Mögliches Virostatikum

Naturstoff Silvestrol hoffnungsvoller Kandidat im Kampf gegen Ebola

Gießen - 09.12.2016, 06:50 Uhr

Silvestrol aus dem Mahagonibaum zeigt antivirale Aktivität gegen das Ebolavirus. (Foto: qphotomania / Fotolia)

Silvestrol aus dem Mahagonibaum zeigt antivirale Aktivität gegen das Ebolavirus. (Foto: qphotomania / Fotolia)


Forscher der Universitäten Marburg und Gießen haben den natürlich vorkommenden Wirkstoff Silvestrol aus dem asiatischen Mahagonigewächs Aglaia foveolata als mögliches Virostatikum identifiziert. In der Zellkultur hemmte der Wirkstoff die Vermehrung von Ebola-Viren. Bislang wurde Silvestrol vor allem als Mittel zur Krebstherapie diskutiert.

Aglaia foveolata ist ein zur Familie der Mahagonigewächse gehörender bis zu 17 Meter hoher Baum, der auf den südostasiatischen Inseln Borneo und Sumatra sowie in Malaysia beheimatet ist. Der Baum ist mittlerweile auf der Roten Liste gelandet, weil sein natürlicher Lebensraum durch Landnutzung immer weiter schrumpft. Dabei könnte er nun wegen eines recht einzigartigen Inhaltsstoffes gerade für Pharmazeuten an Bedeutung gewinnen, scheint er doch das Wort zu widerlegen, dass gegen viele Viren „kein Kraut gewachsen“ sei.

Silvestrol ist der Name des zur Gruppe der Cyclopenta[b]benzofurane gehörenden Wirkstoffs, der in den Früchten und Zweigen des Baumes vorkommt. Forscher aus Marburg und Gießen haben nun in Zellkulturversuchen zeigen können, dass Silvestrol möglicherweise ein potentes Virostatikum ist, das die Vermehrung von Erregern wie das Ebola-Virus wirksam hemmen kann. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie jetzt in der Online-Ausgabe des Fachmagazins „Antiviral Research“.

(Quelle: dpa-infografik)

Bislang wurde an Silvestrol hauptsächlich im Zusammenhang mit Krebs geforscht

Bislang wurde Silvestrol eher im Zusammenhang mit der Therapie von Krebs diskutiert. Durch seinen Wirkmechanismus, der unter anderem in der Protein-Biosynthese bei der Translation, also der Umsetzung der genetischen Information aus RNA in Proteine, ansetzt, kam die Inspiration, den Wirkstoff auch auf seine Wirkung gegen Viren zu untersuchen, erklärt Arnold Grünweller, Professor am Institut für Pharmazeutische Chemie an der Philipps-Universität Marburg. „Ich bin auf das Silvestrol aufmerksam geworden durch Krebsstudien, die wir in unserem Institut in der Arbeitsgruppe von Professor Roland Hartmann durchführen. Dabei zeigte sich, dass Silvestrol sehr effizient die onkogene Kinase PIM1 inhibiert.“ PIM1 fördert die Zellproliferation, inhibiert die Apoptose, aktiviert zudem die Protein-Biosynthese und wird bei unterschiedlichen Krebsarten vermehrt gebildet.

Marburg besitzt eines von vier Hochsicherheitslaboren in Deutschland

Ein gemeinsamer Kontakt von Krebs- und Viren-Forschung habe sich dann unter anderem dadurch ergeben, dass Hartmann gemeinsam mit der Arbeitsgruppe des Leiters des Marburger Hochsicherheitslabors, Professor Stephan Becker vom Institut für Virologie, ein Kooperationsprojekt im Rahmen eines Sonderforschungsbereichs (SFB1021) leite, erklärt Grünweller. „In diesem Projekt untersuchen wir unter anderem die Auswirkungen viraler RNA-Strukturen auf den Lebenszyklus von Ebola-Viren.“ Die Uni Marburg ist in der Forschung an dem aggressiven Erreger des hämorrhagischen Fiebers Ebola traditionell weit vorne und gilt als die meistzitierte Universität weltweit in diesem Bereich. Als einer von vier Standorten in Deutschland verfügt man mit einem Labor der biologischen Sicherheitsstufe Vier in Marburg über die Ausstattung, an Ebola-Viren zu forschen. An der Forschung war ebenfalls die Arbeitsgruppe von Professor John Ziebuhr am Institut für Virologie der Universität Gießen beteiligt.

„Silvestrol bindet sehr spezifisch an das Enzym eIF4A (eukaryotic initiation factor-4A) und erhöht dessen Bindungsaffinität zum mRNA-Substrat. Durch diese Bindung wird die eIF4A-Helikase an der mRNA förmlich festgesetzt und kann nicht mehr ihre Funktion ausüben, die darin besteht, strukturierte RNA-Regionen aufzulösen, damit die kleine Untereinheit des Ribosoms binden kann“, erklärt Grünweller den Wirkmechanismus des Silvestrols bei der Hemmung der Ebola-Viren. Das Ribosom ist ein Protein-RNA-Komplex, in dem die Umsetzung der genetischen Botschaft in Proteine stattfindet. Auf diese Weise werde die Translation, in dem Fall der Virus-RNA, in Virus-Proteine verhindert.

Silvestrol scheint für menschliche Zellen nicht giftig zu sein

„Nicht alle unsere zelleigenen mRNAs benötigen die Helikase-Aktivität von eIF4A, da viele mRNAs in den entsprechenden regulatorischen Regionen keine extrem stabilen RNA-Strukturen ausbilden“, erklärt der Forscher, warum Silvestrol die Synthese des Virus hemmen kann, ohne insgesamt giftig für menschliche Zellen zu sein. „Unsere Zellen können auch anscheinend die relativ niedrigen Konzentrationen – im Bereich von zehn nanomolar –, die wir eingesetzt haben, sehr gut vertragen. Zudem sind eine ganze Reihe unserer essenziellen zellulären Proteine deutlich langlebiger.“ Neben vielen für die Entstehung von Krebs mitverantwortlichen Genen besäßen interessanterweise auch einige Viren in ihren mRNAs strukturierte RNA-Regionen, sagt Grünweller. „Wir haben uns also die Frage gestellt, ob auch virale mRNAs die Aktivität der zellulären eIF4A-Helikase brauchen, damit virale Proteine synthetisiert werden können. Für ihren Lebenszyklus sind Viren auf eine effiziente Proteinsynthese-Maschinerie in den Wirtszellen angewiesen, damit sie sehr schnell neue Viruspartikel herstellen können“, erklärt der Forscher.

In ihren Forschungen an Ebola-infizierten menschlichen Zellen in Kultur fanden die Wissenschaftler dann, dass durch die Gabe von Silvestrol die Virenkonzentration in den Zellen stark zurückging. Virale Proteine waren kaum noch nachzuweisen. „Unsere Experimente zeigen, dass das Ebola-Virus auf das Enzym der Wirtszelle angewiesen ist, um seine eigenen Proteine zu produzieren“, sagt Grünweller. Damit sei es für das Virus auch fast unmöglich, durch Mutationen im eignen Genom sich der antiviralen Wirkung von Silvestrol zu entziehen.

Silvestrol könnte sich als Virostatikum gegen verschiedene Viren herausstellen

Da das Ebola-Virus nicht das einzige Virus ist, das in seiner Boten-RNA stabile Strukturen ausbildet, hat Silvestrol anscheinend Potenzial, als Virostatikum gegen verschiedene Erreger eingesetzt zu werden. „Momentan untersuchen wir die antivirale Wirkung von Silvestrol auch bei anderen Viren, die für den Menschen gefährlich sind. Erste Ergebnisse zeigen auch hier einen sehr guten Effekt.“

Nächste Schritte in der Erforschung des Wirkstoffs hin zu einem einsetzbaren neuen Virostatikum seien toxikologische Studien an Tieren und entsprechende Testung in geeigneten Tiermodellen. „Falls wir auch in einem zukünftigen Tierexperiment mit Silvestrol erfolgreich sein sollten, müssen Kooperationspartner aus der Industrie gewonnen werden, um klinische Studien zu initiieren“, sagt der Forscher. Bislang gebe es aber noch keine Kontakte zur Pharma-Industrie. 



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Eukaryontischer Initiationsfaktor eIF4A als Target

Silvestrol hemmt Ebolavirus

Extrem ansteckend und keine Impfung oder Therapie in Sicht

Bedrohung durch Ebola?

Virustatikum Favipiravir als Therapeutikum im Gespräch

Grippemittel gegen Ebola

Friedliche Koexistenz durch Koevolution

Fledertiere und ihre Viren

Der Einsatz des Nukleosid-Analogons im Wandel der Zeit

Remdesivir, quo vadis?

Überlebende sind länger infektiös als gedacht – Breitspektrum-Virostatikum in Sicht

Ebola - was bleibt?

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.