BfArM und PEI

Patienten sollen Nebenwirkungen direkt melden

Bonn - 08.11.2016, 06:45 Uhr

Manchmal gibt es Verdachtsfälle: Patienten sollen Nebenwirkungen vermehrt selbst melden. (Foto: Pixelot / Fotolia)

Manchmal gibt es Verdachtsfälle: Patienten sollen Nebenwirkungen vermehrt selbst melden. (Foto: Pixelot / Fotolia)


Um Arzneimittel-Risiken besser zu erfassen, wenden sich die europäischen Arzneimittelbehörden jetzt verstärkt an die Patienten. Die deutschen Behörden bieten spezielle Online-Formulare an. Neben den Meldungen durch einen Arzt oder Apotheker wollen sie Risikosignale so früher erkennen können.

Die europäischen Arzneimittelbehörden wollen das Meldesystem für Arzneimittel-Nebenwirkungen zukünftig neu ausrichten. Während beispielsweise im vergangenen Jahr in Deutschland rund 84 Prozent aller Nebenwirkungen von den Arzneimittel-Herstellern gemeldet wurden, machen Meldungen von Ärzten oder Apothekern nur einen kleinen Anteil aus – und Patienten berichten selbst kaum über unerwünschte Wirkungen. Letzteres wollen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) nun zusammen mit allen entsprechenden Behörden auf EU-Ebene ändern.

„Je früher, häufiger und detaillierter die Arzneimittelbehörden Meldungen erhalten, desto früher können diese Risikosignale erkannt und bewertet werden, um bei Bedarf Maßnahmen zum Schutz der Patientinnen und Patienten zu treffen“, erklärte BfArM-Präsident Karl Broich zum Start der Kampagne. Die Behörden seien auf belastbare Daten und Risikosignale aus der Praxis angewiesen, die jedoch schon seit einiger Zeit auch von den Verbrauchern beigesteuert werden können. Apotheker und Ärzte sind ohnehin verpflichtet, unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu melden.

Viele Verdachtsfälle werden nicht gemeldet

„Seit 2012 können auch Patientinnen und Patienten, deren Angehörige oder Freunde Verdachtsfälle von Nebenwirkungen direkt über ein Online-Formular an PEI und BfArM melden“, betonte PEI-Präsident Klaus Cichutek. Er fordert jedermann auf, von dieser Option Gebrauch zu machen. „Nutzen Sie bitte diese Möglichkeit, im Interesse aller Beteiligten“.

Die Initiative der Arzneimittelbehörden ist nicht von einer Werbekampagne begleitet – das Ziel sei erstmal ein möglichst breites Medienecho, erklärte BfArM-Sprecher Maik Pommer gegenüber DAZ.online. Dies sei der einzige Weg für die Zulassungsbehörde, Patienten anzusprechen. Ein kurzes animiertes Video soll erklären, warum es auch für diese selbst wichtig ist, sich zu beteiligen. „Viele Verdachtsfälle von Nebenwirkungen werden nicht gemeldet“, erklären die Behörden. Aus den übermittelten Fällen würden sie diejenigen herausfiltern, die ein erstes Signal für eine bislang unbekannte Nebenwirkung sein könnten.  

Verwechslungen führen zu fehlenden Meldungen

Ein Grund für den mangelhaften Informationsfluss sei, dass Patienten ihren Arzt nicht über jede Beobachtung oder mögliche Zusammenhänge zwischen Symptomen und Arzneimitteln informieren. So könnten sie der Grunderkrankung zugeschrieben werden, anstatt mit der Medikation in Verbindung gebracht zu werden. Auch wird bei älteren Arzneimitteln offenbar seltener Verdacht geschöpft. „Nebenwirkungen zu Arzneimitteln, die sich bereits länger auf dem Markt befinden, werden bekanntermaßen weniger häufig gemeldet als solche von neuen Arzneimitteln“, erklären BfArM und PEI in ihrer Stellungnahme.

Auf ihren Internetseiten bieten die Behörden Formulare für Verbraucher an, über die sie Meldungen online abschicken oder als Brief oder Fax einsenden können. Die Daten würden sicher übertragen und vertraulich behandelt, betonen BfArM und PEI. Gleichzeitig laden sie Patienten dazu ein, auch Arztbriefe oder andere Informationen mitzuschicken. „Auch für BfArM und PEI ist die medizinische Beurteilung des Falles durch einen Arzt oder eine Ärztin, die den Patienten und die medizinischen Hintergründe gut kennt, eine wichtige Informationsquelle“, schreiben sie.

Die Behörden betonen, dass die Meldung einer möglichen Nebenwirkung nicht den Arztbesuch ersetzt. „Nur die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt kann und darf beurteilen, ob beispielsweise eine Dosisreduktion oder gar ein Absetzen des verdächtigten Medikaments notwendig und medizinisch sinnvoll ist“, warnen sie.

Mitteilung des BfArM sowie Video zur Meldung durch Patienten



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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