Schmidt zum Rx-Versandverbot

Woche der Entscheidung für Apotheker

Binz - 06.11.2016, 16:15 Uhr

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt sieht gute Chancen für ein Rx-Versandverbot. (Foto: tmb / DAZ.online)

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt sieht gute Chancen für ein Rx-Versandverbot. (Foto: tmb / DAZ.online)


„Die nächste Woche wird entscheidend“, erklärte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt am Samstag beim Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern in Binz und erläuterte die weiteren Pläne der ABDA zum Umgang mit dem EuGH-Urteil.

Den Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern am Samstag in Binz auf Rügen wollte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt ursprünglich nur als Gast besuchen, doch sein kurzfristig angesetzter Vortrag wurde zum Mittelpunkt der Veranstaltung. Er erklärte, wie die ABDA mit dem EuGH-Urteil zur Preisbindung umgeht, und stellte den Plan der ABDA bis zum Februar dar. Dabei konzentriert sich die ABDA auf das geplante Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel.    

20 Prozent der Apotheken in Gefahr

Zunächst machte Schmidt die enormen Konsequenzen des Urteils deutlich. Erstens gelte im Gesundheitswesen bisher immer das Prinzip des gleichen Preises für die gleiche Leistung. Dies werde nun infrage gestellt. Zweitens würden die europäischen Institutionen mit dem Urteil ihre Kompetenz überschreiten. Hier werde die bisherige Aufgabenteilung über Bord geworfen. Nun lege die EU fest, woran sich nationale Politik zu messen habe. Dies treffe jetzt die Arzneimittel und könnte demnächst das Berufsrecht aller freien Berufe treffen. Drittens müssten die Apotheker davon ausgehen, dass ein beträchtlicher Teil der Apotheken dem Preiswettbewerb nicht standhalte. Schon jetzt stünden etwa 20 Prozent der Apotheken „auf der Kante“. „Die vertragen keinen Wind, aber Preiswettbewerb wäre ein Sturm“, sagte Schmidt.

Schmidt sieht gute Chancen

Die ABDA sei auf das Urteil sehr gut vorbereitet gewesen, anders als manche meinten, erklärte Schmidt und wies damit die beim Deutschen Apothekertag kurz vor dem Urteil geäußerte Kritik zurück. Die Arbeit der ABDA sei erfolgreich gewesen, betonte Schmidt, denn die Politik habe mit dem geplanten Rx-Versandverbot schon nach gut einer Woche eine Lösung vorgelegt.

Für diese Neuregelung sei die nächste Woche entscheidend, sagte Schmidt am Samstag. Montag bis Mittwoch seien die entscheidenden Termine in den Fraktionen. „Die SPD muss sich positionieren, sie hat sich noch nicht festgelegt“, betonte Schmidt und wandte sich damit gegen Darstellungen, nach denen die SPD gegen das Rx-Versandverbot sei. In der CDU gebe es unterschiedliche Stimmen, aber Katja Leikert sei nur eine Stimme. Schmidt folgerte: „Es gibt gute Chancen, aber keinen Grund für überbordenden Optimismus.“

„Buy local“-Kampagne für Apotheke vor Ort ab Dezember

ABDA-Präsident Schmidt machte deutlich, dass auch bei klaren Voten der Fraktionen für ein Rx-Versandverbot noch viel zu tun sei. Da eine solche Regelung in den EU-Binnenmarkt eingreife, sei ein Notifizierungsverfahren bei der EU nötig. Dies könne drei, vielleicht sogar sechs bis acht Monate dauern. Erst dann könne das Gesetz in Kraft treten.

Nach einer positiven Entscheidung der Politiker stünden die Apotheker vor der größten Aufgabe, die Bevölkerung auf die Seite der Apotheker zu ziehen. Die ABDA begleite die Entwicklung schon jetzt mit Werbung in der Berliner U-Bahn und Zeitungsanzeigen. Voraussichtlich ab Anfang Dezember solle für acht Wochen eine Unterschriftenkampagne in den Apotheken stattfinden. Diese solle als typische „buy local“-Kampagne für die Apotheken vor Ort ausgerichtet sein. „Wir alle müssen das den Patienten erklären“ appellierte Schmidt an die Kollegen. Angesichts der Wahlen in Nordrhein-Westfalen und im Bund im nächsten Jahr seien die Politiker um die Einschätzung der Wähler besorgt. „Darum müssen wir den Wählern erklären, dass es wichtig ist, jetzt zu handeln“, so Schmidt und ergänzte: „Es steht wirklich viel auf dem Spiel.“ Das weitere Verfahren sei damit bis Februar festgelegt. Im Frühsommer sei mit einem Ergebnis zu rechnen.   

Null-Toleranz für Boni

Doch „das Schlimmste“ wäre nach Einschätzung von Schmidt, wenn die Kollegen in der Zwischenzeit selbst rechtsbrüchig würden und mit irgendwelchen Boni die Position der Apotheker untergraben würden. Dagegen sollten alle berufs- und aufsichtsrechtlichen Mittel eingesetzt werden. „Hauen Sie da drauf, wo immer sich irgendetwas zeigt“, appellierte Schmidt an die Vertreter der Kammern.

Spektrum B

Mit seinem Vortrag entwickelte Schmidt rhetorisch gekonnt eine klare Argumentationslinie von den Gründen für ein Rx-Versandverbot über die politische Umsetzung bis zur praktischen Durchführung. Einen Plan B ließ er dabei nicht durchblicken. Doch in einer Diskussionsrunde im weiteren Verlauf des Apothekertages erklärte Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin für Wirtschaft und Soziales: „Es gibt nicht einen Plan B, sondern ein ganzes Spektrum B.“ Doch nichts sei so effektiv wie das Rx-Versandverbot. Korf betonte, dass es dabei nur um verschreibungspflichtige Arzneimittel geht. Dies treffe die Versandapotheken wenig, denn „OTC ist das Brot- und Buttergeschäft für den Versandhandel“, so Korf. Axel Pudimat, Vorsitzender des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern, appellierte in der Diskussion an die Apotheker, schon jetzt Unterschriften für den Bestand der Apotheken zu sammeln. Einige Apotheker hätten damit schon aus eigenem Antrieb begonnen.  



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

F.Schmidt und Aussichten

von Heiko Barz am 07.11.2016 um 11:57 Uhr

Jenen Pro und Contra auch den Mittelwegsuchenden sollte klar sein, dass alle Diskussionen nur unter dem Aspekt der kommenden Wahl 2017 zu interpretieren sind.
Aus Gröhes massivem "Nein" zum RX Versandhandels Verbot ist mittlerweile ein zur Dämpfung eingesetztes 'Wir wollen mal abwarten'.
Beide Koalitionspartner wollen Ihr Klientel nicht verprellen, obwohl bei genauer Betrachtung der Argumente, ein RX Versandhandelsverbot dringend geboten ist.

Man sollte Angst davor haben, dass durch naive Progressivität die Gradlienigkeit im Umgang mit unserer landesspezifischen Gesundheitsversorgung durch Unwissenheit - und schlimmer noch - durch Ignoranz ausschließlich wahltaktischen Motiven zum Opfer fällt.
Es ist klar, dass ein Spagat, erklären zu wollen, ein stabiler Arzneipreis sei in der Regel besser, als eine billige Medizin in unserer "Billigpreis Mentalität" nicht durchsetzbar ist, da können ausreichend Argumente vorgebracht werden.
Ich bin mittlerweile fast überzeugt, dass die mühsam herausgestellte Notwendigkeit der BTM und Rezeptur Preis Erhöhung überhaupt nicht stattfinden wird. Eher wird erst einmal die Wahl stattfinden und dann kommt ja auch noch Gabriels Ministerialgutachten zu Apotheker Honorar und wenn wir dann Glück haben, bleibt am Ende Nächsten Jahres die Erhöhung der Rezeptur Preise um 1€ als Einziges übrig
Ich nehme Wetten an ........

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Das letzte Aufgebot!

von Lars Peter Wall am 06.11.2016 um 22:39 Uhr

Seit ich als Apotheker selbstständig bin (seit 2002) fühle ich mich massivst von unserer Standesvertretung, Pharmazierat, Apothekenbetriebsordnung etc. häufig völlig sinnfrei gegängelt!
Nichts wurde getan, unseren Berufstand mal als ein wenig moderner zu präsentieren und den täglichen sozialen Dienst inklusive täglicher Entlastung der Hausarztpraxen bei kleinen Wehwehchen herauszustellen!
Wenn alle die Patienten, die wir nach kostenloser Beratung mit günstiger Selbstmedikation zufrieden nach Hause schicken, bald dann zum Dr. laufen, dann gute Nacht Hausarztsystem!
In den Augen großer Teile der Bevölkerung und der Medien werden wir aber leider als stets besserwissende Bevormunder und Besitzstandswahrer wahrgenommen und viele Kollegen scheinen das auch noch toll zu finden!
Wir sind ja die tollen Heilberufler, und das ausschließlich!
Geht's vielleicht auch 'ne Nummer kleiner und sympathischer?
Wir haben ein viel zu komplexes System akzeptieren gelernt mit geheimen Arzneimittelpreisen, Dauerbückling gegenüber Krankenkassen und Ärzteschaft!
Wieso sollten wir nicht impfen dürfen, oder Folgerezepte ausstellen dürfen?
Wenn ich mir so den Arbeitsalltag meiner bei mir angestellten Apotheker und PTAs angucke, so beschützen wir da doch auch recht häufig den Patienten vor seinen Ärzten (manchmal auch vor den Sprechstundenhilfen), weil die beim Namen des Kunden oder der Medikation mal eben in der Zeile verrutschen, oder eben einfach mal einen Fehler machen!
Das ist nicht böse gemeint, die machen halt genauso viele Fehler wie wir!
Dazu Re-Präqualifizierung, Zwangs-QMS, Laborzwang, jede Apotheke soll alles können!
Die Rezeptur als Religion!
Man hat uns immer gesagt, dies würde uns schützen!
Es fällt uns jetzt auf die Füße, sinnloses Zeug in eine Apothekenbetriebsordnung und die Arzneimittelpreisverordnung und Rabattverrträge zu schreiben!
Das EuGH Urteil ist hier nur der erste Stich!
Irgendwann siegt der gesunde (oder ungesunde) Menschenverstand und der ganze zu komplexe Müll bricht zusammen!
Den Boden schlägt es aber aus, uns von Seiten unserer sonst recht selten in deutlichen Worten wahrzunehmenden Standesvertretung jetzt zu drohen, sollte man sich bei Kundenverlust gegen die holländische, oder sonstige europäische Konkurrenz wehren wollen!
Wir werden in kurzer Zeit nicht nur "freie" Höchstpreise bei RX haben, sondern auch Fremd- und Mehrbesitz, da dann das Heil im Einkauf liegen wird, was wir mit unserer Kleinteiligkeit nicht darstellen können!
Ich glaube nicht an ein RX-Versand-Verbot!
Noch sind wir allein am Markt!
Lasst uns beim Scheiten des RX-Versandverbotes dann bitte in den nächsten 2 Jahren mehr Spielraum beim Sortiment, Preisen, Labor, Rezeptur und Fienstleistungen damit wir uns im dann liberalisierten Markt aufstellen und zusammenschließen können bis dann Die DMs und Rossmänner, GEHEs, PHOENIXes und ALLIANCEs angreifen!

Dies ist mit ein wenig Groll auf unsere vollversagende ABDA am Mobiltelefon geschrieben! Man verzeihe mir Rechschreibfehler, Ausdruck und schlechte Grammatik!

Habt Mut zu Veränderungen!
Und ja, eine Versorgung mit der Hälfte oder 2/3 der jetzigen Apotheken ist problemlos darstellbar, der Markt wird das dann schon entscheiden, aber bitte mit gleichen Gesetzen und Regelungen für alle!

Peter Wall

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AW: Das letzte Aufgebot

von Michael N. am 07.11.2016 um 8:05 Uhr

Das sehe ich ähnlich. Es bringt nichts immer in die Vergangenheit zu schauen und daraus Ansprüche für die Zukunft zu stellen. Klar, bequemer wäre das schon - wird es aber nicht werden. Natürlich ist das EuGH-Urteil Mumpitz, aber es ist der Stein, der nun alles ins Rollen bringt.
Und wenn schon Marktwirtschaft, dann bitte richtig:
1.) Freie Verhandlungen im Einkauf
2.) Keinerlei Kassenrabatte mehr (wozu gibt es das eigentlich)
3.) Kein Retax mehr
4.) Keine Rabattverträge mehr
5.) AutIdem obliegt dem Apotheker. Der Apotheker entscheidet welcher Hersteller abgegeben wird!
6.) Niederlassungsfreiheit für Ärzte (stammt auch aus dem Mittelalter) - dann gibts auch keine Wartezeitem mehr.
7.) Europäische Kassen/Versicherungen in Deutschland zulassen. Auch hier Wettbewerb auf europäischer Ebene.
8.) 2 Kammern-Abgaben (AK und IHK)? - Warum?
9.) Keine Apothekenkammer - kein Zwangs-QMS (wozu soll das eigentlich gut sein, bei einem 5 Personen-Betrieb?)
10.) Wer kontrolliert eigentlich regelmäßig Arztpraxen? Aber wir haben ja einen Pharmazierat. Denn Abführtees dürfen ja nicht offen in der Freiwahl stehen! - bei DocMo schon (ein Klick genügt)

Das Bild in der Bevölkerung über Apotheken stammt aus einer Zeit, die heute nicht mehr gültig ist. Es gibt immer noch den Begriff "Apothekenpreise". Es wird Jahrzehnte dauern, das aus den Köpfen zu bekommen. Und so lange wird sich die Dumpfbacken-Presse daran ergötzen.

Ich war auch Anfangs für ein RX-Versandverbot. Auf Dauer wird das aber nicht möglich sein. Es bringt höchstens einen Zeitgewinn - ich befürchte aber, dass sich die ABDA dann aber wieder zurücklehnt und sich auf die Schultern klopft - bis zum nächsten mal. Wenn es dann wieder heißt: "Sichern"

Gute Chancen

von Frank ebert am 06.11.2016 um 18:08 Uhr

Die. Chance ist etwa so gut, wie der HSV noch diese Saison Deutscher Meister wird. Es ist vorbei. Das Großkapital und die Ahnungslosen Richter beim OlG Düsseldorf und dem EuGH haben gewonnen.

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