Gesundheitswesen

Bedingt zukunftsfähig

Berlin - 31.10.2016, 17:30 Uhr

Die Experten des Berichts der Nationalen Akademie der Wissenschaften fordern Reformen, und an einigen Stellen soll das Messer angesetzt werden. (Foto: s_l / Fotolia)

Die Experten des Berichts der Nationalen Akademie der Wissenschaften fordern Reformen, und an einigen Stellen soll das Messer angesetzt werden. (Foto: s_l / Fotolia)


Weniger Kliniken könnten Leben retten

Auch die Bertelsmann Stiftung weist in einer Untersuchung „Faktencheck Krankenhausstruktur“ darauf hin, dass man – entgegen der Ängste der Bevölkerung – mit weniger Krankenhäuser, die dafür besser ausgestattet sind, mehr Leben retten könnte, die Versorgung also besser wäre.

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen hält eine dreistellige Zahl von Krankenhäusern für verzichtbar und demonstriert dies in einem Kliniksimulator, in dem man per Mausklick Kliniken der Grundversorgung mit den Basisabteilungen Chirurgie und Innere Medizin sterben lassen kann. Gezeigt wird dann, wie viele Menschen davon betroffen wären und wie sich die Fahrzeit verändert. In Ballungsgebieten wie etwa dem Ruhrgebiet wäre beispielsweise von der Schließung des Katholischen Klinikums Bochum – St. Elisabeth – kein einziger Mensch im Umkreis durch deutlich verlängerte Anfahrtswege betroffen. Die Fahrzeit zum nächsten Krankenhaus betrüge 5,8 Minuten.

Das Personal ist falsch verteilt

Und diese Maßnahme führt nach Ansicht der Experten zur Lösung eines weiteren Problems. Denn anders als es noch der Deutsche Ethikrat, der im April mehr Personal für die bestehenden Kliniken forderte, heißt es im Papier der Leopoldina: Es gibt ausreichend Personal, aber es ist auf zu viele Häuser verteilt (These 5). Denn während das Verhältnis Fachpersonal pro Einwohner international im oberen Mittelfeld liege, sei es pro Patient im unteren Bereich angesiedelt. 

Doch es geht in dem Bericht der Leopoldina nicht nur um Krankenhäuser, sondern auch darum, wie Informationen genutzt werden. Politik und Gesellschaft brauchen Fakten über die Funktionsweise und Qualität des Gesundheitssystems (These 6). Um diese zu ermitteln, brauchen sie Daten über Behandlungen und deren Erfolge. „Die gibt es im Prinzip, nur können wir sie nicht auswerten“, sagt Detlef Ganten, Präsident des World Health Summit, der jährlich in Berlin abgehalten wird, um grundlegende Gesundheitsfragen zu diskutieren. Während etwa in Schweden jede neu eingesetzte künstliche Hüfte registriert wird, und damit der Erfolg der Behandlung gemessen wird, kämpfen Fachärzte in Deutschland seit mehr als einem Jahrzehnt um die verpflichtende Einführung eines solchen Register. Und während Dänemark über eine ausgefeilte digitale Infrastruktur und eine elektronische Patientenakte verfügt, auf die jeder Arzt nach Zustimmung des Patienten zugreifen kann, diskutiert die deutsche Politik seit einem Vierteljahrhundert über eine elektronische Gesundheitskarte, auf der nicht mehr als ein paar Stammdaten zu finden sind. Und über das E-Health-Gesetz sollen nun bis 2019 die Maßnahmen für die Einführung einer elektronischen Patientenakte geschaffen werden – tatsächlich eingeführt ist die Akte damit aber noch lange nicht.  

Deshalb ist die letzte These der Autoren wohl die wichtigste: Die Gesundheitsversorgung braucht klare und verlässliche politische Rahmenbedingungen und politischen Mut, die notwendigen Strukturveränderungen auch anzugehen.



Edda Grabar, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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