Klinische Studien

TrialsTracker benennt Publikations-Verweigerer

Stuttgart - 10.11.2016, 11:20 Uhr

Zu selten werden Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit bekannt gemacht - auch an öffentlich geförderten Institutionen. (Foto: pressmaster / Fotolia)

Zu selten werden Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit bekannt gemacht - auch an öffentlich geförderten Institutionen. (Foto: pressmaster / Fotolia)


Ein neues automatisches System der Universität Oxford zur Auswertung von klinischen Studien stellt Universitäten und Pharmagrößen wie Sanofi, Novartis und Ranbaxy ein schlechtes Zeugnis aus: Sie veröffentlichen oftmals nur in geringem Umfang die Ergebnisse ihrer Studien. Für fast die Hälfte aller klinischen Tests werden keine Daten publik gemacht.

Die neue Online-Plattform TrialsTracker wertet regelmäßig Daten der weltweit größten Datenbank für klinische Studien, ClinicalTrials.gov, aus. In seinen Suchläufen ist das Programm auf bemerkenswerte Resultate gestoßen: Von rund der Hälfte aller klinischen Studien, die in den vergangenen zehn Jahren von einem größeren Sponsor betrieben worden sind, liegen keine Daten vor. Selbst zwei Jahre nach Studienende seien keine Informationen veröffentlicht worden.

Besonders schlecht schneidet nach dieser Untersuchung der französische Pharmakonzern Sanofi ab. In 65,5 Prozent der gesponserten Studien hat der Konzern keine Daten veröffentlicht. Von insgesamt 435 Studien hat das Unternehmen lediglich in 285 Fällen Daten publiziert. Auf der Negativliste steht auch Novartis. Der Schweizer Pharmariese hat in 37,6 Prozent der Fälle von seinen klinischen Studien keine Ergebnisse veröffentlicht.

Einige deutsche Unis schneiden sehr schlecht ab

Auch das nordamerikanische National Cancer Institute (NCI) bekommt von TrialsTracker keine guten Noten: Von insgesamt 558 klinischen Studien gab die Institution in 194 Fällen beziehungsweise 34,8 Prozent keine Daten bekannt. Unter deutschen Universitäten führt die Ludwig-Maximilians-Universität in München die Rangliste der niedrigsten Veröffentlichungs-Quote an: Ganze 74,3 Prozent aller Ergebnisse sollen laut TrialsTracker nicht veröffentlicht worden sein. Bei der Charité in Berlin sind es 63,0 Prozent. Ähnliche Ergebnisse gibt es auch in anderen Ländern: Von 63,7 Prozent aller Studien des Hopitaux de Paris gab der französische Klinikbetreiber keine Studiendaten bekannt.

Insgesamt sind laut TrialsTracker seit 2006 von den größeren Sponsoren 25.927 klinische Studien vollendet worden, wobei von 11.714 Studien, an denen schätzungsweise 8,7 Millionen Patienten teilgenommen haben, keine Daten publiziert wurden.

Das Tool benennt aber auch positive Beispiele. So hat der irische Pharmakonzern Shire (https://www.shire.com/) für alle seiner 96 Studien in den zurückliegenden zehn Jahren Daten publiziert. Gut schneiden in der Untersuchung auch Johnson & Johnson und Genentech ab. 

Fehlende Transparenz zerstört Vertrauen

TrialsTracker wurde von Akademikern der Universität Oxford entwickelt. Das Tool aktualisiert sich automatisch, sobald auf Clinicaltrials.gov neue Informationen einlaufen. Es unterstützt unter anderem die Arbeit der internationalen AllTrials-Kampagne, die sich für mehr Transparenz bei klinischen Studien einsetzt und die Veröffentlichung sämtlicher Ergebnisse daraus fordert.

Sile Lane, Director von Sense about Science, dem Betreiber von AllTrials, zeigt sich erstaunt über die Resultate von TrialsTracker: „Wir sollten alle empört darüber sein, dass in den vergangenen zehn Jahren 8,7 Millionen Patienten an klinischen Studien teilgenommen haben, deren Ergebnisse nie publiziert worden sind. Diese Personen nahmen freiwillig an den Studien teil im Vertrauen darauf, dass deren Ergebnisse – wie auch immer diese ausfallen – mit Ärzten und Forschern geteilt werden, um Patienten wie ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen. Wenn Ergebnisse aus solchen Studien nicht geteilt und nicht benutzt werden, verursacht das einen enormen Vertrauensverlust.“ Wenn Forscher in Rente gehen, Computer kaputt oder Laptops verloren gehen, würde auch wertvolles medizinisches Wissen verloren gehen, so Lane weiter. Die Organisatoren von klinischen Studien müssten daher dafür sorgen, dass fehlende Resultate geteilt werden, bevor es zu spät sei.

Ben Goldacre, Mitbegründer der AllTrials-Kampagne sowie einer der Entwickler von TrialsTracker, sagt: „Es wurde über dieses Problem bereits viel und zu lange gesprochen“, erklärt er. „Wir hoffen, dass eine zunehmende Messbarkeit zu noch mehr Transparenz führt. Der TrialsTracker trägt dazu bei, jene Universitäten und Unternehmen ausfindig zu machen, die am wenigsten Studienergebnisse veröffentlichen.“ 

Die Ranglisten der Intransparenz

Top-Fünf-Sponsoren mit der höchsten Zahl fehlender Studienergebnisse:
Name des Sponsors Studien ohne Ergebnisse Studien insgesamt Fehlende Ergebnisse in %
Sanofi 285 435 65,5%
Novartis Pharmaceuticals 201 534 37,6%
National Cancer Institute (NCI) 194 558 34,8%
Assistance Publique – Hôpitaux de Paris 186 292 63,7%
GlaxoSmithKline 183 809

22,6%

Top-Fünf-Sponsoren mit der niedrigsten Zahl fehlender Studienergebnisse:
Name des Sponsors Studien ohne Ergebnisse Studien insgesamt Fehlende Ergebnisse in %
Shire 0 96 0%
Colgate Palmolive 1 32 3,1%
Johnson & Jphnson Pharmaceutical Research & Development 3 58 5,2%
Jassen Research & Development, LLC 3 35 8,6%
Genentech, Inc. 4 70 5,2%


Top-Fünf-Sponsoren mit der größten Quote an fehlenden Studienergebnissen:
Name des Sponsors Studien ohne Ergebnisse Studien insgesamt Fehlende Ergebnisse in %
Ranbaxy Laboratories Limited 35 35 100.0%
Nanjing Medical University 32 35 91,4%
Rambam Health Care Campus 27 30 90,0%
Isfahan University of Medical Sciences 44 49 89,8%
City of Hope Medical Center 39 44 88,6%


Top-Fünf-Sponsoren mit der niedrigsten Quote an fehlenden Studienergebnissen:
Name des Sponsors Studien ohne Ergebnisse Studien insgesamt Fehlende Ergebnisse in %
Shire 0 96 0 %
Colgate Palmolive 1 32 3,1%
Bristol-Myers Squibb 5 115 4,3%
Eli Lilly and Company 15 292 5,1%
Johnson & Johnson Pharmaceutical Research & Development, L.L.C. 3 58 5,2%




Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

TrialsTracker benennt Publikations-Verweigerer

von Dr. Throm Siegfried am 11.11.2016 um 18:17 Uhr

Schöne Schlagzeile - aber leider nicht Fakten-basiert.
Diese Analyse lässt nämlich zwei Dinge außer Acht: In den USA gilt die Verpflichtung, Studienergebnisse bereits vor der FDA-Zulassung eines Arzneimittels zu veröffentlichen, erst ab April 2017.
Und der TrialsTracker durchsucht nur ein einziges Register - clinicaltrials - aber nicht z.B. das europäische Register clinicaltrialsregister.eu/ , in dem rückwirkend bis 2004 zu allen klinischen Studien der Phasen II bis IV, die (auch) in Europa durchgeführt wurden, die Studienergebnisse publiziert sind.

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