Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz

Ohne Blister-Verordnung gelten feste Preise

Berlin - 13.10.2016, 16:20 Uhr

Statt vieler Blister kann der Arzt auch einen patientenindividuellen Blister verordnen. (Foto: Kaspars Grinvalds / Fotolia)

Statt vieler Blister kann der Arzt auch einen patientenindividuellen Blister verordnen. (Foto: Kaspars Grinvalds / Fotolia)


Erneut will die Bundesregierung nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs eine verunglückte Rechtsvorschrift nachbessern. Diesmal geht es um die Preisbildung für Arzneimittel, die für patientenindividuelle Blister verwendet werden. Es soll klargestellt werden: Ohne ärztliche Blister-Verordnung gelten auch für diese Arzneien die festen Preise der AMPreisVO.

Der diese Woche vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf für das Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz sieht unter anderem Änderungen in der Arzneimittelpreisverordnung vor – und das nicht nur im Hinblick auf Rezepturarzneimittel. Auch an einer anderen Stelle soll angesetzt werden, dabei geht es um die Preise von in patientenindividuellen Blistern zusammengestellten Arzneimitteln. Und das hat einen Hintergrund.

Vor einiger Zeit hatte die Wettbewerbszentrale gegen Ratiopharm geklagt. Sie hatte eine Klausel in einem Mustervertrag des Unternehmens gegenüber Apotheken beanstandet. Danach sollten die Preise für Ratiopharm-Arzneimittel, die die Apotheker zur patientenindividuellen Verblisterung verwenden, frei verhandelbar sein. Die Wettbewerbszentrale hielt dies für einen Verstoß gegen das Arzneimittelpreisrecht: Auch zur Verblisterung verwendete Arzneimittel seien preisgebunden, so ihre Auffassung. Ihr Argument: Bei der patientenindividuellen Verblisterung liege die ärztliche Verordnung für ein bestimmtes Fertigarzneimittel vor, aus dem der Apotheker die Tabletten entnehme und neu zusammenstelle. Im Endeffekt erhalte der Patient aber die Gesamtmenge der vom Arzt verschriebenen Tabletten.

Wie weit gehen die Ausnahmen?

Im März 2015 entschied der Bundesgerichtshof den Fall – und zwar zugunsten von Ratiopharm und gegen die Wettbewerbszentrale. Das Urteil stützt sich vor allem auf den Wortlaut des § 78 Arzneimittelgesetz, wonach der Hersteller nur dann einen einheitlichen Abgabepreis garantieren muss, wenn das Arzneimittel auch auf Apothekenebene einen einheitlichen Abgabepreis hat. Und das bringt als weiteren Dreh- und Angelpunkt § 1 Absatz 3 Satz 1 Nr. 7 AMPreisV ins Spiel. Danach gelten bei der Abgabe von aus Fertigarzneimitteln entnommenen Teilmengen – soweit deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleibt – nicht die Preise, die die Arzneimittelpreisverordnung sonst vorgibt. Eingeführt wurde dieser Ausnahmebestand 2007 mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz.

Für den Bundesgerichtshof hieß das: Die Arzneimittelpreisverordnung kommt selbst dann nicht zur Anwendung, wenn Arzneimittel-Blister, die individuell für einen Patienten für einen bestimmten Zeitraum angefertigt werden, ohne eine entsprechende ärztliche Verordnung angefertigt werden. Die Apotheken sollten also bei Ratiopharm günstiger wegkommen, wenn sie nur erklärten, sie verwendeten die Arzneimittel für patientenindividuelle Blister – auch wenn ihnen noch keine konkrete Verordnung vorlag.

Das Urteil sorgte für Unruhe. Die Wettbewerbszentrale forderte eine Präzisierung der Regelung in der Arzneimittelpreisverordnung. Sie zeigte sich überzeugt, dass die Ausnahmevorschrift vom Verordnungsgeber „nicht als Einfallstor zur Umgehung der Preisbindung gedacht war.“

Tatsächlich will der Gesetzgeber nun aktiv werden und eine Änderung vornehmen. Künftig soll es ausdrücklich heißen, dass die Ausnahme nur für solche Teilmengen von Fertigarzneimitteln gilt, die „aufgrund ärztlicher Verordnung“ abgegeben werden. Zur Begründung heißt es im Gesetzentwurf, dass es durch das Urteil des Bundesgerichthofs in den Fachkreisen „zu Unsicherheiten hinsichtlich der Abrechnungsgrundlage für Apotheken mit den Krankenkassen gekommen“ sei. Es bedürfe somit einer Klarstellung, „mit der der Einführung der Ausnahmeregelung entsprochen wird“. Und dieser ursprüngliche Gedanke war, dass die Arzneimittelpreisverordnung nur dann keine Anwendung finden soll, wenn die Abgabe von aus Fertigarzneimitteln entnommener Teilmengen aufgrund ärztlicher Verordnung erfolgt. „Mit der Beseitigung der Unklarheiten zur Abrechnung wird das berechtigte Interesse der Arzneimittelverbraucher an der Sicherstellung der Versorgung, insbesondere der Personen in Pflegeheimen, berücksichtigt“, heißt es im Gesetzentwurf.

Der Jurist Professor Hilko J. Meyer von der Frankfurt University of Applied Sciences, Zentrum für Gesundheitswirtschaft und -recht, hatte das Urteil schon im vergangenen Jahr scharf kritisiert. In der DAZ hatte er vor seinen möglichen Folgen gewarnt und dringenden Handlungsbedarf angemahnt. Die nun geplante Präzisierung sei daher „uneingeschränkt zu befürworten“. Meyer sagte gegenüber DAZ.online: „Durch die Neufassung wird klargestellt, dass die Ausnahme nur dann greift, wenn aufgrund ärztlicher Verordnung eine Teilmenge abgegeben wird, nicht jedoch dann, wenn das verordnete Fertigarzneimittel auf Einzelanforderung des Patienten oder des von ihm beauftragten Heims verblistert wird“. Die dadurch wiederhergestellte Rechtssicherheit sei sowohl im Hinblick auf den einheitlichen Apothekenabgabepreis als auch die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung pflegebedürftiger Heimbewohner zu  begrüßen.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Gesetzgeber nach einer Entscheidung des Bundesgerichthofs bemüßigt sieht, eine solche Klarstellung vorzunehmen. Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz sorgte er etwa für eine Nachjustierung bei der Regelung zum Entlassmanagement. Zuvor hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass dies neueren Regelungen als lex specialis dem apothekenrechtlichen Zuweisungsverbot vorgehen. Das war jedoch nicht im Sinne des Gesetzgebers – er stellte wieder ausdrücklich klar, dass die freie Apothekenwahl auch im Bereich des Entlassmanagements gelte.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Geht Verblistern ohne ärztliche Verordnung?

von Geht Verblistern ohne ärztliche Verordnung? am 14.10.2016 um 8:09 Uhr

Ich verstehe die Rechtssicherheit nicht, denn in §21 AMG heißt es in Bezug auf die Befreiung von der Zulassungspflicht:

"Einer Zulassung bedarf es nicht für Arzneimittel, die ... Arzneimittel ... sind und für Apotheken, denen für einen Patienten eine Verschreibung vorliegt, aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln als Blister aus unveränderten Arzneimitteln hergestellt werden."

Nach meinem Verständnis heißt das doch, das eine Verschreibung vorliegen muss, damit die Blister von der Zulassungspflicht befreit sind. Wenn nun also die Arzneimittelpreisverordnung nur dann gilt, wenn keine ärztliche Verordnung vorliegt, dann wird aus meiner Sicht nur klargestellt, das für das Verblistern die AMPreisV nicht gilt, denn dort muss ja eine Verordnung vorliegen, sonst entstünde ja ein zulassungspflichtiges Arzneimittel, oder?

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