BeratungsQuickie

Behandlung der Epilepsie 

München - 10.11.2016, 12:00 Uhr

(Foto: dule964 / Fotolia) 

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Welche Punkte sind bei der Beratung wichtig? Was für Zusatzinformationen können Apotheker geben? Im „Beratungs-Quickie“ stellen wir jede Woche einen neuen Fall vor. Diesmal geht es um eine Verordnung über das Antikonvulsivum Valproinsäure für einen Mann, der unter Epilepsie leidet. 

Formalien-Check

Eine Kundin kommt zwei Wochen nach Rezeptausstellung in die Apotheke, um das verordnete Arzneimittel für ihren Ehemann abzuholen.


Verordnet sind einhundert Retardtabletten Ergenyl Chrono® 300, Packungsgröße N2, unter Angabe der PZN. Das Rezept ist vollständig und eindeutig. Der Wirkstoff Valproinsäure ist seit dem 1. August 2016 Bestandteil der Substitutionsausschlussliste des G-BA. In der Anlage VII zum Abschnitt M der Arzneimittelrichtlinien finden sich die Regelungen zur Austauschbarkeit von Arzneimitteln (aut idem). Für die Darreichungsform Retardtabletten mit Valproinsäure (auch als Natriumvalproat und Valproinsäure in Kombination mit Natriumvalproat) gilt ein generelles Austauschverbot. Da es sich um einen Wirkstoff mit geringer therapeutischer Breite handelt, kann durch einen Präparate-Austausch die Anfallsfreiheit gefährdet werden. Rabattverträge sind daher nicht zu beachten.

Der Kunde ist gebührenpflichtig. Ab Ausstellungsdatum ist die Verordnung einen Monat gültig.

Beratungs-Basics

Die Retardtabletten Ergenyl Chrono® 300 enthalten eine Wirkstoffmischung aus einem Drittel Valproinsäure und zwei Dritteln Natriumvalproat. Die Valproinsäure wird initial rasch und danach verzögert das Natriumvalproat aus der Matrixstruktur der teilbaren formstabilen Filmtabletten freigesetzt.

Das Antiepileptikum erhöht die Krampfschwelle, senkt die Anfallshäufigkeit und wirkt antidepressiv. Das Arzneimittel wird bei (primär oder sekundär) generalisierten und fokalen Anfällen eingesetzt, außerdem zur Kombinationsbehandlung bei anderen Anfallsformen. Des Weiteren findet es Anwendung bei akuter Manie und zur Phasenprophylaxe manisch-depressiver Störungen. Die Dosierung zur Behandlung der Epilepsie ist individuell. Sie orientiert sich an alters- und gewichtsabhängigen Empfehlungen für Tagesdosen an Natriumvalproat: Für Erwachsene (ab ca. 60 kg) beträgt diese 1200 bis 2100 mg täglich, das entspricht vier bis sieben Retardtabletten pro Tag.

Initial wird einschleichend bis zur Anfallsfreiheit dosiert. Beginnend mit in der Regel 5 bis 10 mg Valproinsäure pro Kilogramm Körpergewicht wird die Tagesdosis danach schrittweise alle vier bis sieben Tage um etwa 5 mg Valproinsäure pro Kilogramm Körpergewicht erhöht. Da sich die volle Wirkung manchmal erst nach vier bis sechs Wochen entfaltet, dürfen die Tagesdosen nicht zu schnell gesteigert werden. Die Tagesdosis kann auf ein bis zwei Einzelgaben verteilt werden. Die Retardtabletten sind morgens nüchtern (eine Stunde vor den Mahlzeiten) unzerkaut mit einem Glas Wasser (jedoch nicht kohlensäurehaltigem Mineralwasser) einzunehmen. Die antiepileptische Therapie ist grundsätzlich eine Langzeittherapie. Frühestens nach zwei- bis dreijähriger Anfallsfreiheit ist ein ausschleichendes Absetzen der Medikation möglich. Sie muss in schrittweiser Dosisreduktion über ein bis zwei Jahre erfolgen.

Valproinsäure ist Mittel der Wahl zur Behandlung generalisierter Epilepsien und ist im Allgemeinen sehr gut verträglich. Es sind jedoch metabolische Komplikationen möglich, da Valproinsäure die Insulinhomöostase beeinträchtigt. Übergewicht, die Entwicklung eines metabolischen Syndroms und Störungen im Steroidhormonstoffwechsel (bis hin zur Unfruchtbarkeit bei Männern und polyzystischem Ovarsyndrom) können die Folge sein. Patienten sind auf eine mögliche Gewichtszunahme zu Beginn der Behandlung hinzuweisen. Steigt das Körpergewicht innerhalb des ersten Behandlungsmonats um mehr als zwei Kilogramm und wirken geeignete Maßnahmen zur Gewichtskontrolle nicht, so ist ein Wechsel auf ein gewichtsneutrales Antikonvulsivum wie Lamotrigin zu erwägen. 

Häufig treten außerdem Tremor, Übelkeit, Unruhe und vorübergehender Haarausfall auf. Auch Schläfrigkeit und Schwindel sind häufig. Im Straßenverkehr ist deshalb besondere Vorsicht geboten. Unter der Behandlung wurden schwerwiegende und auch tödlich verlaufende Leberschädigungen beobachtet. Hepatotoxische Nebenwirkungen sind dosisunabhängig und treten meistens innerhalb der ersten sechs Monate der Therapie auf. Anwender müssen bei Zeichen einer Leber- und/oder Pankreasschädigung oder bei nicht erklärbarer Störung des Allgemeinbefindens sofort den behandelnden Arzt kontaktieren.

Bei Frauen im im gebährfähigen Alter sollte das Arzneimittel nicht eingesetzt werden, da Valproinsäure zu Fruchtschädigungen führen kann.

Auch noch wichtig

Bei der Behandlung sind Wechselwirkungen mit verordneten Arzneimitteln und mit der Selbstmedikation zu beachten.

Enzyminduzierende Arzneimittel können den Plasmaspiegel der Valproinsäure verringern. Antidepressiva oder Neuroleptika verstärken die zentraldämpfende Wirkung. In Kombination mit Vitamin-K-Antagonisten oder ASS tritt eine Erhöhung der Blutungsneigung auf. Salicylate sollten nicht gleichzeitig eingenommen werden. Da sie über denselben Weg wie Valproinsäure metabolisiert werden, besteht erhöhte Gefahr einer Leberschädigung. Alle potenziell hepatotoxischen Arzneimittel, wie beispielsweise Paracetamol oder alkoholhaltige Darreichungsformen, können die Lebertoxizität von Valproinsäure verstärken. Auch Alkohol verstärkt die sedative Wirkung und die Lebertoxizität der Valproinsäure. Während der Behandlung sollte Alkohol deshalb vermieden werden.

Bestandteile der Retardtabletten können als weißer Rückstand im Stuhl erscheinen. Das bedeutet aber keine Beeinträchtigung der Arzneimittelwirkung (Matrixtabletten).

Darf´s ein bisschen mehr sein?

Die Kundin berichtet, dass ihr Mann das Präparat gut vertrage und seit Langem anfallsfrei sei. Als er damals die Diagnose „Epilepsie“ bekommen habe, sei er sehr tapfer gewesen. Dabei habe ihm sicher geholfen, zu erfahren, dass große Persönlichkeiten wie Sokrates, Caesar, Napoleon und Dostojevski auch an Epilepsie erkrankt gewesen waren.



Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Links funktionieren nicht alle.

von Tobias Z. am 10.11.2016 um 14:14 Uhr

Liebes DAZ-Team,

einige der eingebundenen Hyperlinks funktionieren leider nicht.

LG

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