Folgen des EuGH-Urteils

Wie eine Landapothekerin Politiker überzeugt

Oberwolfach - 06.12.2016, 15:20 Uhr

Auch die Grünen-Landtagsabgeordnete Sandra Boser besuchte die Linden-Apotheke. (Foto: Sophia Dittes / Büro Boser)

Auch die Grünen-Landtagsabgeordnete Sandra Boser besuchte die Linden-Apotheke. (Foto: Sophia Dittes / Büro Boser)


Politiker waren überrascht, FDP-Chef Lindner antwortete nicht

Die Betriebsergebnisse hätten die Politiker überrascht. „Oh, dafür gehen Sie arbeiten?“, hätten sie gefragt. Doch sie wolle weiterhin das ganze Tal versorgen, so dass die Mitarbeiter Arzneimittel bis zu 25 Kilometer entfernt ausliefern. „Wir haben selber dort oben gewohnt, mir liegt jeder einzelne Mensch am Herzen – deshalb fahren wir“, erklärt sie. „Wenn sie das betriebswirtschaftlich rechnen, müssten sie das wohl besser lassen.“ Als die Landstraße gesperrt war, hätten die Paketdienste die Päckchen zwischengelagert. „Wir sind durch den Wald oder 50 Kilometer außen rum“, sagt Kröger.

Die Berichterstattung in den großen Medien sowie die Äußerungen beispielsweise von FDP-Chef Christian Lindner fand sie äußerst einseitig. „Da wo ich mich besonders ärgere, schicke ich eine E-Mail“, erklärt die Apothekerin – aber weder von Lindner noch von der CDU-Politikerin Katja Leikert hätte sie mehr als nur eine allgemeine Antwort erhalten. Sie habe die Abgeordneten dabei immer auch eingeladen, „zu kommen und zu gucken“ – worauf jedoch nur die lokalen Abgeordneten reagiert haben.

„Wir waren in der Bürgersprechstunde von Herrn Dr. Schäuble“, erklärt Kröger, die mit ihrem Mann auch auf die anderen lokalen Bundes- und Landtagsabgeordneten zugegangen ist. So traf sie sich beispielsweise mit SPD-Politikerin Elvira Drobinski-Weiß, die seit Mai 2004 für den Wahlkreis Offenburg im Bundestag sitzt. Sie ist verbraucherpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. „Ich war schon sehr beeindruckt von den Vorbereitungen des Apothekerpaares, wie sie mir ganz konkret ihre Situation geschildert haben“, erklärt die Politikerin gegenüber DAZ.online. „Das war klasse.“

SPD-Verbraucherschützerin ist für Rx-Versandverbot

Die Apotheke in Oberwolfach sei von der regionalen Lage her auf jeden Kunden angewiesen – und wäre vom Versandhandel mit Boni „sehr beeinträchtigt“. Auch im Sinne des Verbraucherschutzes sei das Rx-Versandverbot eine gute Option. „Ich persönlich hätte kein Problem damit“, erklärt sie. „Weil ich möchte, dass ich die Apotheke im ländlichen Raum bei mir vor Ort habe – mit allem Service, den sie bietet.“ Daher habe sie der für Apothekenthemen zuständigen Sprecherin in der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar, mitgegeben, was das EuGH-Urteil für eine Apotheke wie die der Krögers konkret bedeuten würde.  

Auch die Grünen-Landtagsabgeordnete Sandra Boser beschreibt das Gespräch mit dem Apothekerehepaar als sehr anschaulich und gut, da sie die Situation lokal aufgearbeitet hätten. „Wie in jedem Bereich, wo der Versandhandel zunimmt, ist klar, dass der lokale Handel betroffen ist“, sagt sie. „Insofern sind wir immer sensibel, wenn es darum geht, wie wir die lokale Versorgung stärken können.“ Die Sorge der Apotheker angesichts des EuGH-Urteils findet sie berechtigt. Da sie selber keine Gesundheitspolitikerin sei, wolle sie das Anliegen den Fachpolitikern übergeben, sagt Boser – und verweist darauf, dass der grüne Sozialminister Baden-Württembergs, Manne Lucha, ja die Bundesratsinitiative Bayerns für ein Rx-Versandverbot unterstützt habe.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

:D

von Peter Lahr am 06.12.2016 um 16:41 Uhr

"Die Betriebsergebnisse hätten die Politiker überrascht. „Oh, dafür gehen Sie arbeiten?“, hätten sie gefragt"

Das liegt vielleicht daran, dass die Kalrchens dieser Nation ständig mit dem Umsatz und nicht mit dem Betriebsergebnis um sich schmeissen. Verdenken kann man es den Politikern von daher nicht.

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Politikergespräche

von Frank Zacharias am 06.12.2016 um 16:13 Uhr

Der Einsatz der Kollegin ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Meinen Dank dafür.

Ich weiss selbst, wie schwer und mühevoll es ist, auf die Abgeordneten zuzugehen. Leider bekommt man zu selten eine Antwort oder eine Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch. Wenn es denn aber klappt, dann überzeugt man am meisten mit dem Beschreiben der eigenen situation vor Ort und mit den daraus resultierenden Folgen.
Ich bleibe dran und hoffe, es machen möglichst viele Kollegen ebenso!

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