Studien zu legalem Konsum

In Düsseldorf und Bern sollen Apotheken Cannabis abgeben

Stuttgart - 12.12.2016, 12:10 Uhr

Kontrollierter Anbau, legale Abgabe: In Europa gibt es viele Bestrebungen, Cannabis-Konsum zu legalisieren. (Foto: openrangestock / Fotolia)

Kontrollierter Anbau, legale Abgabe: In Europa gibt es viele Bestrebungen, Cannabis-Konsum zu legalisieren. (Foto: openrangestock / Fotolia)


Um den Cannabis-Konsum zu legalisieren, bereiten Düsseldorf und die schweizerische Stadt Bern begleitende wissenschaftliche Studien vor. Gegenüber DAZ.online erklärt die Berner Drogenbeauftragte Regula Müller, warum auch in ihrer Stadt Apotheken Hanf abgeben sollen – und keine „Cannabis-Social-Clubs“.

Nach Schätzungen des Deutschen Hanfverbandes konsumierten im vergangenen Jahr in Deutschland rund 3,9 Millionen Menschen Cannabis. Schweizer Experten gehen von rund 300.000 Konsumenten aus, die in unserem Nachbarland das – noch – illegale Rauschmittel zu sich nehmen. Bei 80,62 Millionen Einwohner in Deutschland und 8,081 Millionen in der Schweiz entspricht das einer Quote von 4,83 Prozent in Deutschland beziehungsweise 3,71 Prozent in der Schweiz. Zahlreiche Wissenschaftler, Politiker, Verbände und Initiativen machen sich nicht erst seit Kurzem für die Legalisierung des Cannabis-Konsums stark. Apotheken könnten dabei als Abgabestelle auch für den nichtmedizinischen Konsum dienen.

Tagung zu Chancen und Risiken

In der Schweizer Stadt Bern und in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf werden die Pläne mittlerweile recht konkret. Der Rat der Stadt Düsseldorf hatte bereits vor rund einem Jahr beschlossen, dass die Rheinmetropole Deutschlands erste Stadt werden soll, in der Cannabis legal ausgegeben wird. Nun diskutierten Experten bei einer Fachtagung über die Chancen und Risiken.

Ein Ergebnis: Das Gesundheitsamt der Stadt will beim zuständigen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Zulassung für eine Studie beantragen, mit der die Auswirkungen der legalen Abgabe von Cannabis untersucht werden sollen. Zwei Jahre lang sollen nach den Plänen 500 Probanden beobachtet werden. Die Hälfte davon wird Cannabis konsumieren, die andere Hälfte nicht. Wissenschaftlich medizinisch betreut sollen dann die Entwicklungen und Unterschiede der Gruppen untersucht werden. Der wissenschaftliche Rahmen soll erst den Konsum ermöglichen und verhindern, dass das BfArM eine Freigabe der Cannabis-Abgabe direkt ablehnt. Ein ähnliches Pilotprojekt in Berlin war bereits zweimal gescheitert, da die Behörde die Risiken durch die Droge als zu groß angesehen hatte.

In Bern werden bereits Cannabis-Konsumenten gesucht

In der Schweiz ist man mit der Planung einer ähnlichen Studie bereits sehr weit vorangekommen. Seit einigen Wochen kann man sich im Internet für die Teilnahme an der Studie bewerben, die von Professor Matthias Egger von der Universität Bern und Regula Müller, der Leiterin der Koordinationsstelle Sucht der Stadt Bern geleitet wird. In Bern sollen, wenn die Studie vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit bewilligt wird, 500 volljährige Konsumenten Cannabis in der Apotheke kaufen können. Pro Einkauf gibt es dann fünf Gramm, pro Monat maximal 25 Gramm. Dazu gibt es Fragebögen und eine wissenschaftliche Überwachung.

DAZ.online hat die Leiterin der Koordinationsstelle Sucht der Stadt Bern, Regula Müller, zu der geplanten Studie befragt.

DAZ.online: Was genau ist die Intention der Studie? Warum wäre es Ihrer Meinung nach erstrebenswert, Cannabis legal abzugeben?

Regula Müller: Cannabis ist die mit Abstand am häufigsten konsumierte illegale Substanz in der Schweiz. 200.000 bis 300.000 Menschen konsumieren regelmäßig Cannabis. Konsum und Verkauf von Cannabis sind in der Schweiz verboten. Studien und Erfahrungen aus anderen Ländern weisen darauf hin, dass eine Entkriminalisierung des Konsums und die Regulierung des Verkaufs von Cannabisprodukten eine Verbesserung der Prävention und Kontrollen im Umgang mit Cannabis zulassen würden. Zudem könnte der Schwarzmarkt deutlich reduziert, die Trennung der Drogenmärkte verbessert und Polizei und Justiz entlastet werden.

Die Stadt Bern will mit einem Pilotversuch untersuchen, ob ein regulierter Verkauf von Cannabis funktionieren würde und welche Auswirkungen dieser Cannabis-Verkauf auf das Konsumverhalten der beteiligten Personen, auf den Drogenschwarzmarkt und die Sicherheitssituation in der Stadt Bern haben könnte. Der Pilotversuch wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert.

DAZ.online: Wie sehen Sie von wissenschaftlicher Seite das Für und Wider des Konsums von Cannabis?

Müller: Es gibt keinen Drogenkonsum ohne Risiko. Das gilt auch für Cannabis, deshalb ist es immer besser, ganz auf den Konsum zu verzichten. Wer sich trotzdem für den Konsum entscheidet, soll sich über die Wirkungen und Risiken der verschiedenen Substanzen in Klaren sein. Es geht darum, dass wir die Augen nicht verschließen vor der Realität: Schätzungsweise ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerung hat bereits einmal im Leben Cannabis konsumiert. Der absolut überwiegende Teil geht mit der Droge verantwortungsbewusst und unproblematisch um. Lediglich rund 1,2 Prozent der Bevölkerung legt einen problematischen Umgang mit Cannabis an den Tag. Das Ziel einer vernünftigen Cannabispolitik muss es deshalb sein, dass die Menschen einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Droge haben.

Apotheken sollen statt „Cannabis-Social-Clubs“ Cannabis abgeben

DAZ.online: Wie stehen die Chancen, dass die Studie bewilligt und finanziert wird?

Müller: Wir sind zuversichtlich. Gemäß dem uns vorliegenden Rechtsgutachten ist die Umsetzung im Rahmen eines wissenschaftlichen Forschungsprojekts bewilligungsfähig. Eine solche Bewilligung wäre eine Ausnahmebewilligung für den Anbau, die Einfuhr, die Herstellung und das Inverkehrbringen von Cannabis, die das dafür zuständige Bundesamt für Gesundheit gestützt auf Artikel 8 des Betäubungsmittelgesetzes erteilen kann. Da ein solches Forschungsvorhaben als Humanforschungsprojekt einzustufen ist, ist zuvor die Einholung einer Bewilligung der kantonalen Ethikkommission nötig. Aktuell ist die Studie bei der Kantonalen Ethikkommission eingereicht. Die Bewilligung ist noch ausstehend. Sobald diese Bewilligung vorliegt, werden wir die nächsten Schritte in Angriff nehmen.

DAZ.online: Was wären Alternativen zu einem legalen Verkauf in Apotheken? Warum untersuchen Sie präferiert den Weg über die Apotheken?

Müller: Grundsätzlich könnte ein regulierter Verkauf auch über andere Strukturen als die Apotheken erfolgen. Denkbar wären zum Beispiel auch spezialisierte Cannabis-Geschäfte oder „Cannabis-Social-Clubs“ wie in Spanien. Wir haben uns im Rahmen des Pilotprojekts für die Apotheken entschieden, weil damit eine bestehende, hochprofessionelle Infrastruktur genutzt werden kann. Die Apotheken genießen das Vertrauen der Bevölkerung und haben das nötige Fachwissen im Umgang mit Betäubungsmitteln. Auch verfügen die Apotheken bereits über Dispositive betreffend Sicherheit und Kontrolle und kennen die Herausforderung, Kundinnen und Kunden auf Probleme anzusprechen.

DAZ.online: Haben Sie bereits Feedback seitens der Apotheker auf Ihren Studienansatz bekommen? Wie waren die Reaktionen?

Müller: Ja. Anfang Juni haben Gemeinderätin Franziska Teuscher und ISPM-Direktor und Studienleiter Prof. Matthias Egger anlässlich der Vereinsversammlung des Stadtbernischen Apothekervereins den Anwesenden das Forschungsprojekt zur Cannabisregulierung vorgestellt. Das Vorhaben stieß auf offene Ohren, erntete aber auch Kritik. Während die einen den Kontakt zu Cannabiskonsumentinnen und Cannabiskonsumenten als Chance für die Prävention sehen, steht für andere die Glaubwürdigkeit der Apotheken auf dem Spiel. Rund 15 Apothekerinnen und Apotheker signalisierten Interesse an einer Teilnahme.

DAZ.online: Was sehen Sie als das größere Problem an? Dass es überhaupt Konsum von Cannabis gibt oder das Schwarzmarkt-Geschehen – und warum?

Müller: Bis jetzt wurde bei Cannabis hauptsächlich auf Repression gesetzt – mit mäßigem Erfolg. Wir brauchen in unserer Arbeit einen anderen Fokus: Es ist an der Zeit, die Prävention und die Aufklärung zu verstärken. Und das können wir nur erfolgreich tun, wenn wir den Konsum entkriminalisieren und den Cannabis-Markt regulieren. Denn über einen regulierten Markt können wir Einfluss nehmen auf die Qualität des Cannabis, können sicherstellen, dass Cannabis nur an Erwachsene verkauft wird und wir treten in Kontakt mit den Konsumenten, weil diese das Cannabis nicht mehr auf der Straße kaufen, sondern in einer Apotheke, einem konzessionierten Laden oder Club. So erkennen wir auch den problematischen Umgang mit Cannabis besser und können dort gezielt mit unseren Kampagnen und unserem Beratungsangebot ansetzen.



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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