Ex-Bundesgesundheitsminister

Was macht eigentlich... Daniel Bahr?

Berlin - 13.09.2016, 09:00 Uhr

Bitte lächeln: Daniel Bahr mit Ehefrau Judy Witten auf dem Roten Teppich –  anlässlich des Felix Burda Award am im April 2016 in München. (Foto: dpa)

Bitte lächeln: Daniel Bahr mit Ehefrau Judy Witten auf dem Roten Teppich –  anlässlich des Felix Burda Award am im April 2016 in München. (Foto: dpa)


„Es gibt kein Apothekensterben“ – dieses Zitat kommt sicherlich vielen Apothekern in den Sinn, wenn sie an Daniel Bahrs Amtszeit denken. Gleichzeitig unterschrieb Bahr aber auch zwei Gehaltserhöhungen für die Pharmazeuten: die Anpassung des Fixhonorars und die Notdienstpauschale. Auch das Rx-Boni-Verbot geht auf seine Kappe. Zuletzt sorgte sein Wechsel ins PKV-Lager für Aufsehen.

Daniel Bahr (FDP) leitete das Bundesgesundheitsministerium vom 12. Mai 2011 bis zum 17. Dezember 2013. Nach seiner Demission, die Liberalen hatten bei der Bundestagswahl lediglich 4,8 Prozent aller Zweitstimmen erreicht, ging Bahr zunächst in die USA. Dort wirkte er beim Think Tank Center for American Progress mit. Die Institution half US-Präsident Obama unter anderem bei der Konzeption der Gesundheitsreform. Obama ist der erste US-Präsident, der eine flächendeckende Versicherungspflicht in allen Staaten eingeführt hatte. Bahr sagte damals, dass er als Liberaler es lustig finde, in den USA als 'Sozialist' bezeichnet zu werden, weil er sich für eine Versicherungspflicht einsetze. Neben seiner Tätigkeit für die Denkfabrik hielt Bahr als Gastredner auch einige Vorlesungen an der Uni Michigan, es ging um Gesundheitsökonomie.

Im Herbst 2014 kehrte Bahr nach Deutschland zurück. Seit dem 1. November 2014 ist der Liberale als Generalbevollmächtigter der Allianz Private Krankenversicherung tätig. Seine Schwerpunkte sind Leistungsmanagement und Vertriebskoordination. Die Allianz teilte damals mit, dass Bahr nach einer Einarbeitungszeit sogar in den Vorstand berufen werden solle.

Zwangspausen per Gesetz

Oppositionsvertreter kritisierten die Entscheidung scharf – Bahr hatte sich während seiner Amtszeit mehrfach für Belange der PKVen eingesetzt. Beispielsweise forderte der studierte Volkswirt 2013, dass die Versicherungspflichtgrenze abgeschafft werde, und sich somit alle Bürger in der PKV versichern können. Im Arzneimittelbereich sorgte ein Passus im 2012 in Kraft getretenen Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) für Aufsehen: Demnach haben private Krankenversicherer seit damals auch Anrecht auf den Herstellerrabatt.

Nicht zu vergessen ist der sogenannte „Pflege-Bahr“. Mitte 2012 verabschiedete die Bundesregierung ihr umstrittenes Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz, darin enthalten der „Pflege-Bahr“. Der Begriff hatte sich aufgrund maßgeblicher Initiativen Daniel Bahrs rasch eingebürgert. Demnach erhalten Versicherte einen staatlichen Zuschuss von fünf Euro pro Monat für ihre Pflegetagegeldversicherung, falls sie selbst mindestens zehn Euro pro Monat einzahlen. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hatte angekündigt, das „unsinnige Geschenk von Schwarz-Gelb an die Privatassekuranz von fünf Euro im Monat“ wieder abzuschaffen. Doch das Konstrukt hält sich bis heute – sehr zur Freude etlicher Anbieter.

Zu seinem Wechsel in die PKV erklärte der frühere Gesundheitsminister gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Meine Ausbildung und mein Engagement in den vergangenen Jahren für das Gesundheitswesen führen für mich logisch dazu, dass ich in diesem Bereich auch weiter tätig bin.“ Und weiter: „Es wäre ja eher verwunderlich gewesen, wenn ich jetzt für die Automobilindustrie arbeiten würde, wo ich mich nicht auskenne.“ Gleichzeitig sei es nicht sein Ziel, die Gesundheitspolitik zu beeinflussen.

In der Großen Koalition sorgte der Wechsel ehemaliger Regierungsmitglieder in die Wirtschaft für heftige Diskussionen. 2015 verabschiedeten Union und SPD schließlich das Karenzzeit-Gesetz. Seit Ende Juli 2015 müssen ausscheidende Minister und parlamentarische Staatssekretäre, die eine Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes aufnehmen wollen, Interessenskonflikte melden. Ihnen droht im schlimmsten Fall eine bis zu 18-monatige Sperre, die durch ein Übergangsgeld versüßt wird. Mehrere Bundestagsabgeordnete erklärten, Auslöser seien unter anderem die beruflichen Pläne Daniel Bahrs gewesen. 

Alle sollen sich privat versichern können

In seinem letzten Bundestagswahlkampf forderte Bahr erneut Verbesserungen für die PKV. „Ich möchte, dass alle Menschen selbst entscheiden können, wie und wo sie sich versichern wollen. Das ist meine Vision. Notwendig ist, dass jeder die Grundleistung versichert hat“, sagte Bahr der „Rhein-Zeitung“. Das Ziel, private Krankenversicherungen für alle zu öffnen, verfolgten Union und Sozialdemokraten nicht weiter.

Weitaus mehr Erfolg hatte Bahr, mit seinem jahrelangen Wunsch, die Praxisgebühr ersatzlos zu streichen. Ab 2004 mussten gesetzlich Versicherte zehn Euro pro Quartal für jeden Arzt-, Zahnarzt- oder Psychotherapeutenbesuch berappen. Im Bundesgesundheitsministerium sah man mittlerweile ein, dass es nicht gelungen war, die ursprünglich gesteckten Ziele zu erreichen. Dazu gehörte, Praxen von Bagatellfällen zu entlasten, aber auch unnötige Facharztbesuche zu vermeiden. Bahr biss sich an dem Thema allerdings die Zähne aus: Kurioserweise waren die SPD, Grünen und Linken in dieser Frage mit dem FDP-Minister einer Meinung. Die CDU, damaliger Koalitionspartner der Liberalen, hielt jedoch lange dagegen. Im November 2012 kam es dann zu einem nächtlichen Koalitionsgipfel im Kanzleramt, wobei Bahr die Abschaffung der Praxisgebühr durchkämpfte. Im Gegenzug hatte die FDP der Union damals versprochen, dem Betreuungsgeld zuzustimmen.

Und mit dem Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung (KVBeitrSchG) setzte der Liberale eine Generalamnestie für Bürger um. Wer nicht krankenversichert war oder hohe Beitragsschulden hatte, konnte seine Altlasten leichter abtragen.

Von Apotheken, Bäckereien und Tankstellen

Eine besondere Verbindung hatte Bahr auch zu den Apothekern.Viele Pharmazeuten haben den FDP-Minister sicherlich aufgrund einiger Konflikte mit den Apothekern in nicht so guter Erinnerung. Schaut man auf die Fakten, gibt es dazu allerdings wenig Anlass. Denn Bahr setzte sich auch für ein höheres Fixhhonorar und eine neue Honorarkomponente, die Notdienstpauschale ein. Das Fixum der Apotheker wurde damals um 25 Cent angepasst. Mehrere Verbände und Kammern protestierten und forderten eine höhere Anpassung. Sie beschwerten sich insbesondere über die Berechnungsweise des zuständigen Bundeswirtschaftsministeriums. Bahr vermittelte zwischen den Pharmazeuten und dem Wirtschaftsministerium, das damals von Bahrs Parteifreund Philipp Rösler geleitet wurde.

Etwa ein Jahr später verabschiedete der Bundestag das Apothekennotdienst-Sicherstellungsgesetz (ANSG). Insbesondere die CSU hatte in dieser Zeit dafür gekämpft, kleineren Landapotheken finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Lange wurde darüber spekuliert, wie eine solche Unterstützung letztendlich funktionieren könnte. Bahrs Ministerium kam auf eine sehr kreative Idee: Dem Fixhonorar der Apotheker wurden 16 Cent aufgeschlagen, die der Apotheker nicht kassierte. Das Geld wandert seitdem direkt in einen vom Deutschen Apothekerverband (DAV) eingerichteten Fonds. Dieser Nacht- und Notdienstfonds wiederum vergütet die Apotheken pro geleistetem Dienst.

Noch viel wichtiger für die Apotheker dürfte aber der Einsatz Bahrs gegen Rx-Boni von ausländischen Versandapotheken sein. Bahr hatte sich öffentlich mehrfach dafür ausgesprochen, ausländischen Versendern keine „unfairen“ Vorteile gegenüber deutschen Apothekern zu ermöglichen. Mit einer AMG-Novelle sorgte der Gesetzgeber schließlich dafür, dass DocMorris und Co. bis heute keine Rx-Boni anbieten dürfen. Bahrs Gesetz liegt derzeit allerdings zur Prüfung dem Europäischen Gerichtshof vor.

In Bahrs Amtszeit fielen aber auch zwei Episoden, die im Apothekerlager bis heute skeptisch diskutiert werden. Zum Einen hatte Bahr von seinem Vorgänger Rösler die Arbeit an der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) übernommen. Bahr hatte sich (unter anderem in der Pharmazeutischen Zeitung) mehrfach dafür ausgesprochen, einige Bereiche der ApBetrO zu liberalisieren, den Apothekern mehr Freiheiten einzuräumen und Bürokratie abzuschaffen. Zur Debatte stand damals etwa, dass Filialapotheken geringere Auflagen für die Laborausstattung bekommen. In enger Zusammenarbeit mit der ABDA erarbeitete das BMG dann eine Version, die das Bundeskabinett im Februar 2012 beschloss. Maßnahmen zur „Apotheke light“ waren darin weitestgehend nicht mehr enthalten.

In direkten Konflikt mit den Apothekern geriet Bahr Ende 2012 im Rahmen der Datenklau-Affäre. Im Dezember 2012 war herausgekommen, dass ein IT-Spezialist, der für einen externen Dienstleister des BMG arbeitete, wiederholt Informationen aus dem Ministerium an einen Apotheker-Lobbyisten verkauft hatte. Bahr bezeichnete den Anfangsverdacht damals als „Sauerei“. Bis heute ist die Affäre nicht ganz aufgeklärt. Ermittelt wurde unter anderem gegen den ehemaligen Pressesprecher der ABDA, Thomas Bellartz.

Bahrs Verhältnis zu den Apothekern verbesserte sich mit Sicherheit auch nicht, als im Herbst 2013 Diskussionen über ein Apothekensterben aufkamen. „Ich kann keine Garantie für die einzelne Apotheke geben“, sagte Bahr damals. Die flächendeckende Versorgung sei noch gewährleistet. „Es gibt kein Apothekensterben“, sagte der Minister dem ARD-Morgenmagazin. Er sehe es nicht als Aufgabe der Politik, die Anzahl von Apotheken festzulegen. Das geschehe bei Bäckereien, Lebensmittelläden oder Tankstellen auch nicht.


Organspende und Pflegereform

Der Bundesgesundheitsminister hatte aber zwischenzeitlich ganz andere Sorgen. Ein Transplantationsskandal ungeahnten Ausmaßes erschütterte Deutschland. Schließlich stellten neutrale Gutachter schwerwiegende Richtlinienverstöße in Göttingen, Leipzig, München und Münster fest. Die Bereitschaft, Organe zu spenden, sank drastisch. Bahr machte das Thema zur Chefsache und verabschiedete Änderungen am bestehenden Transplantationsgesetz. Sein Ziel war, dass Versicherungen alle Mitglieder ab dem 16. Lebensjahr regelmäßig  befragen, ob sie nach ihrem Tod zur Organspende bereit wären.

Nicht zu vergessen ist auch Bahrs Engagement im Pflege-Bereich. Wie schon seine Vorgängerin Ulla Schmidt (SPD) wollte auch Bahr den Pflebedürftigkeitsbegriff erneuern und somit dafür sorgen, dass auch Demenzkranke Zugang zu den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung haben. Bahr beauftragte einen Expertenbeirat, der neue Begutachtungsinstrumente prüfen sollte. Politisch konnte sich Bahr mit einer Reformierung des Systems allerdings nie durchsetzen. Sein Nachfolger Hermann Gröhe (CDU) hat diese Arbeit mit dem Pflege-Stärkungsgesetz II im vergangenen Jahr vollendet.

Ein Ständchen in Ehren 

Während seiner Amtszeit hat Daniel Bahr etliche Gesetze und Novellen verabschiedet. Zum Abschied intonierten Mitarbeiter seines Hauses aus sperrigen Begriffen einen Kanon. Seine Familie – der Liberale ist verheiratet und hat eine Tochter – wird ihn trotzdem nicht häufiger sehen. Seine Tätigkeit bei der Allianz Private Krankenversicherung nimmt ihn stark in Anspruch.



Michael van den Heuvel, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

??

von KR am 13.09.2016 um 20:27 Uhr

Interessiert das Jenmand??

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Bahr

von Ratatosk am 13.09.2016 um 18:47 Uhr

"Die Rende is sicher " etc. bei diesen Kalauern frägt man sich nur noch ob Lüge oder Inkompetenz.
Das restliche Verhalten vor dem Wechsel sollte jeder selbst bewerten,

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