80 bis 100.000 Artikeln, solche, bei denen die Marge auskömmlich ist, es gibt aber auch Ausreißer nach oben und nach unten.

Wenn nun willkürlich bestimmte Artikel dem Portfolio entnommen werden, dann stimmt diese Mischkalkulation nicht mehr. In der Regel ist das dann auch zum Nachteil des vollversorgenden Großhandels, denn einzelne Artikel werden ja nur dann von Dritten entzogen, wenn es sich für sie lohnt, das heißt, wenn die Marge stimmt. Beim vollversorgenden Großhandel verbleiben dann die Artikel mit hohem Aufwand, der durch die Marge nicht vollständig gedeckt ist.

Hersteller lassen Großhändler über Motive im Dunkeln

DAZ.online: Gibt es denn Zahlen dazu, wie viel Prozent des Marktes schon zur Pharma Mall „übergewandert“ sind?

Trümper: Wie groß der Umfang dieser Direktbestellungen (über Pharma Mall) ist, können wir nicht beziffern, weil hierüber keine Daten existieren. Wir hören allerdings über unsere Kunden, dass der Umfang erheblich sein muss.

DAZ.online: Über den Großhandel sind die betroffenen Arzneimittel für Apotheker einfach nicht mehr lieferbar. Welche Gründe teilen Ihnen die Unternehmen denn für die Nicht-Lieferfähigkeit mit? 

Trümper: Uns werden keine Gründe für die Nicht-Lieferfähigkeit genannt, außer, es handelt sich um Produktionsschwierigkeiten, aber dann ist auch der pharmazeutische Unternehmer (über Pharma Mall) nicht lieferfähig. Eine Ausnahme bilden hier Rabattartikel. Hersteller müssen mit Regressansprüchen der Krankenkasse rechnen, mit der sie einen Vertrag abgeschlossen haben. Sind sie nicht lieferfähig, droht Ungemach. Deshalb kann man eine Lieferfähigkeit nachweisen, wenn man per Direktbestellung immer noch einen  kleinen Restbestand anbietet, den Großhandel aber nicht beliefert.

„Hersteller vereinnahmen die Großhandelsmarge“

DAZ.online: Welchen Grund könnte es geben, die funktionierende Lieferkette zu umgehen?

Trümper: Ein Grund liegt in einer willkürlichen Kontingentierung durch einzelne Hersteller bei einzelnen Produkten. Grund hierfür dürfte wohl sein, dass Hersteller vermuten, der Großhandel oder Apotheken exportierten Arzneimittel. Sie liefern deshalb nur so viel Ware aus, wie sie meinen, dass ein Bedarf im deutschen Markt besteht. Ein weiterer Grund besteht wohl darin, dass Hersteller die gesamte Großhandelsmarge vereinnahmen können.

DAZ.online: Könnten Großhändler rechtlich gegen das Pharma Mall-Modell vorgehen?

Trümper: Grundsätzlich gibt es keine rechtlichen Einwände gegen die Direktbelieferung, so lange auch die vollversorgenden Großhändler beliefert werden. Problematisch wird es dann, wenn Großhändler Bestellungen von Apotheken vorliegen haben, diese aber nicht bedienen können, weil der Hersteller absichtlich nicht liefert, wohl aber Ware per Direktbestellung bzw. über die Pharma Mall ausliefert. Hier wird der Belieferungsanspruch des vollversorgenden Großhandels missachtet, mit der Folge, dass der vollversorgende Großhandel seinerseits seinen Versorgungsauftrag nicht erfüllen kann. Der Landesverband der Apotheker in Rheinland-Pfalz hat dies an einigen sehr anschaulichen Beispielen bereits aufgezeigt.

DAZ.online: Warum ist die Belieferung über den Großhandel denn besser als über die Hersteller selbst oder über die Pharma Mall?

Trümper: Es entfallen unnötige Mehrkosten für die Apotheken und am Ende vor allem erhält der Patient sein dringend benötigtes Medikament deutlich früher, innerhalb weniger Stunden und nicht Stunden oder Tage später. Auch umweltpolitisch ist der Bezug über den vollversorgenden Großhandel  wünschenswert. Der Großhandel bündelt Bestellungen und liefert alle Waren gemeinsam aus. Jede Bestellung außerhalb dieses Systems erfordert eine separate Lieferung, die zu der bestehenden und oft kritisierten hohen Lieferfrequenz noch oben drauf kommt. Das ist nun wirklich nicht nötig.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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