Weltweit die Erste

S3-Leitlinie zu Chrystal Meth vorgestellt

Stuttgart - 07.12.2016, 15:30 Uhr

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und
Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde hat die weltweit erste
S3-Leitlinie „Methamphetamin-bezogene Störungen“ herausgegeben. (Foto: Kaesler Media / Fotolia)

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde hat die weltweit erste S3-Leitlinie „Methamphetamin-bezogene Störungen“ herausgegeben. (Foto: Kaesler Media / Fotolia)


Manches, was sonst Standard ist, ist nicht geeignet

Die Leitlinie gibt Handlungsempfehlungen zur Akuttherapie und Postakuttherapie, zum Entzug und der Behandlung von Komorbiditäten. So wird beispielsweise explizit darauf hingewiesen, dass in Deutschland kein Arzneimittel zur Behandlung der Methamphetamin-Abhängigkeit zugelassen ist. Bei akuter Intoxikation sollen zum Beispiel Benzodiazepine und bei Bedarf Antipsychotika zum Einsatz kommen. In der weiteren Entzugsbehandlung wird dann symptomorientiert behandelt, zum Beispiel mit Bupropion oder antriebssteigernden Trizyklika wie Desipramin bei depressiv ängstlicher Symptomatik. Es handelt sich aber in den meisten Fällen um „Kann"-Empfehlungen. Zu ergänzenden psychotherapeutischen Methoden hingegen wird dringend geraten. 

Bei der Behandlung der Komorbiditäten gibt es einiges zu beachten. So sind bei Methamphetamin-bezogenen Störungen einige Arzneimittel, die unter anderen Umständen erste Wahl wären, nicht geeignet. Beispielsweise scheinen laut aktueller Studienlage Antidepressiva bei komorbider Depression nicht zu wirken. Es kann ein Therapieversuch mit Quetiapin erfolgen, dazu sollen störungsspezifische Psychotherapie-Ansätze verfolgt sowie Psychoedukation und Sport- und Bewegungstherapie angeboten werden. Bei bipolarer Störung können sowohl für die depressiven als auch die manischen Symptome Therapieversuche mit Quetiapin oder Risperidon empfohlen werden. Auch hier spielen die nicht-medikamentösen Verfahren eine große Rolle. Besteht bei komorbider ADHS die Indikation für eine Pharmakotherapie, sind Atomoxetin oder Antidepressiva wie Bupropion, Venlafaxin oder Duloxetin die Mittel der ersten Wahl („Kann“-Empfehlung).

Leitlinie will auch für Anzeichen sensibilisieren

Neben der Therapie spielt das Thema „Awareness“ eine wichtige Rolle. So will die Leitlinie auch für die Anzeichen sensibilisieren, die auf einen Konsum von Methamphetamin hindeuten – damit Betroffene möglichst schnell Hilfe bekommen. Typische Zeichen sind zum Beispiel Zahnschäden, schlechte Haut und Pickel mit Narben oder trockene Nasenschleimhäute.

Den typischen Methamphetamin-Konsumenten gibt es jedoch laut Leitlinie nicht. Es scheint eine sehr heterogene Gruppe zu sein. Es gibt eine Reihe von Subtypen, zum Beispiel: Konsum im Freizeitbereich (Ausgehen, Jugendkultur), Konsum in der Schule und Ausbildung, im Beruf oder im Kontext der Elternschaft, Konsumierende mit psychischer Komorbidität oder Traumaerfahrungen, spezielle Sex-zentrierte Szene, Konsumierende mit exzessiven Konsummustern beziehungsweise wahllosem Mischkonsum. Die Besonderheiten der jeweiligen Subgruppe sind in der Behandlung zu beachten, auch ihnen versucht die Leitlinie Rechnung zu tragen.

Die vollständige Leitlinie in der Lang- und der Kurzfassung finden Sie hier.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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