Verdacht gegen Apotheker in Bottrop

Viele Bürger wenden sich wegen Zyto-Fälschungen an Hotline

Bottrop - 12.12.2016, 16:30 Uhr

Der Fall erschütterte Menschen in ganz Deutschland: Ein Apotheker soll 40.000 Zytostatika-Rezepturen gestreckt haben. (Foto: DAZ.online)

Der Fall erschütterte Menschen in ganz Deutschland: Ein Apotheker soll 40.000 Zytostatika-Rezepturen gestreckt haben. (Foto: DAZ.online)


Da ein Apotheker in Bottrop Zytostatika gestreckt haben soll, sitzt er seit gut einer Woche in Untersuchungshaft. Die Stadt hat für Bürger eine Hotline eingerichtet, bei der bislang mehr als 250 Menschen angerufen haben – auch, um ihre Enttäuschung zu bekunden. Die Ermittlungen zu den vielleicht über 40.000 gefälschten Rezepturen dauern an.

Wie die Staatsanwaltschaft Essen gegenüber DAZ.online bestätigte, sitzt der Apotheker Peter S. aus Bottrop weiter in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, seit 2012 in mehr als 40.000 Fällen Zytostatikarezepturen falsch dosiert zu haben. So soll er sich ungerechtfertigte Einnahmen in Höhe von 2,5 Millionen Euro verschafft haben, vermutet die Staatsanwaltschaft. Sie war über Aussagen von Insidern – auch aus der Apotheke von Peter S. – auf die Fälle aufmerksam geworden und hatte Auswertungen der bestellten und abgegebenen Arzneimittel vorgenommen. Der Apotheker soll im Reinraumlabor auch gegen Hygienevorschriften verstoßen und Infusionsbeutel mehrfach verwendet haben.

Aktuell laufen Untersuchungen beim Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen: Verschiedene Mischungen des Apothekers werden ausgewertet, bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Ein wichtiges Ziel ist es, herauszufinden, welche Patienten betroffen sind. „Das aufzuklären ist schwierig“, erklärt die Sprecherin. „Wir gehen nicht davon aus, dass der Apotheker selbst eine Liste führt, wem er das rezeptgemäß liefert und wem nicht.“ 

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Liste aller Patienten, an die Rezepturen abgegeben wurden, beschlagnahmt, und versucht nun nach Aussage der Presssprecherin auf anderem Wege an Informationen zu gelangen, welche Patienten betroffen sind. Der Apotheker verweigert weiterhin jede Aussage. Vorwürfe gegenüber seinen Mitarbeitern sind bislang nicht bekannt.

Kassen verlieren Vertragspartner

Die Apotheke war Vertragspartner der DAK und GWQ sowie bei der Knappschaft Bahn-See. „Wir haben aufgrund der Berichterstattung am 1. Dezember bei der Apotheke unmittelbar angerufen und dort selbst für Aufklärung gesorgt“, erklärte ein Sprecher der GWQ gegenüber DAZ.online. Der Vertrag sei nur 17 Stunden nach seinem Start „sofort ausgesetzt“ worden, denn er war erst seit Anfang Dezember in Kraft. „Um 17:30 Uhr haben wir alle Onkologen in dem Gebietslos per Fax informiert, dass sie bitte bei ihren bisherigen Kooperationspartner bestellen sollen – auch die Rezepturen, die bereits für den Folgeauftrag in Auftrag gegeben wurden“, betont der Sprecher.

Aufgrund der Angebotsunterlagen sei „nichts Auffälliges“ zu entdecken gewesen. „Die obligatorisch durchgeführte Auskömmlichkeitsprüfung brachte auch keine Indizien zu Tage, wonach das Angebot besonders niedrig gewesen ist“, erklärter der GWQ-Sprecher. Er sprach sich dagegen aus, dass der Verdachtsfall in Zusammenhang mit Zyto-Ausschreibungen gebracht wird. „99,99999 Prozent der angeblich fehlerhaft hergestellten Rezepturen lagen vor dem Vertragsstart der GWQ/DAK“, betont er.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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