Access to Medicine Index 2016

GSK erneut an der Spitze

Berlin - 16.11.2016, 07:00 Uhr

Der Access to Medicine Index erfasst, inwiefern Pharmafirmen Patienten in Entwicklungsländern unterstützen. (Foto: africa / Fotolia)

Der Access to Medicine Index erfasst, inwiefern Pharmafirmen Patienten in Entwicklungsländern unterstützen. (Foto: africa / Fotolia)


Die weltgrößten Pharmaunternehmen machen Fortschritte, Menschen in Entwicklungsländern den Zugang zu wichtigen Arzneimitteln zu ermöglichen. An der Spitze des Access to Medicine-Index 2016 steht dabei erneut GlaxoSmithKline. Unter den deutschen Unternehmen schafft es allein Merck in die oberen Ränge. Bayer und Boehringer Ingelheim fallen zurück.

Bereits zum fünften Mal belegt GlaxoSmithKline den ersten Platz im Access to Medicine-Index (ATM), dicht gefolgt von Johnson & Johnson und Novartis. Alle zwei Jahre bewertet die Access to Medicine Foundation die weltweit größten Pharmaunternehmen: Welche Aktivitäten und Initiativen haben sie ergriffen, um in unterentwickelten Ländern den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu verbessern? Die bewerteten Aspekte reichen dabei von Spenden und Preissenkungen über die Lockerung von Patenten bis hin zum Aufbau von lokalen Kapazitäten in Forschung und Entwicklung, Produktion oder Versorgungssicherheit. Die Spitzenreiter der Untersuchung investieren darüber hinaus auch in die Forschung und Entwicklung von dringend benötigten Arzneimitteln, wenngleich kommerzielle Anreize dafür fehlen mögen.

Die Autoren der Untersuchung weisen darauf hin, dass die bestplatzierten Unternehmen auch über die am weitesten entwickelten Access-Programme verfügen. Dabei unterstützen gut organisierte Strategien die Geschäftsentwicklung in den Schwellenländern, in denen der Bedarf für einen Zugang zur medizinischen Versorgung besonders hoch ist.

Merck KGaA auf Rang vier

Mit Blick auf die deutschen Pharmaunternehmen fällt das Ergebnis gemischt aus. Die Darmstädter Merck KGaA belegt als einziges Unternehmen mit dem vierten Patz einen oberen Rang. Die Access-Untersuchung betont die Stärken von Merck im Ausbau von Forschungs- und Entwicklungskapazitäten. In Zusammenarbeit mit der Universität von Namibia forscht das Unternehmen beispielsweise im südafrikanischen Raum an Malaria. „Zugang zu Gesundheit (Access to Health) hat sich zu einer strategischen Priorität für Merck entwickelt, und wir freuen uns sehr, dass unsere Bemühungen von der ATM-Foundation anerkannt wurden“, sagte Belén Garijo, Mitglied der Geschäftsleitung von Merck und CEO Healthcare. 

Dagegen haben Bayer und Boehringer-Ingelheim gegenüber der vorherigen Untersuchung Plätze eingebüßt. Das liegt zum Teil daran, dass andere Unternehmen mehr tun. So setzt sich Bayer zwar für vernachlässigte tropische Krankheiten und für Familienplanung ein, ist aber in anderen Bereichen weniger aktiv. Boehringer-Ingelheim ist auf den 16. Platz zurückgefallen. Als Argumente nennt die Untersuchung unter anderem, dass Boehringer nur eine geringe Transparenz habe, die Access-Aktivitäten nicht klar zur Unternehmensstrategie passten und es kein strukturiertes Spendenprogramm gebe. Andererseits verfüge Boehringer über eine große Projektpipeline zur Bekämpfung von Krankheiten mit einem starken Fokus auf nicht-übertragbare Krankheiten.

AstraZeneca und Takeda holen auf

AstraZeneca und Takeda zählen zu denjenigen Unternehmen, die sich im Ranking am meisten verbessern konnten. Dies schafften sie, indem sie ihre Access-Strategien deutlich ausgebaut und angepasst haben. AstraZeneca verbesserte sich dadurch um acht Plätze auf Rang sieben, während sich Takeda um fünf Plätze auf Rang 15 vorschob. Dagegen sind Novo Nordisk, Roche und Gilead am stärksten gefallen, weil sie von den anderen Unternehmen übertroffen wurden. Roche stufte die Initiative als weniger transparent als seine Wettbewerber ein. 

Machen Pharmafirmen Ausnahmen bei Patenten?

Die Fortschritte im verbesserten Zugang zu Arzneimitteln zeigen sich auch darin, wie Unternehmen mit ihren Patenten umgehen und in welchem Umfang sie anderen Herstellern erlauben, Generika ihrer Produkte herzustellen. So haben sich seit 2014 sieben Unternehmen erstmal oder in noch größerem Maße als bisher dazu verpflichtet, auf Patentrechte für bestimmte Produkte in bestimmten Regionen zu verzichten. Laut der Untersuchung gibt es heute mehr Produkte gegen HIV/AIDS, die unter freiwilligen Lizenzvereinbarungen laufen und die in mehr Ländern als zuvor gültig sind. Zum ersten Mal überhaupt gebe es eine solche Vereinbarung auch für Hepatitis C – einer Krankheit, an der weltweit zwischen 130 und 150 Millionen Menschen leiden.

Rücksicht auf Zahlungsfähigkeit

Als weiteren wichtigen Aspekt nennt die Untersuchung, dass viele Arzneimittel preiswerter werden. So haben die Autoren herausgefunden, dass bei einem Drittel der relevanten Produkte die Zahlungsfähigkeit in den entsprechenden Ländern berücksichtigt wird. Dieser Aspekt hat sich seit dem Index 2014 allerdings nicht verändert.

Darüber hinaus weist die Studie aus, dass ein Viertel der Unternehmen neue Geschäftsmodelle entwickelt habe, um Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Einkommen zu erreichen. Zudem würden sich die meisten Unternehmen dafür einsetzen, das Gesundheitssystem in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu stärken. Dabei stimmten sechs Unternehmen ihre Aktivitäten mit lokalen Prioritäten ab.

Insgesamt haben die untersuchten Unternehmen 850 Produkte für die 51 schwersten Krankheiten in den Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen auf dem Markt, weitere 420 Produkte befinden sich demnach in der Entwicklung. Im Fokus der Access-Aktivitäten der Unternehmen stehen vor allem Herzerkrankungen, Infektionen der unteren Atemwege sowie HIV/AIDS. Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Unternehmen konzentrieren sich hingegen auf fünf Krankheiten – primär auf Infektionen der unteren Atemwege, gefolgt von Diabetes, Malaria, Virushepatitis und HIV/AIDS.

(Access to Medicines Initiative)


Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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