Defekte im September

Lieferengpässe gehen in die Tiefe

Berlin - 10.10.2016, 14:30 Uhr

Leider nicht lieferbar - das gilt für einige Arzneimittel erschreckend dauerhaft. (Foto: weerapat1003 / Fotolia)

Leider nicht lieferbar - das gilt für einige Arzneimittel erschreckend dauerhaft. (Foto: weerapat1003 / Fotolia)


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Die Lieferengpässe, mit denen Apotheken derzeit in der Praxis konfrontiert sind, sind nicht mehr ganz so vielfältig wie vor einiger Zeit. Dafür gehen sie umso mehr in die Tiefe: Metoprolol retard und Novaminsulfon sind in nahezu jeder Apotheke ein Problem. Das zeigt eine neue Auswertung des Offenburger Apothekers Hans Rudolf Diefenbach.

Der Deutsche Apothekertag steht vor der Tür. Der Offenbacher Apotheker und hessische Kammerdelegierte Hans Rudolf Diefenbach hat sich vorgenommen, erneut das Dauerproblem Lieferengpässe zu thematisieren. Die diesjährigen im Antragsbuch gesammelten Anträge zur Hauptversammlung der deutschen Apotheker und Apothekerinnen greifen das Dauerproblem nicht auf. Doch es ist nicht unwahrscheinlich, dass es den einen oder anderen Adhoc-Antrag geben wird.

Um sich nochmals ein Bild von der Ist-Situation zu machen, hatte Diefenbach erneut Kollegen bundesweit aufgefordert, ihm ihre Defektlisten zu schicken. 50 dieser Listen, die den vergangenen September abbilden, hat der hessische Apotheker nun ausgewertet. Sie stammen aus vielen Bundesländern und lassen laut Diefenbach den Schluss zu, dass die Mängel flächendeckend bestehen. Dabei sei ein Trend zu erkennen: Die Vielzahl der Defekte scheint von der Breite her reduziert, dafür hat die Nichtverfügbarkeit von Einzelprodukten massiv zugenommen. So erreichte Metoprolol, vor allem von Hexal, eine „fast 100 Prozent-Quote der Nichtlieferbarkeit“. Das gleiche Bild bei Novaminsulfon von Zentiva: Sowohl Tropfen als auch Tabletten sind laut Diefenbachs Auswertung in fast jeder deutschen Apotheke in unterschiedlichen Packungsgrößen nicht verfügbar.

Die Bandbreite wird schmaler – und ist doch noch beachtlich

Abseits dieser Auffälligkeit hat Diefenbach die Defekte wieder nach dem Lehrbuch von Herrn Professor Mutschler et al. („Arzneimittelwirkungen“) sortiert. Hier einige Beispiele:

Antipsychotika: Quetiapin Stärke 25 von Heumann und Aurobindo werden von 20 beziehungsweise 15 Prozent der Apotheken als Dauerdefekt genannt. Eine Nachfrage bei der Firma Aurobindo habe ergeben, dass die Verfügbarkeit erst ab Mitte November 2016 wieder hergestellt sein soll.

Analgetika: Diclofenac: Für Diclo Dispers betapharm wurden 15 Defekt-Fälle gemeldet.

Novaminsulfon: Metamizol Hexal Tabletten 50 Stück wurde von elf Apotheken vermisst. Novaminsulfon Lichtenstein von Zentiva fehlte über alle Darreichungsformen und Packungsgrößen hinweg in 90 Prozent der Apotheken. Auch bei Ratiopharm und 1A Pharma gab es Defekte, sogar das Original Novalgin war für 10 Prozent der Apotheken nicht zu haben.

Betablocker: Metoprolol (Retard-Formen) brachte es auf 54 Meldungen bei 50 Apotheken. Die Firma Hexal steht hier in praktisch jeder Apotheke als nicht lieferfähiger Rabattpartner besonders im Vordergrund. Es fehlte aber auch von Aliud, 1A Pharma, Betapharm, Abz, Heumann, Stada, Ratiopharm und Mylan. „Man kann hier getrost von einem Versorgungsengpass erster Ordnung sprechen, zumal für Tage bis Wochen kein einziges Produkt in keiner Größe für die Retardformen 100 und 200 mg zur Verfügung stand bzw. steht“, sagt Diefenbach.

Bisphosphonate: Alendronsäuretabletten von Bluefish wird von 20 Prozent der Apotheken als Defekt gemeldet.

Lipidsenker: Das Produkt Simvastatin 40 von Basics und Ratiopharm, beides klassische Rabattarzneimittel melden 30 beziehungsweise 20 Prozent der Apotheken defekt.

AT 1-Blocker: Candecor Comp fehlte in 20 Prozent der Apotheken, Valsacor Comp in mehreren Stärken nicht lieferbar in 25 Prozent der Meldungen (Beides TAD).

Antiasthmatika: Hier baut sich zurzeit ein Lieferengpass beim Originalprodukt und Rabattarzneimittel Viani Diskus von GSK auf. Der Hersteller erklärt, dass zu viel Ware ins Ausland verkauft würde.

Antibiotika: Hier gibt es in den unterschiedlichsten Wirkstoffgruppen Engpässe. Penicillin Saft von Hexal, Ratiopharm oder 1A Pharma fehlte insgesamt bei 25 Prozent der Apotheken. Levofloxacin Heumann in 13 von 50 Apotheken, Metronidazol 400 AL in zehn Apotheken.

Kontingentierungen, Direktbestellungen und Retax-Ärger

Des Weiteren meldete die Hälfte der Apotheken weiterhin das Johanniskrautpräparat Laif 900 defekt. Der Hersteller entschuldigt dies mit „Qualitätsproblemen“.

Und auch bei einigen Impfstoffen steht es um die Verfügbarkeit nach wie vor nicht zum Besten: Vor allem bei Infanrix, Boostrix Polio und Repevax.

Abschließend ist die Liste der Defekte damit nicht – doch sie zeigt, dass das Problem nach wie vor höchtst virulent ist.

Einher gehen all die Engpässe mit Kontingentierungen und dem vermehrten Direktvertrieb. Schwierig wird es für die Apotheker auch, wenn Patienten bei Rabattvertragsarzneimitteln eine zuzahlungsfreie Variante verlangen und verärgert sind, wenn es diese nicht gibt.

Für Diefenbach ist angesichts dieser Situation klar: Das Hin- und Herschachern von Ware durch die Hersteller, die dorthin verkauften, wo die Rendite am besten ist, und durch einige Großhändler zulasten der Apotheker müsse endlich aufhören. Es sei nicht hinzunehmen, dass die Standesorganisationen einfach nur zusehen, „dass wir mit permanenten Retaxschikanen zu kämpfen haben und täglich tausendfach improvisieren müssen, um den Patienten zu helfen“, sagt Diefenbach. Und es sei auch schlicht falsch, wenn diese immer wieder sagen, dass es zwar Lieferprobleme, aber keine Versorgungsprobleme gebe.

Es bleibt abzuwarten, was die weitere Diskussion des Themas auf dem Deutschen Apothekertag bringen wird.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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Lesen Sie hier die Zusammenfassung

Der Offenbacher Apotheker Hans Rudolf Diefenbach hatte seine Kollegen bundesweit aufgefordert, ihm aktuelle Defektlisten zuzusenden. 50 Listen aus dem September hat er nun ausgewertet. Diefenbachs Fazit: „Die Breite wird schmaler und die Tiefe wird tiefer“. Zwar gibt es im Moment im Gesamtkatalog der Arzneistoffgruppen weniger Positionen. Wenn aber Defekte da sind, dann geht es gleich in Richtung eines Komplettausfalls – siehe Metoprolol und Novaminsulfon.

1 Kommentar

Lierengpässe

von Alexander Zeitler am 10.10.2016 um 23:31 Uhr

Lieber Kollege Dienfenbach, vielen Dank für Ihre Mühe..
Leider verstehe ich das Ganze noch nicht vollumfänglich. Aber reiben Sie das den Delegierten unter die Nase. Wir und die Patienten leiden..... aber warum? Wollen die Hersteller noch die GH Marge kassieren? Forxiga z.b. gibts nur direkt.
usw......Ihnen viel Erfolg, wenn man Sie zu Wort kommen lässt.

>MfG
A. Zeitler

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