Änderung des AMG

Bundestag verabschiedet DrEd-Verbot und umstrittene Studien-Regeln

Stuttgart - 11.11.2016, 13:00 Uhr

Am 11. November stimmte der Bundestag über Änderungen des Arzneimittelgesetzes ab. (Foto:dpa)

Am 11. November stimmte der Bundestag über Änderungen des Arzneimittelgesetzes ab. (Foto:dpa)


Am Freitag votierte die Mehrheit des Parlaments für eine umfassende Änderung des Arzneimittelgesetzes. Es regelt die Durchführung klinischer Studien, erlaubt stark umstrittene Forschung an Demenzpatienten – und verbietet Fernverschreibungen wie bei DrEd.

Mit dem vierten AMG-Änderungsgesetz setzt der Bundestag die EU-Verordnung 536 für klinische Studien in Deutschland um. Bei der namentlichen Abstimmung votierten am Freitagmorgen 357 der 542 anwesenden Bundestagsabgeordnete für den Gesetzentwurf, 164 Parlamentarier stimmten dagegen, 21 enthielten sich. Neben vielen technischen Fragen zur Beantragung, Genehmigung und Durchführung klinischer Studien, die den neuen EU-Regularien angepasst werden mussten, enthält das Gesetz auch einige umstrittene Aspekte.

Für Apotheker ist besonders eine Regelung relevant: Mit dem Gesetz werden Fernverschreibungen nach dem Modell von DrEd verboten. „Eine Abgabe von Arzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, darf nicht erfolgen, wenn vor der ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung offenkundig kein direkter Kontakt zwischen dem Arzt oder Zahnarzt und der Person, für die das Arzneimittel verschrieben wird, stattgefunden hat“, heißt es zukünftig in § 48 des Arzneimittelgesetzes. Hiervon dürfe nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden: Insbesondere, „wenn die Person dem Arzt oder Zahnarzt aus einem vorangegangenen direkten Kontakt hinreichend bekannt ist und es sich lediglich um die Wiederholung oder die Fortsetzung der Behandlung handelt“. 

Kontrolle des Fernverschreibungsverbots bliebt unklar

Wie genau vom Apotheker zu kontrollieren ist, auf welchem Wege das Rezept erstellt wurde, bleibt offen. „Die oder der Verschreibende muss sich von dem Zustand der Person überzeugt haben“, heißt es nur knapp in der Gesetzesbegründung. „Die Regelung dient dazu, die Qualität der Versorgung zu sichern.“ Das Fernverschreibungsverbot war von manchen Politikern wie der Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche kritisiert worden, die zwar gleichfalls das Geschäftsmodell von DrEd verbieten wollte – aber beispielsweise für Chroniker Lockerungen forderte.

Erweitertes Berufsbild

Ebenfalls für Apotheken relevant: In der Bundes-Apothekerordnung wird das Berufsbild der Apotheker jetzt noch umfassender beschrieben. Bislang nicht ausdrücklich genannte Tätigkeiten, zum Beispiel in der Lehre und Forschung oder in der öffentlichen Verwaltung, wurden aufgenommen. Das ist nicht zuletzt wichtig, wenn es um die Frage der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht geht.

Forschung an Demenzkranken stark umstritten

Auch einige andere Aspekte des Gesetzes waren stark umstritten: So war dem Gesetzentwurf eine monatelange Debatte um ethische Grenzen für Forschung am Menschen vorausgegangen. Nach Ansicht von Kritikern bringt es die Unabhängigkeit von Ethikkommissionen in Gefahr, die vor Durchführung klinischer Studien deren Nutzen sowie mögliche Risiken für Probanden bewerten. Zukünftig können das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ablehnende Voten von Ethikkommissionen überstimmen. Auch vom Verband der forschenden Arzneimittelhersteller wurde dies als ungünstig angesehen, da internationale Vereinbarungen wie die Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes ein zustimmendes Votum einer Ethikkommission fordern. Auch soll das BfArM Ethikkommissionen zukünftig zentral registrieren: Da die Behörde gleichzeitig für die Zulassung von Arzneimitteln zuständig ist, sieht beispielsweise Kurt Racké vom Arbeitskreis medizinischer Ethik-Kommissionen hier „erhebliche Interessenskonflikte".

Besonders umstritten sind auch Regelungen, über die das Parlament schon am Mittwoch abgestimmt hat: Zukünftig sollen Patienten mit geistigen Beeinträchtigungen wie Demenz auch dann in Forschungsvorhaben eingebunden werden, wenn diese ihnen selber nicht direkt nützen. Während das Parlament noch vor wenigen Jahren derartige Pläne einstimmig abgelehnt hat, will die Bundesregierung so medizinische Forschung für beispielweise Demenzkranke erleichtern. Ein vom Bundestag angenommener Gesetzesantrag von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sieht vor, dass die Probanden vorab im noch einwilligungsfähigen Zustand und nach ärztlicher Aufklärung zugestimmt haben müssen.

Kritiker fürchten weniger Schutz für die Probanden

Doch Kritiker wie Patientenschützer und Kirchen fürchten, dass mit dieser Lockerung die Tür geöffnet wurde für zukünftige Absenkungen des Schutzes von Probanden. Außerdem sei die neue Regelung nicht notwendig, wie Gesundheitspolitiker aller Bundestagsfraktionen noch am Mittwoch betonten: Von der Bundesregierung sei ihrer Meinung nach kein Fall einer Studie überzeugend dargelegt worden, die durch die bisherige restriktive Regelung verhindert worden sei. Doch am Ende konnten sie die Parlamentsmehrheit nicht für sich gewinnen: Ihr Antrag, die fremdnützige Forschung an nicht-einwilligungsfähigen Patienten weiterhin zu verbieten, erhielt nur 254 Ja-Stimmen, während 321 Parlamentarier gegen ihn votierten.

Das vierte AMG-Änderungsgesetz enthält auch eine Änderung am Heilmittelwerbegesetz (HWG): Hier ist zukünftig explizit geregelt, dass Teleshopping im Arzneimittelbereich als Werbung anzusehen ist und damit verboten ist. Auch darf im Teleshopping nicht für ärztliche Behandlungen geworben werden.  

Lieferengpässe und Arzneimittelfälschungen

Eine weitere Regelung soll den Umgang mit Lieferengpässen erleichtern: Die zuständigen Bundesoberbehörden – BfArM und PEI – können künftig über die in Deutschland prinzipiell verfügbare Anzahl und Größe von freigegebenen Arzneimittelchargen informieren. Dadurch soll den medizinischen Fachgesellschaften ermöglicht werden, Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Liefer- oder Versorgungsengpässen etwa bei Impfstoffen vorzubereiten.

Nicht zuletzt wird klargestellt, dass ein begründeter Verdacht auf Arzneimittelfälschungen ein Grund für einen möglichen Arzneimittelrückruf der Bundesoberbehörden ist.

Das Gesetz tritt am Tag nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Die Regelungen, die sich auf die EU-Verordnung für klinische Studien beziehen, werden jedoch noch länger warten müssen: Hierzu muss erst noch ein EU-Portal zur Registrierung der Studien fertiggestellt werden. Wann dies gelingt, ist derzeit noch nicht abzusehen.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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