FDP Bayern vs. Bundes-FDP

„Der Versandhandel schneidet den Apothekern das Fleisch von den Rippen“

Berlin - 30.11.2016, 12:30 Uhr

Contra aus Bayern: Der Vorsitzende der FDP Bayern, Albert Duin, widerspricht den Aussagen der FDP-Bundesvorsitzenden zum Apothekenmarkt in Teilen und fordert ein vorübergehendes Rx-Versandverbot. (Foto: dpa)

Contra aus Bayern: Der Vorsitzende der FDP Bayern, Albert Duin, widerspricht den Aussagen der FDP-Bundesvorsitzenden zum Apothekenmarkt in Teilen und fordert ein vorübergehendes Rx-Versandverbot. (Foto: dpa)


In der FDP gibt es weiterhin keine klare, einheitliche Meinung zum Wettbewerb im Apothekenmarkt. Nachdem sich die stellvertretende Bundesvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann für Marktöffnungen aussprach, reagiert nun die FDP Bayern: Deren Vorsitzender, Albert Duin, ist verärgert über das EuGH-Urteil, weil es ungleiche Wettbewerbsvoraussetzungen geschaffen habe. Er fordert ein vorübergehendes Rx-Versandverbot.

In der vergangenen Woche hatte FDP-Vize Marie-Agnes Strack-Zimmermann gegenüber DAZ.online gesagt, dass die Apotheker sich dem Wettbewerb nach dem EuGH-Urteil stellen sollten. Auch auf mittelfristige Sicht hatte Sie von den Apothekern „Bewegung“ gefordert, weil sie sonst vom Markt und anderen Wettbewerb „überrumpelt“ werden könnten. Grundsätzlich will auch die stellvertretende FDP-Vorsitzende Apotheken vor Ort behalten. Um die Apotheken konkurrenzfähig zu machen, sprach sich Strack-Zimmermann für Vergütungen im Bereich der pharmazeutischen Dienstleistungen aus.

In Bayern stoßen Teile dieser Aussagen auf heftigen Wiederstand. Albert Duin, Vorsitzender der FDP Bayern, sagte gegenüber DAZ.online: „Ich bin selbst Mittelständler und leite Unternehmen, die sich im Ausland befinden. Deswegen finde ich es grundsätzlich richtig, dass es grenzüberschreitenden Wettbewerb gibt. Allerdings müssen alle Mitspieler in diesem Wettbewerb die gleichen Voraussetzungen haben. Und nachdem ich mich in den vergangenen Wochen intensiv mit dem Apothekenmarkt beschäftigt habe, muss ich sagen: Diese gleichen Voraussetzungen sind nach dem EuGH-Urteil nicht mehr gegeben.“

Duin ist selbst Mittelständler

Zur Erklärung: Duin ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des mittelständischen Unternehmens Induktor, das in mehreren Ländern elektronische Fachartikel herstellt, beispielsweise Transformatoren oder Teile für Kernspintomografen. Sollte der Gesetzgeber nichts unternehmen, prophezeit Duin den Pharmazeuten eine schwierige Zukunft: „Die Rechtsprechung des EuGH ist ein Todesurteil für die Apotheker. Denn sie werden mit Hand- und Fußschellen an die Wand genagelt, während der Versandhandel ihnen das Fleisch aus den Rippen schneiden darf. Apotheker können sich gegen die neue Marktlage nicht wehren, das geht nicht.“

Der FDP-Vorsitzende fordert daher ein zumindest vorübergehendes Verbot des Versandhandels mit Rx-Arzneimitteln. „Ich würde empfehlen, die gesamte Marktsituation mithilfe des Rx-Versandverbotes für ein paar Jahre erst einmal auf Eis zu legen“, erklärt Duin. Was die Weiterentwicklung des Apothekenmarktes betrifft, stimmt Duin seiner Parteikollegin Strack-Zimmermann aber zumindest teilweise zu. Denn: Wenn das Rx-Versandverbot gelte, müsse man überlegen, wie man den Markt wettbewerbsorientierter gestalten könne. „Auch die Apotheker müssen wissen: Wer sich nicht bewegt, der stirbt. Deswegen sollten sie den Zeitraum nach dem Rx-Versandverbot nutzen, um wettbewerbsorientierte Marktlösungen zu erarbeiten.“

Positionspapier pro Apotheke vor Ort

Duin hat nun ein eigenes Positionspapier zum Apothekenmarkt erarbeitet. Darin beschreibt er die Vorteile der Apotheke vor Ort gegenüber dem Versandhandel und kommt zu dem Schluss: „Vom Patienten aus betrachtet wäre es eine ausgemachte Dummheit, hier wieder einen Freiberufler mehr zum Abschuss freizugeben und damit die Versorgung vor Ort massiv zu schwächen.“ In dem Papier weist Duin auch darauf hin, dass EU-Versandapotheken seinen Informationen zufolge andere Einkaufspreise genießen, da diese dort nicht gesetzlich festgelegt seien. Die deutsche Apotheke werde somit benachteiligt.

Ein weiterer Kritikpunkt: „Ausländische Kapitalgesellschaften starten einen Angriff auf die deutsche Freiberuflichkeit.“ Außerdem gebe es zwischen Apothekern und Ärzten oft ein „Vier-Augen-Prinzip“, das Fehler bei Verordnungen verhindern oder aufheben könne. Schlussfolgernd heißt es in dem Papier: „Niemand hat etwas gegen Wettbewerb, aber er muss fair sein. Die hiesigen Apotheken aber bewusst zu schädigen und ihre Existenz zu gefährden, bedeutet letztendlich auch, dass sich die Versorgung der Bevölkerung – gerade in Notfallsituationen – verschlechtert. Wollen wir das wirklich?“

Meinungsbildung in der FDP

Wie sich die FDP nach dem EuGH-Urteil zur Preisbindung positionieren wird, steht also weiterhin in den Sternen. Strack-Zimmermann wies in der vergangenen Woche darauf hin, dass auf Bundesebene ein Papier dazu erarbeitet werde, das zur Abstimmung in die Länder gehen solle. Zum derzeitigen Meinungsbild sagte sie, dass sie es für einen normalen, bürokratischen Prozess halte, dass es innerhalb einer Partei zu unterschiedlichen Ansichten komme.

Auch Duin sieht das so. Gegenüber DAZ.online sagte der Chef der FDP Bayern, es sei „typisch FDP“, dass man unterschiedliche Ansichten habe. Und weiter: „Wir sind liberal, jeder darf seine Meinung sagen. Wir werden auf einem Parteitag dann aber einen gemeinsamen Kurs festlegen. Dieses Recht ist mir sehr wichtig, denn in der Politik müssen wir wieder lernen, auch einmal gegen den Strom eine Meinung äußern zu können, die ‚aneckt‘.“

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die FDP Bayern auf die Seite der Apotheker stellt. Vor einigen Wochen hatte Daniel Föst, Generalsekretär Bayerns Liberaler, gesagt, man dürfe keine Phantomdebatte über Apothekenketten führen, weil es im Apothekenmarkt keine Probleme gebe. Zuvor hatte sein Vorstandskollege Matthias Fischbach gefordert, einen neuen Anlauf auf die Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes zu unternehmen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Liberale schwanken zwischen Rx-Versandverbot und Zulassung von Fremd- und Mehrbesitz

Die FDP im Schlingerkurs

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Stellv. Bundesvorsitzende, FDP)

„Wir wollen keine Apothekenketten“

Bundespolitiker gegen Landesfraktion

FDP schwimmt in Versandverbot-Debatte

Fremdbesitz, Versandhandel, EuGH-Urteil

FDP trifft sich mit Apothekern und Versandapothekern

FDP-Chef Lindner zum Apothekenmarkt

„Diese Liberalisierung ist überfällig“

Parteivize rudert nach Fremdbesitz-Beschluss halbherzig zurück – und erntet Protest

FDP auf Schlingerkurs zur Apothekenkette

6 Kommentare

Versandhandel

von Frank Bünder, Heilpraktiker am 03.12.2016 um 14:41 Uhr

Das "Problem" des Versandhandels von Apotheken ist ein reines Problem des Apothekerstandes selbst. Das gesprochene Urteil ist eindeutig. Dafür seit nun Wochen die Politik massiv in Anspruch zunehmen ist unverhältnismäßig, von triefendem Lobbyismus geprägt, und wirft in der Öffentlichkeit ein schlechtes Licht auf den Berufstand. Ich empfehle dringend, dies innerhalb des Apothekerstandes zu regeln und nicht so unerwachsen ständig die öffentlichen Verteter zu bemühen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Lösung nur mit Gesetzgeber

von A. Bonell am 05.12.2016 um 15:55 Uhr

Eine Regelung ohne Gesetzesänderung, entweder AMVV oder AMPV oder AMG ist nahezu unmöglich, wir können das also leider nicht "unter uns regeln".

Dass davon 20.000 Betriebe und 150.000 Arbeitsplätze direkt betroffen sind verleiht dem auch eine gewisse Brisanz - selbst wenn diese nicht auf einen Schalg verschwinden ist die Zukunftsprognose für alle Beteiligten ungewiss - und extrem stark von der Entscheidung über den Umgang mit dem EuGH-Urteil abhängig.

Bei Kaisers Tengelmann und deren 16.000 Mitarbeitern ist die Medienpräsenz zumindest gefühlt größer.

Darüber hinaus ist es nicht so leicht "die Füße stillzuhalten" wenn man so mitbekommt was von vielen Politikern an falschen Tatsachen, falschen Zahlen oder aus dem Zusammenhang gerissenen Statistiken "rausposaunt" wird, was einfach keinerlei Zusammenhang mit der Situation in Apotheken hat.

Preiswettbewerb

von Michael Hofheinz am 01.12.2016 um 20:07 Uhr

Für alle Bonus- und Rabattüberlegungen gilt die kaufmännischen Regel: „Tausche Preis gegen Menge“: also wenn wir Apotheker billiger verkaufen sollen, müssen wir auch mehr verkaufen dürfen. Aber sollen/wollen wir Apotheker das?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

fdp ohne ende?.

von Christian Timme am 30.11.2016 um 20:10 Uhr

Wenn die FDP 1.000 Meinungen hätte, werden die alle hier erscheinen und kommentiert?. Nach dem Parteitag eine Meldung, mit einem klaren Kommentar, reicht. Sorry.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Widerrede

von G. Wagner am 30.11.2016 um 21:28 Uhr

Sorry, das halte ich genau für den falschen Weg. Jetzt können wir auf die Meinungsbildung innerhalb der FDP vielleicht noch Einfluss nehmen - und dazu ist es wichtig, die einzelnen Positionen zu erfahren und vor allem zu wissen, wer wo steht. Also: Bitte weiter berichten (auch über die - zum Teil ja durchaus auch intern unterschiedlichen - "Apotheken-Positionen" - in den anderen Parteien)

In ein paar Jahren

von Anita Peter am 30.11.2016 um 16:15 Uhr

Ich habe ein paar Fragen:

1. Was soll in ein paar Jahren anders sein? Auch in ein paar Jahren haben wir kein Heuschreckenkapital zu Hand. Aber wir werden auch in ein paar Jahren kostenlos und kompetent beraten sowie Gemeinwohlpflichten übernehmen, die durch RX querfinanziert werden müssen. Ich werde auch in ein paar Jahren nicht die Personalkosten eines Versenders haben, da dort hauptsächlich Lagerarbeiter arbeiten.

2. Steigen die Ärzte auch in den Preiswettbewerb ein? Wenn nein warum nur die Apotheker? Wir sind beide Heilberufler.

3. Glauben Sie die Qualität im Gesundheitswesen nimmt durch einen Preiswettbewerb zu oder ab?

4. Glauben Sie die Versorgungsdichte nimmt durch den Preiswettbewerb zu oder ab?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.