Reaktion auf EuGH-Urteil

Apothekerin schreibt an alle 630 Bundestagsabgeordneten

Berlin - 18.11.2016, 13:20 Uhr

Post von Ines Eder: Alle 630 Bundestagsabgeordneten haben in den vergangenen Tagen einen Brief von einer Apothekerin erhalten, in dem sich die Pharmazeutin für ein Rx-Versandverbot stark macht. (Foto: dpa)

Post von Ines Eder: Alle 630 Bundestagsabgeordneten haben in den vergangenen Tagen einen Brief von einer Apothekerin erhalten, in dem sich die Pharmazeutin für ein Rx-Versandverbot stark macht. (Foto: dpa)


Eine Apothekerin aus dem niedersächsischen Braunschweig hat nach dem EuGH-Urteil zur Preisbindung persönliche Briefe an alle 630 Bundestagsabgeordneten verschickt. Ihre zentrale Botschaft: „Wachen Sie als Politiker nicht erst auf, wenn es zu spät ist!“ Einige Politiker haben ihr auch schon geantwortet.

Ines Eder hatte nach dem EuGH-Urteil eigentlich gar nicht vor, politisch aktiv zu werden. Sie ist zwar Delegierte der Kammerversammlung Niedersachsen und somit natürlich an allen berufspolitischen Entwicklungen interessiert. Doch eigentlich hatte sie andere Pläne. Gegenüber DAZ.online erklärt sie: „Ich war kurz vor dem EuGH-Urteil krank geworden und musste meinen Urlaub absagen. Weil ich meine Zeit sinnvoll nutzen wollte, begann ich unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils, Briefe an die Abgeordneten des Gesundheitsausschusses zu formulieren. Als ich damit fertig war, dachte ich mir, dass das eigentlich nicht reicht. Denn sollte es zu einem Gesetz kommen, in dem es um den Rx-Versandhandel geht, müssen ja alle Abgeordneten entscheiden.“ Also entschloss sie sich kurzum, alle Abgeordneten anzuschreiben.

Um die Arbeit überschaubar zu halten, verzichtete sie auf den Postweg und suchte sich die E-Mail-Adressen der Politiker aus dem Internet zusammen. Für die meisten Politiker benutzte sie die gleiche Vorlage. Aber: „Vielen Abgeordneten schrieb ich allerdings auch besondere Briefe, zum Beispiel Hr. Lauterbach. Nach seinen Äußerungen zum Versandhandel war es mir wichtig, ihm darzustellen, dass die Apotheke vor Ort eine unheimlich wichtige Funktion in der Gesellschaft hat.“

Preisbindung ist wichtig fürs Gesundheitswesen

In ihrem Schreiben spricht Eder zunächst die aus Ihrer Sicht bestehenden Vorteile der Rx-Preisbindung an: „Wenn Medikamente überall dasselbe kosten, bedeutet das für den Kunden Sicherheit, er kann in die nächstgelegene Apotheke gehen, ohne sich Gedanken machen zu müssen, ob er das Medikament irgendwo vielleicht doch billiger bekommt, der Kunde kann sich die Apotheke aussuchen, in der er am besten beraten wird“, heißt es in dem Schreiben.

Eder spricht sich gegen einen Preiswettbewerb in der Arzneimittelversorgung aus. Dass dieser zu Schieflagen führe, zeigten andere Sektoren: „Wie das ist, können Menschen in kleineren Orten oder abseits gelegenen Stadtteilen nachvollziehen, die bekommen heute ihre Grundnahrungsmittel nicht mehr in fußläufiger Entfernung, sondern müssen oft weite Wege in Kauf nehmen, auch hier hat Preiswettbewerb die kleinen Geschäfte zerstört.“ Die Pharmazeutin weist die Politiker ebenso darauf hin, dass ausländische Versender ihre Einkaufskonditionen frei aushandelten und somit ohnehin schon viel günstiger einkaufen könnten als deutsche Vor-Ort-Apotheken.

Union will den Apothekern helfen

Eder fürchtet auch, dass die Apotheker von der Politik alleingelassen würden, sollte es tatsächlich zu einer Aufhebung der Rx-Preisbindung kommen: „Leider werden die Apotheken keine EU Subventionen erhalten, um bestehen zu können, wie beispielsweise die Bauern, wenn sie zu viel produzieren, aber zu wenig und vor allem zu billig verkaufen.“ Daher empfiehlt sie: „Ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wäre das beste Mittel, unser gutes Gesundheitssystem mitsamt dem Apothekennotdienst aufrechtzuerhalten.“

Die schnellsten Antworten erhielt die Apothekerin eigenen Angaben zufolge aus der Unionsfraktion. Mehrere Abgeordnete sprachen sich deutlich für das Rx-Versandverbot aus. Ein CDU-Politiker wies aber darauf hin, dass sich der Koalitionspartner SPD nun dringend bewegen müsse. Auch SPD-Politiker haben der Pharmazeutin geantwortet. In einer Botschaft heißt es, dass auch aus Sicht der SPD Apotheken in strukturschwachen Regionen unbedingt erhalten werden müssten. Allerdings würde ein generelles Versandverbot für Rx-Arzneimittel wiederum die Versender benachteiligen.

Zudem müsse eine Regelung gefunden werden, die mit europäischem Recht vereinbar sei. Die SPD macht die Pharmazeutin zudem darauf aufmerksam, dass das Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) bereits ein Schritt sei, mit dem die flächendeckende Versorgung gestärkt werde. Zur Erklärung: In dem Gesetz ist eine Honorarerhöhung für Apotheker in den Bereichen Rezepturherstellung und BtM-Abgabe vorgesehen.

Linke, CSU und CDU auf Apotheker-Seite

Die Abgeordneten des Gesundheitsausschusses schrieb Ines Eder sogar ein zweites Mal an. Im zweiten Schreiben machte die Apothekerin nochmals auf die schon bestehende Benachteiligung für deutsche Apotheken vor Ort aufmerksam, die schließlich gesetzlich begrenzte Rabatte hätten. In anderen Ländern gebe es niedrigere Mehrwertsteuersätze. Hinzu komme, dass die Versandapotheken in den Niederlanden diese gesetzlichen Vorgaben nicht hätten und somit bevorteilt seien.

Die Apothekerin erhielt auch eine Antwort der Linken-Fraktion, die sich seit Jahren für ein striktes Verbot des gesamten Versandhandels einsetzt. Man werde „aufmerksam verfolgen“, ob Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sich gegen den Widerstand von SPD und Grünen durchsetzen könne und ein solches Verbot auf den Weg bringen könne. Ein CSU-Abgeordneter versichert der Apothekerin, dass der Freistaat Bayern weiter zu den Apothekern hält – im Rahmen der Bundesratsinitiative zum Rx-Versandhandelsverbot.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Danke an die Kollegin!

von Christiane Patzelt am 18.11.2016 um 14:04 Uhr

Werte Frau Eder, vielen, vielen Dank für Ihren Einsatz!
Und lassen Sie sich nicht von denen entmutigen, die Ihnen nicht antworten. Lassen Sie sich nicht entmutigen, die nicht in Ihrem Sinne antworten!
Freuen Sie sich über Zuspruch und über den Dank Ihrer KollegInnen, denn Sie lassen es nicht über sich ergehen, sondern Sie wehren sich gegen eine himmelschreiende Ungerechtigkeit!
Ich wünschte, wir wären (noch) mehr!

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